„Ihr werdet wohl keine Freunde mehr, was?", schmunzelte David, als wir wieder im Eingangsbereich standen.
„Nur über meine Leiche.", lachte ich bitter und beobachtete, wie seine Muskeln sich anspannten, während er seine Jacke anzog.
Er bemerkte meinen Blick und grinste.
Mit hochrotem Kopf wandte ich mich ab und fokussierte stattdessen den Sturm auf der anderen Seite der Glastür. Der Regen fiel unerlässlich, der Wind riss alles mit was nicht rechtzeitig dingfest gemacht wurde und am dunklen Horizont zuckten immer wieder helle Blitze.
„Wir beeilen uns lieber, bevor wir nicht mehr durch die Straßen kommen.", meinte David und hielt mir die Tür auf. Gemeinsam rannten wir zu seinem Auto. Der Wind riss an meinen Haaren und noch bevor ich den Wagen überhaupt erreichen konnte, war ich schon nass bis auf die Socken.
David fluchte, als er den Schlüssel fallen ließ und wir dadurch dem schlechten Wetter noch länger ausgesetzt waren.
Endlich hatte er es geschafft und wir flüchteten ins Trockene.
Danach bretterte er viel zu schnell und leichtsinnig vom Parkplatz.
Der Regen prasselte gegen die Frontscheibe und überforderte die Scheibenwischer.
Kein Mensch war mehr auf den Straßen meiner Stadt zu sehen. Doch das überraschte mich nicht. Das war im Herbst immer so. Jeder der hier wohnte, verbarrikadierte sich im Warmen und betete, dass der Spuk bis zum nächsten Morgen vorbei war. Ein Stromausfall war dabei meistens noch harmlos.
Selbst die Ampeln waren bereits aus und boten damit die perfekte Einladung für meinen leichtsinnigen Freund. Er raste also mit 160 km/h über die nächste Kreuzung.
Unwillkürlich fasste ich an die Kette um meinen Hals und betete zu meiner Mutter, dass David alles Griff hatte und das Auto halten konnte, falls die Reifen auf dem nassen Untergrund ihren Dienst versagten.
Als ich einen Blick zu ihm warf, erschrak ich: Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammen gepresst. Seine Hände verkrampften sich um das Lenkrad und ich konnte beinahe hören, wie seine Gedanken sich überschlugen.
Am Fahren bei dem Wetter konnte seine düstere Miene nicht liegen. Er sah solche Situationen als Herausforderung.
„David?", fragte ich zaghaft in die Stille. Das Radio war aus. Er hatte es gar nicht erst eingeschaltet.
Plötzlich sah ich ein paar Scheinwerfer seitlich auf uns zukommen.
„Pass auf!", schrie ich.
„Was?", brüllte er zurück, erkannte im letzten Moment die auf uns zurasende Gefahr und stieg auf die Bremse.
Das Heck brach aus und wir begannen uns um die eigene Achse zu drehen.
Ich wollte schreien, aber die Laute blieben mir im Hals stecken.
Angst überflutete meinen Körper und lähmte mich.
Irgendwann bewegte das Auto sich nicht mehr und wir blickten in die Richtung aus der wir gekommen waren.
Einige Zeit war es still. Keiner von uns sagte etwas. Wie lange wir so verharrten, wusste ich nicht. Es hätten Stunden, Minuten oder nur Sekunden sein können.
So oft hatte ich ihm gesagt, er solle nicht so schnell fahren. So oft!
Jetzt bekamen wir die Quittung dafür. Gott sei Dank war keinem irgendetwas passiert. Nicht mal Davids Höllenschleuder.
Trotzdem war es passiert.
Langsam öffnete ich die Tür und taumelte aus dem Wagen. Dann stolperte ich zum Gehweg. Dort ließ ich mich auf den Kantstein fallen und barg das Gesicht in den Händen.
Der Regen, der mich durchnässte war mir egal.
Der Wind, der mir die Jacke von den Schultern zog, war mir egal.
Dass David meinen Namen rief, war mir ebenfalls egal.
Alles war egal. Mein Leben war ungerecht. Ungerecht und trüb.
Normalerweise konnte ich gut mit dem Fakt umgehen, dass ich meine Eltern nie richtig kennengelernt hatte. Aber in Momenten, wie diesem kam eben alles hoch.
Irgendwann stand David neben mir und legte mir seine Jacke über.
„Liz, es tut mir leid. Ich war in Gedanken wo anders und hab den Transporter nicht gesehen.", entschuldigte er sich.
Ich reagierte nicht.
Der Schock saß tief. Auch wenn nichts passiert war.
Als ich nach ein paar Sekunden noch immer nicht antwortete, merkte ich wie er sich neben mich setzte.
So saßen wir beide also total durchnässt auf dem Gehweg und versuchten zu verarbeiten, was gerade passiert war.
„Ich hätte besser aufpassen müssen. Ich weiß doch wie sehr du es hasst, wenn ich so fahre. Es ist alles meine Schuld. So etwas hätte nie geschehen dürfen. Wie konnte ich nur so dumm sein?" Er schüttelte seinen Kopf und blickte zu seinem Auto, das seelenruhig auf der Straße stand und nichts tat.
„Es ist... Alles ist okay. Du hast nichts abbekommen, ich auch nicht und selbst dein Wagen ist noch ganz. Also kein Grund sich so fertig zu machen. Niemand hat Schuld. Zumindest nicht wir. Dieser Vollidiot hätte auch langsamer fahren, oder bremsen können.", beschwichtigte ich ihn, nachdem ich meine Stimme wiedergefunden hatte. Ich seufzte, als ich mein nasses gewelltes Haar sah. Das würde nachher ein schönes Stück Arbeit werden.
„Lass uns nach Hause fahren.", bat David, stand auf und zog mich mit.
Ich nickte zustimmend und ließ mich von ihm auf den Beifahrersitz schieben. Mein Körper vibrierte. Vor Kälte oder von dem Schock, konnte ich nicht sagen.
Er beugte sich über mich und schnallte mich fest. Danach lächelte er mich matt an und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Dann lief er ums Auto herum und holte dabei etwas aus dem Kofferraum. Als er schließlich wieder neben mir saß, übergab er mir ein Handtuch und eine Decke.
„Trockne dich ein wenig ab und kuschel dich ein.", befahl er sanft und ich tat wie mir geheißen. Er drehte die Heizung bis zum Anschlag auf und trocknete sich selber ein bisschen ab.
„Danke.", flüsterte ich mit blauen Lippen und wickelte mich in die Decke.
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Teufelsherz
FantasyDies ist die Legende über eine verschwundene Prinzessin und eine längst vergessene Welt. Eine Welt, die unter der unseren existiert. Eine Welt in der Blut Macht bedeutet. Elizabell hat alles was sich eine junge Frau wünschen kann: Einen Fre...