Glücksmoment im Dunkeln

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Ich wusste nicht, warum ich wach wurde.
Vielleicht war es eine Ahnung.
Ein Gefühl.
Stöhnend rollte ich mich zur Seite und wünschte mir sogleich, ich hätte es nicht getan. Mein Kopf schmerzte und mein gesamter Körper fühlte sich an, als wäre ein Schwertransporter darüber gefahren. Und das mehrfach!
Langsam öffnete ich meine Augen. Das erste was ich sah, war ein cremefarbener Stoff. Leinen um genau zu sein.
Bedacht setzte ich mich auf und ließ meinen Blick wandern.
Ich lag auf einem großzügigen Lager aus Decken und Kissen. Sonst war das Zelt eher spärlich eingerichtet. Es gab eine Karaffe, die augenscheinlich mit Wasser gefüllt war. Daneben stand eine große Schale und in der Mitte prangte ein großer Stock, der den Stoff der Behausung in die Höhe stemmte. Daran lehnte ein großes Schwert.
Nur gedämmt drang das Licht bis ins Innere zu mir.
Schwer atmend schloss ich die Augen und stützte mich mit den Händen auf dem Boden ab. Als ich das nächste Mal in den Raum blickte, drehte sich alles und ich kämpfte damit, mich nicht übergeben zu müssen.
Irgendwie schaffte ich es schließlich aufzustehen.
Wackelig steuerte ich auf den Punkt zu, an dem sich die beiden Leinenelemente berührten und der offenbar der Eingang zu sein schien.
Doch nach zwei Schritten, schwankte meine Welt so sehr, dass ich einfach vorne über fiel. Leise fluchte ich und drückte mir die zitternden Hände auf die Augen.
Kurz darauf näherten sich Schritte und ein paar starker Arme hob mich hoch und trug mich zurück auf das Deckenlager.
„Nein!", krächzte ich gedämpft. „Ich kann das alleine. Mir geht es gut. Lass mich los Darian!"
Als mir ein Lachen antwortete, öffnete ich meine Augen schneller, als gut für mich war.
„Ich glaube du verwechselst mich." Auf Davids Gesicht lag ein widerlich breites Grinsen.
Mit einem Schlag war alles wieder da. Aniks brennendes Haus. Unsere Flucht. Dass Darian mich fortgeschickt hatte. Wie ich mich verlaufen hatte. Und ich erinnerte mich auch an David.
„Geh weg!", wisperte ich heiser und versuchte mich aus seinem Griff zu lösen. „Lass mich los!"
„Aber warum denn?" Seine Hände wanderten von meiner Taille, über meine Seiten, bis sie sich schließlich um mein Gesicht legten. „Sonst hat es dir auch immer gefallen."
Mit großen Augen blickte ich meinen ehemaligen Freund an. „Nimm. Deine. Finger. Von. Mir." Ich wünschte, meine Stimme würde in kleines bisschen stärker klingen. Bedrohlicher. Aber es war nicht mehr als ein dünnes Flüstern.
Bevor er etwas erwidern konnte, hörte man von draußen laute Rufe und etwas klirrte laut.
„Ich bring dich um, wenn du sie anfasst!", schrie jemand.
„Darian!", keuchte ich und war plötzlich hellwach.
Bevor David reagieren konnte, stand ich schon auf den Füßen und schnappte mir das Schwert. Drohend kam er auf mich zu. Zitternd hielt ich ihm die Waffe entgegen.
Er lachte nur und näherte sich mir einfach.
Seine Hand schloss sich um mein Handgelenk und bog es schmerzhaft nach außen. So fest ich konnte, hielt ich den Griff fest umklammert. Vielleicht war es Glück, dass David ins Leere fiel, als ich nach hinten auswich. Und vielleicht war es auch Glück, dass ich deswegen vor lauter Schreck, das Schwert fallen ließ und es direkt mit dem Handstück auf seinen Hinterkopf knallte.
Jedenfalls lag er regungslos am Boden. Den Kopf tief in den Boden vergraben.
Als es draußen laut knallte, erwachte ich aus meiner Starre und stürmte mit wackeligen Beinen raus aus dem Zelt.
Ich befand mich auf einer großen Lichtung. Um mich herum waren weitere dieser Leinenhäuser aufgestellt. Rechts am Waldrand, waren Pferde an einen querliegenden Ast gebunden. Ein leises Plätschern ließ darauf schließen, dass es Wasser in der Nähe gab.
„Bell!" Es war wirklich Darians Stimme. Ich hatte es mir nicht einfach nur eingebildet.
Dann wieder ein lauter Knall.
Danach ein lautes Knurren.
Meine Vorsicht war vergessen.
So schnell meine Beine mich trugen, rannte ich zu der Richtung aus der die Laute kamen.
In dem Moment in dem ich aus dem Schatten des Lagers trat, blieb mein Herz stehen.
Darian hing mit ausgestreckten Armen zwischen zwei Bäumen. Seile waren um seine Handgelenke gewickelt und bereits rot.
Er trug nur seine Hose. Auf seiner nackten Brust verliefen zahllose blutende Schnitte. Seine Haare hingen ihm tief in die Stirn. Kraftlos hing sein Kopf nach unten.
Geschockt taumelte ich ein Stück zurück. „Nein!", wisperte ich und schlug mir die Hand vor den Mund.
Sofort schoss sein Kopf nach oben und sein Blick bohrte sich in meinen. Tiefe Schatten umrahmten seine Augen. Seine Lippe war dick angeschwollen und an seinem Kinn war überall Blut.
In meinem Hals bildete sich ein dicker Klumpen und ich merkte wie Tränen mir in die Augen stiegen.
„Lizabell.", flüsterte er. Dann knallte es wieder und er flog nach vorne. Schmerzgepeinigt schloss er die Augen und erst jetzt bemerkte ich den Mann hinter ihm. Er hatte eine Peitsche in der Hand. Doch das Seil daran war nicht aus Leder. Sondern es war ein glänzendes Material. Es war mir egal, woraus diese Folterwaffe bestand. Offenbar verletzte sie Darian. Wenn ich auf seine Brust blickte, wollte ich mir gar nicht ausmalen, wie sein Rücken aussah.
Als Darians Augen wieder auf meine trafen, sah ich die Entschlossenheit darin. Er verbat sich selber den Schmerz zuzulassen.
Bei dem Gedanken daran, wie lange er das jetzt schon tat, konnte ich die Tränen nicht mehr verdrängen.
Lautlos bewegten sich seine Lippen. Lauf!
Der Mann hinter ihm, warf die Waffe zur Seite. Ging an Darian vorbei. Spuckte vor ihm auf den Boden und verschwand im Wald.
Ich schüttelte den Kopf und stolperte nach vorne. Mit jedem Schritt wurde ich schneller.
Um uns herum begannen auf einmal verschiedene Stimmen durcheinander zu rufen. Wahrscheinlich hatte man mich entdeckt. Doch es interessierte mich nicht.
Darian war alles was zählte. Ich sah nur ihn.
Es dauerte nicht lange, bis ich direkt vor ihm stand.
Behutsam legte ich meine Hände um sein Gesicht. Still flossen mir die Tränen über die Wangen.
„Was hat er dir angetan?" Das Zittern in meiner Stimme war nicht zu überhören.
„Es wird verheilen.", versicherte er liebevoll, aber ich konnte trotzdem sehen, dass er damit kämpfte, nicht den Schmerz gewinnen zu lassen.
„Ich bring ihn um." Sanft wischte ich ihm das Blut von den Lippen.
Ein kraftloses Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Daraus wird wohl nichts, weil ich das vorher schon erledigt hab."
Matt lachte ich.
„Geht es dir gut?", fragte er und langsam sah ich das Glitzern in seine Augen zurückkehren. „Hat er dir wehgetan? Hat er dich angefasst?"
„Es ist alles okay. Ich hab nur Kopfschmerzen.", erklärte ich und versuchte mich nicht von den Schnitten auf seiner Brust ablenken zu lassen, während ich an seinen Fesseln riss und versuchte sie irgendwie zu lösen. Doch erstens waren sie zu weit oben und zweites reichte meine Kraft nicht aus, um sie ansatzweise zu bewegen.
„Verdammt! Ich kriege sie nicht ab.", schimpfte ich und kapitulierte.
„Ist egal. Lauf einfach. Lauf weg. Jetzt. Bevor David hier auftaucht.", befahl er und lehnte sich in seinen Fesseln nach vorne zu mir.
„Vergiss es! Ich lass dich hier nicht alleine.", wehrte ich augenblicklich ab. Alleine beim dem Gedanken... Nein! Ich würde nicht weglaufen! Dieses Mal nicht!
Flehend sah er mich an. „Bell! Bitte! Bitte geh! Ich kann es nicht ertragen ihn in deiner Nähe zu sehen und nichts dagegen tun zu können. Er wird dir wehtun und ich kann es nicht verhindern."
„Wird er nicht." Na wenn ich mich da mal nicht getäuscht hatte. „Nicht solange du bei mir bist. Er hat Angst vor dir, das ist sein größtes Problem."
Darian lächelte. Dann lehnte er sich noch weiter vor und küsste mich auf die Stirn. Ich ließ es zu. Diesen kleinen Moment des Glücks. Auch wenn alles andere um uns herum aussichtslos schien.

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