Seine Regeln

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„Wieso? Was ist los?", fragte Darian und sofort verfinsterte sich sein Gesicht.
Beinahe hätte ich gelacht über seine Reaktion. Es war erstaunlich, wie schnell er wieder zu dem kalten Soldaten werden konnte.
„Adam und John haben eine Gruppe Söldner aus dem Südreich entdeckt.", erklärte Lucas außer Atem. In seinen Augen stand Panik.
„Seid ihr euch sicher?", wollte Darian wissen und blickte kurz zu mir.
Sein Blick war undefinierbar, so wie ich ihn kennengelernt hatte.
Lucas nickte. „Sie trugen das Zeichen der Jäger auf ihren Handgelenken."
Darian zog seine Augenbrauen in die Höhe. „Wo ist Adam jetzt?"
„Unten. Er hat damit gerechnet, dass du mit ihm reden willst.", behauptete Lucas stolz.
Jetzt nickte Darian. „Und John?"
„Hat sich an die Jäger gehängt. Er meldet sich, wenn er herausgefunden hat, wo sie untergebracht sind oder etwas anderes nützliches weiß.", informierte der Blondschopf.
„Gute Arbeit.", lobte Darian und stand auf. „Dann lass uns mal eine spontane Krisensitzung einlegen. Sag Adam er soll alles vorbereiten, ich komme gleich."
Lucas hatte verstanden und verließ das Zimmer wieder.
Darian seufzte, fuhr sich durch die Haare und fluchte leise.
Ich verstand gar nichts mehr, außer dass wir wohl demnächst weiterziehen mussten.
„Was willst du jetzt machen?" Langsam stand ich auf, verschloss das Fenster und beobachtete Darian.
„Ich weiß es noch nicht. Sie haben sicher Späher an jedem Zugang der Stadt postiert, wenn wir überstürzt abhauen, werden sie uns bis heute Abend eingeholt haben und dann Gnade uns Gott." Er lachte bitter. Wenn selbst Darian so sprach, sollte man diese Männer wohl nicht unterschätzen.
Das konnte ja lustig werden...
„Und wenn wir einfach hier bleiben?", schlug ich zaghaft vor.
„Haben wir denn eine Alternative?", stellte er die Gegenfrage. Wirklich glücklich sah er dabei allerdings nicht aus.
Unzufrieden erwiderte er meinen Blick und ich konnte förmlich sehen, wie es in seinem Kopf ratterte.
Bevor ich etwas sagen konnte, drehte er sich um und griff neben das Bett.
Er fischte ein paar schwarze Stulpen hervor, bei denen nur die Hälfte des Fingers hinausschauen würde, wenn man sie trug und warf sie mir zu.
„Zieh die an.", befahl er und ich blickte kritisch auf den schwarzen Stoff. „Es muss ja nicht sofort jeder sehen, dass du ein Schattenmädchen bist."
Seufzend willigte ich ein und schlüpfte hinein. „Findest du die Zeichnung so hässlich?"
Er blickte auf meinen Arm und dachte einige Zeit nach. „Das habe ich dir schon gesagt, aber ich wiederhole mich gerne: Sie ist perfekt für dich."
„Danke." Eine leichte Röte legte sich auf meine Wangen, als ich den Pullover über den Stoff auf meinen Unterarmen zog und kontrollierte, ob noch etwas von meinem Tattoo zu sehen war.
„Hast du Hunger?" Er lächelte und streckte mir seine Hand entgegen.
Über meine Lippen huschte ebenfalls ein kleines Lächeln, als sich seine warmen Finger um meine schlangen.
„Na was denkst du denn? Ich habe drei Tage geschlafen – drei verdammte Tage!?" Lachend verließen wir das Zimmer.
Langsam folgte ich Darian einen dunklen Flur entlang bis hin zu einer noch dunkleren Wendeltreppe.
Aus einem der Zimmer kamen sehr eindeutige Geräusche. Und wer auch immer sich hinter der dünnen Holztür seinen Spaß hatte, gab sich nicht sonderlich viel Mühe es leise zu machen.
Mit ahnungsloser Mine drehte ich mich zu Darian. „Ich frage mich wirklich was die da drinnen machen."
Darian grinste spitzbübisch. „Soll ich klopfen und fragen, ob wir mitmachen dürfen?"
Mit offenem Mund sah ich ihn an. „Spinnst du?!" Leicht schlug ich ihm mit dem Handrücken auf die Brust.
Er grunzte vergnügt. „Ich weiß ja nicht auf was du so stehst."
„Und das wird auch so bleiben!", zischte ich ihm leise zu und zog ihn weiter.
Er überholte mich und ging vor mir die Treppe hinab.
Alles war dunkel und es roch nach nassem Holz. Eine bessere Unterkunft hatten die Männer sich wohl nicht aussuchen können, oder?
Als endlich Licht ins Treppenhaus hineinfiel, ließ Darian meine Hand los und ich wusste, ab jetzt wären wir wieder Feinde.
Die Stufen endeten in einem großen Raum. Es gab auf der rechten Seite einen langen Holztresen und überall im Raum waren Bänke und lange Biertische verteilt.
Ich fühlte mich als wäre ich im Mittelalter gelandet.
Auf der anderen Seite gab es einen großen Kamin in dem ein großes Feuer friedlich vor sich hinprasselte.
Es stank nach abgestandenem Bier und kaltem Kerzenwachs.
Drei breite Fenster ließen Tageslicht herein und beleuchteten das Chaos zusätzlich.
Ein lautes Schnarchen ließ mich zusammenfahren und ich sprang erschreckt hinter Darian.
Er verkniff sich ein Lachen und ich seufzte erleichtert, als ich die Quelle erkannte: Ein alter Mann lag mit dem Kopf auf einem der Tische und schließ seelenruhig vor sich hin.
Neben seinem Kopf lag ein umgekippter Becher und eine dunkle Flüssigkeit hatte sich über das Holz ausgebreitet.
„Na das hat doch Charme.", meinte ich nur und verzog das Gesicht.
„Es hätte schlechter kommen können.", behauptete Darian und zuckte mit den Schultern.
„Guten Morgen.", ertönte hinter uns eine laute Stimme und wir fuhren beide ertappt herum.
Ein kräftig gebauter Mann stand hinter dem Tresen und wischte mit einem schäbigen Handtuch über ein paar Bierkrüge.
„Wie ich sehe ist Ihre Frau erwacht und es scheint ihr gut zu gehen. Der Anblick eines Schattenwolfes kann einen schon mal ziemlich umhauen.", plauderte er fröhlich drauflos. Er hatte keine Haare mehr auf seinem mondrunden Gesicht und eine dreckige Schürze hing um seinen Bauch.
Was mich aber mehr überraschte, waren seine Worte.
Bevor ich dieses Missverständnis aufklären konnte, spürte ich Darians harten Griff um meinen Oberarm.
„Oh ja, es geht ihr hervorragend. Vielen Dank. Sie müssen wissen, dass meine Frau mit ihrem sanften Gemüht bereits ihr Bewusstsein verliert, wenn ihr nur ein kleiner Fuchs über den Weg läuft.", antwortete er und ich presste die Zähne zusammen.
Seine Dreistigkeit war nicht zu fassen. Sanftes Gemüt? Pahh! Der würde noch was erleben können!
Während der runde Mann herzhaft lachte, trat ich Darian auf den Fuß und funkelte ihn böse an.
„Kein Wort!", warnte dieser jedoch lediglich und seine Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in meine Haut.
„Ich kann mich doch sicher auf Sie verlassen nicht?", fragte Darian nun und lehnte sich auf den Tresen.
Unter seiner Hand befand sich ein Bündel Scheine, dass er langsam über das Holz schob. Der Wirt schaute sich gehetzt um, ehe er das Geld nahm und unter seine gelbliche Schürze schob.
„Aber natürlich." Der Mann lächelte gequält. „Sie und Ihre Begleiter sind hier jederzeit willkommen, solange sie ihre schmutzigen Geschäfte nicht unter meinem Dach machen."
In einer einzigen Bewegung sprang Darian über den Tresen und fasste dem Mann um den Hals
Der Krug, den der Wirt eben noch getrocknet hatte, fiel auf den Boden und zersprang in tausend Stücke.
Erschreckt wich ich zurück.
„Vergesst nicht wer ich bin und wer Ihr seid!", knurrte er den Dicken an. Seine Hand lag um den speckigen Hals und drückte zu.
„Ich bezahle meine Rechnung ziemlich gut, soweit ich mich erinnere. Wenn Ihr nicht wollt, dass Eure Kinder Euer dreckiges Blut vom Boden wischen dürfen, haltet Ihr euch lieber raus aus meinen Geschäften und erwähnt sie nie wieder vor mir, meiner Frau oder jemand ganz anderem.", drohte er mit schwarzen Augen, während der Kopf des armen Mannes mit jeder Sekunde blauer anlief.
„Darian!", sagte ich, als ich meinen Schock überwunden hatte. Doch er hörte mich nicht. Oder wollte es nicht.
Seine Finger schlossen sich enger um den Hals des Wirtes und er begann hilflos zu röcheln und die Augen zu verdrehen.
„Darian!", schrie ich jetzt.
Als wäre er aus einer Trance erwacht, ließ er den Mann los und dieser stürzte japsend zu Boden.
Mit dunklen Augen sah er mich an.
Erschreckt taumelte ich einige Schritte zurück, als er auf mich zukam. „Misch dich da nicht ein!"
Seine Stimme war nicht mehr als ein dunkles Grollen.
„Du hättest den armen Mann fast umgebracht!", erinnerte ich ihn und wünschte meine Stimme würde ein kleines bisschen stärker klingen.
„Das geht dich nichts an, verdammt!", brüllte er und ich zuckte zusammen.
Wie konnte der Mann der noch vor wenigen Minuten so liebevoll und sanftmütig war plötzlich zu so einem Scheusal mutieren?
Wo war der Darian, dem ich eben im Zimmer begegnet war?
„Und ob mich das etwas angeht!", schrie ich zurück und hob das Kinn. „Solange ich bei dir bin, wird hier niemand umgebracht! Hast du das verstanden?" Ja, ich konnte auch so sein wie er, wenn ich wollte!
Gefährlich langsam kam er um den gewaltigen Holztresen und blieb wenige Zentimeter vor mir stehen.
Ich schaffte es nicht zurückzuweichen und klopfte mir innerlich auf die Schulter.
„Hier gelten andere Regeln, MEINE Regeln und du wirst dich daran halten!", donnerte er „Wenn du nicht tust, was ich dir sage, wird es auch für dich Konsequenzen geben. Und dann interessiert es mich kein bisschen, ob du die Tochter meines Königs bist."
„Du bist ein Monster!", wisperte ich und erwiderte seinen Blick tapfer. „Aber auch ein Monster hat ein Herz und ich habe deins gesehen, lass nicht zu, dass deine Ängste dir deine Gefühle nehmen.", sagte ich leise und hoffte, dass ich damit den Mann erreichte in den ich mich verliebt hatte.

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