Kapitel 29

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Stille war über unsere kleine Gruppe gefallen, was nach der Aufregung der Verfolgungsjagd sehr erholsam und angebracht war. Zugegeben waren die Felsen etwas unbequem, aber ich war so verausgabt, dass ich bald zusammengerollt in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel. Ich würde meine Kräfte brauchen, denn innerlich wusste ich, dass das nicht der letzte Angriff sein würde, nachdem die Nazguls wieder aufgetaucht waren. Die Ruhe und Sicherheit, die wir in Lorien hatten, war nun vorbei. Der Angriff war schon ein ziemlicher Schock gewesen und ich musste mir die Realität wieder näher vor Augen rufen. Wie weit würden wir wohl kommen, bevor unsere Aufgabe zum Scheitern verurteilt sein würde? War sie das vielleicht schon?

"Elodiel, wacht auf", zischte eine Stimme und etwas rüttelte an meiner Schulter, sodass ich sofort alarmiert nach oben fuhr und nach meinem Dolch griff. Aber es war nur Gimli, der mich geweckt hatte und als ich mich umsah, konnte ich sehen, dass alles in Ordnung war. Sonnenschein fiel auf das Wasser vor uns und der reißende Fluss schien fast freidlich. Die anderen waren schon dabei, das Lager zusammenzupacken, während sich die Hobbits ein paar Lemabasbrote teilten. Wir hatten die Nacht ohne weiteren Angriff überstanden. "Auch schon wach?", fragte Boromir neckend, aber ich antwortete nichts. "Lasst sie, sie hat gestern mehr geleistet, als wir alle.", verteidigte mich Legolas dafür. Doch Boromir murmelte nur etwas unverständliches, was ich mittlerweile von ihm gewohnt war. Seit der Ankunft in Lorien und seinem Nervenzusammenbruch, war er mir etwas sympathischer geworden, aber ich hatte mir schon öfters Kommentare von ihm anhören müssen. Auch sein Interesse an mir hatte nicht unbedingt nachgelassen, was ich aber genauso ignorierte. 

"Wie sieht unser Plan für heute aus?", fragte ich Legolas, als ich ebenfalls meine Habseligkeiten zusammentrug und meinen Ausrüstung zurechtrückte. "Das fragt Ihr am Besten Aragorn, denn um ehrlich zu sein sind wir noch nicht zu einer klaren Entscheidung gekommen...", antwortete er mir, bevor ihm Boromir ins Wort fiel. "Ich sagte doch schon, wir sollten nach Gondor gehen! Mein Vater würde uns in Minas Tirith empfangen und so gut unterstützen wie es nur geht und dann werden wir von dort aus weiter nach Mordor gelangen. Gondor liegt praktisch auf dem Weg, es wäre töricht, in eine andere Richtung zu gehen.",  erklärte er überheblich. Bei diesen Worten zweifelte ich an der Richtigkeit von Boromirs Plan. Ich war mir sicher, dass Aragorn etwas anderes vorschlagen würde. Einerseits hatte Boromir natürlich Recht, dass Minas Tirith nicht mehr weit entfernt von unserem Standpunkt lag, allerdings dürfte der Feind bestimmt erwarten, dass wir genau diesen Weg wählen. Außerdem machte mich auch der Unterton in Boromirs Stimme stutzig... Er schien so überzeugt von seiner Idee zu sein, dass ihm gar keine andere Strategie in den Sinn kommen mochte... er war gerade zu besessen davon. Mit gerunzelter Stirn wandte ich mich ab, um den Rest zusammenzupacken, dann erblickte ich Aragorn, der am Flussufer bei den Booten der Elben stand und nachdenklich den Fluss betrachtete. "Ihr dürftet bestimmt schon Boromirs Plan gehört haben.", sagte ich, als ich mich zu ihm gesellte und ihn somit aus seinen Überlegungen riss. "Ja...", gab er murmelnd zur Antwort, ohne sein Blick vom Wasser zu nehmen. "Allerdings gibt es auch noch eine andere Möglichkeit...", sagte er aber dann.  "Und die wäre?", wollte ich wissen und zog eine Augenbraue nach oben. Da wendete er sich mir zu und kniff wegen dem hellen Licht, dass sich auf dem Fluss spiegelte ein Auge zu. Mir war noch nie aufgefallen, welche bezaubernde türkise Farbe seine Augen im Hellen annahmen. "Wir könnten durch die Marschen gehen, direkt von hier nach Moria. Aber das wäre ein sehr anstrengender Weg und ich weiß nicht, ob alle das mitmachen wollen." Er verstummte kurz, suchte in meinem Gesicht vielleicht nach einer Antwort oder einer klaren Tendenz zu einer der beiden Möglichkeiten, dann senkte er überraschenderweise verschwörerisch und vertraulich die Stimme: "Elodiel, ich glaube, dass hinter Boromirs Vorschlag noch mehr steckt. Ich vermute, dass er den Ring in sein Reich bringen will, damit sein Vater ihn im Krieg einsetzten kann. Es ist nur eine Vermutung, aber wir müssen vorsichtig sein." Ich schluckte. Dieser Gedanke war mir ja auch schon gekommen. "Das kann gut möglich sein.", erwiderte ich  mit gebrochener Stimme. "Aber ich finde, wir sollten in erster Linie den Ringträger entscheiden lassen, schließlich hast er die Last zutragen.", fügte ich hinzu und Aragorn nickte. "Gut, Ihr habt Recht, Elodiel." Mit diesen Worten schob er sich an mir vorbei und ging wieder zum Rest der Gesellschaft, der noch immer dabei war, unsere Sachen zusammenzupacken. Sein Blick schweifte suchend über jeden Einzelnen, konnte aber den wichtigsten Bestandteil der Gruppe nicht finden: Frodo. Auch ich konnte bei näherem Hinsehen den Hobbit nirgendswo entdecken. "Hat jemand Frodo gesehen?", fragte ich und etwas Panik kam nun in mir auf. Verdammt, es könnten doch Orks in der Nähe sein!, fluchte ich innerlich, als mir plötzlich auffiel, das auch Boromir fehlte. Alle schüttelten den Kopf, einige nun auch besorgt und sahen sich nach Frodo um. "Ist Boromir mit ihm gegangen?", hakte ich erneut nach. Man kann die Beiden doch nicht einfach zusammen aus den Augen lassen!  Aragorn schien das Selbe gedacht zu haben, denn unsere Blicke trafen sich. Sofort hastete ich zu meinen Waffen, die noch neben meinem Schlafplatz lagen, als auf einmal Knacken im Unterholz neben den Felsen zu hören war. Aber laut meinem Geruchssinn und meinem Gehör, war dies kein Ork sondern...

Der Herr der Ringe oder das Erbe von AngmarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt