Kapitel 41

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Verwirrt blinzelte ich. Seht Ihr nicht, dass er Euch liebt, Elodiel? 

Das konnte nicht sein. Eowyns Worte hallten in meinem Kopf nach, während ich die junge Frau mit blondem Haar vor mir ungläubig anstarrte. Alles andere um uns herum hatte ich, wohl aus Erschöpfung vermischt mit dem Schock ihrer Behauptung ausgeblendet. Ich schüttelte meinen Kopf, nun deutlich erkennbar. Ich wollte ihr nicht glauben. Ich konnte das nicht glauben. Und dennoch konnte ich nicht verhindern, dass mein Herz bei dem Gedanken, dass Aragorn mich tatsächlich lieben könnte, schneller schlug. "Nein... das kann nicht stimmen, Eowyn.", sagte ich nun heftig, doch mehr, um mir das selbst einzureden. Wieso willst du ihr nicht glauben, Elodiel?, hörte ich mich selbst stumm fragen. Du weißt doch ganz genau, dass das Worte sind, die du dir unterbewusst immer in der Realität gewünscht hattest. Nur willst du sie nicht glauben, um nicht enttäuscht zu werden. Aber was konnte mir denn garantieren, dass Eowyn Recht hatte? 

"Passt auf Euch auf.", sagte ich knapp, dann drehte ich mich endgültig um und verließ die unterirdische Halle durch einen der vielen Gänge. Dieses Gespräch hatte Fragen aufgeworfen, die ich noch nicht bereit war zu beantworten. Ich konnte nicht einmal sagen, ob ich mich über Eowyns Aussage freuen sollte. Zu viele Emotionen zur falschen Zeit. Ich musste mich jetzt auf andere Dinge konzentrieren. 

Ausgerechnet in diesem Moment tauchte Aragorn vor mir auf. Wenn man vom Teufel spricht. Ich war so irritiert, dass ich fast gegen ihn gelaufen wäre. Sofort erhöhte sich mein Herzschlag um einiges mehr und ich blickte verlegen zu Boden. Ich realisierte, dass es nun schwer werden würde, mich so wie früher dem Waldläufer gegenüber zu verhalten. "Elodiel, wie haben Euch gesucht.", sagte Aragorn und sein Tonfall klang so als wäre er in Eile. Seine blauen Augen schienen noch mehr zu leuchten als sonst, während er mich besorgt musterte. "Seid Ihr bereit?" Ich nickte nur schwach. Es war also so weit. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen und ich wusste instinktiv, dass es kein Zurück mehr gab. Der Feind stand vor unseren Toren. Wer wusste, ob wir je einen weiteren Sonnenaufgang sehen würden. "Gut.", meinte Aragorn grimmig und legte seine Hand auf meine Taille, um mich durch die Menge Soldaten zu schieben, die sich im ersten Hof der Hornburg versammelt hatten. Ich blinzelte mehrmals, um meine Gedanken auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Aragorns Hand auf meiner Rüstung half nicht gerade dabei, aber er schien diese Geste ganz unterbewusst gemacht zu haben, denn sein Blick war düster auf die massive Mauer vor uns gerichtet. Der Stein war das Einzige, was zwischen uns und einer Armee aus Orks - die um einige Male größer war als unser eigenes, bescheidenes Heer war -stand. Ich schluckte. 

Fackeln waren angezündet worden und auch der Mond war am Himmel erschienen, sodass alles in ein bläuliches Licht getaucht war. Die Rüstungen der Menschen schimmerten etwas, doch machten einen wenig glorreichen eindruck. Die Hälfte von Ihnen hatte nicht einmal richtige Waffen. Da erspähte ich Legolas und Gimli, neben ihnen König Theoden und eine weitere, mir bekannte Person. Haldir. Ich erinnerte mich an den Hauptmann Lothloriens. So wenig, wie ich ihn hier erwartet hatte, freute ich mich über seine Anwesenheit und meine Hoffnung wuchs ein wenig, als ich eine Truppe von vielleicht hundert Elben in einem angrenzenden Hof aufmarschieren sah. Wir hatten also doch etwas Hilfe bekommen. 

"Sie sind kurz nach unserer Ankunft eingetroffen.", erklärte mir Aragorn, der meinem Blick gefolgt war. "Somit kämpfen Menschen und Elben wieder Seite an Seite." Ich nickte dem Haldir kurz zu, als wir uns unseren Freunden näherten und er erwiderte ernst meinen Gruß. Die edlen Elbenkrieger waren jedoch unvergleichbar mit den zerstreuten Soldaten der Rohirrim. Aber man musste nehmen, was man kriegen konnte. Und wir brauchten jeden einzelnen, noch so untrainierten Mann. 

"Formiert Euch!", rief Theoden nun in die Menge, nachdem er sein Gespräch mit Haldir beendet hatte. Im Hof kam Unruhe auf. Gruppen bildeten sich und das Geräusch von Hunderten Stiefeln auf dem Pflasterstein hallten in dem Hof und von den angrenzenden Felswänden wieder. Der König marschierte mit angestrengter Miene und zwei seiner Hauptmänner an der Seite in die Mitte des Hofes, wovon eine Treppe auf den zweiten Wall hinaufführte. Dieser verschaffte ihm direkten Überblick über den ersten, massiveren Wall und dessen umlaufenden Wehrgang. Diesen bestiegen nun zahlreiche Bogenschützen - darunter fast alle lorischen Elben - über seitliche Treppen und auch Legolas, Gimli, Aragorn und ich gesellten uns unter sie. Der Anblick, der uns von der Mauer aus bot, war erschütternd. Wie erwartet, hatte sich Sarumans Armee mittlerweile vor den Toren Helms Klamms versammelt; ein Meer aus schwarzen Helmen, gespickt mit in die Luft ragenden Lanzen und im Wind wehenden Flaggen. Die weiße Hand auf schwarzem Stoff schien uns bedrohlich zuzuwinken. Und meine Annahme hatte sich bestätigt: Dank der Dunkelheit war es tatsächlich schwer einzuschätzen, mit wie vielen Orks wir es zu tun hatten. Die Armee schien sich bis ans Ende der ebene zu erstrecken, aber so genau konnte man das nicht sagen. 

Der Herr der Ringe oder das Erbe von AngmarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt