Kapitel 2

1.6K 98 3
                                    

"Elodiel?", sagte Elrond mitfühlend und strich mit seinen Fingern über mein Kinn. "sieh mich an." Fordernd, aber mit gutmütiger Stimme hob er meinen Kopf, sodass ich direkt in seine grau-blauen und uralten Augen sah. "Ich weiß welche Bürde auf dir liegt und du wirst deinen Weg gehen müssen. Dein Schicksal ist in den Sternen geschrieben und sowohl die Geister der verstorbenen, der Geist deiner Mutter, werden über dich wachen, als auch die Lebenden, Ic werde dich unterstützen, wo ich nur kann.Ich nickte dankbar, konnte keine weiteren Worte finden und so starrten wir beide gedankenverloren in den grauen und schäumenden Fluss zu unseren Füßen.

"Vater Elrond!" Ich schreckte aus meinen düsteren Gedanken hoch, neben mir zuckte Elrond ebenfalls zusammen. "Elrond!". Ein Reiter kam hinter uns aus dem Wald gepescht, ein bewaffneter Elbenbote, der einen dränenden Gesichtsausdruck hatte. Sein Pferd und er schnaubten, als ob beide sehr schnell hierher geeilt waren. "Was gibt es, Brahaem?", fragte Elrond ihn und erhob sich mit gerunzelter Stirn aus dem feuchten Gras. "Berichte!"

"Es wurde Aragorn, Arathorns Sohn gesichtet, am Rande eures Gebietes, auf dem Weg hierher, verfolgt von neun schwarzen Reitern und in Begleitung von vier Hobbits. Der eine trägt etwas Mächtiges bei sich und ist schwer verletzt.", keuchte Brahaem hastig seine Nachricht hervor. Ich wusste nicht wirklich wovon er sprach, doch Elrond verstand. "Das muss der Halbling sein, von dem Gandalf sprach...", murmelte er mehr zu sich selbst, doch die Ankunft eines Halblings erschien mir nicht sonderlich besorgniserregend. Vielmehr viel mein Augenmerk auf eine andere Information. "Verfolgt von neun schwarzen Reitern..."  Diese gestalten kamen mir nur zu bekannt vor. Keine andere Gruppe an schwarzen Gestalten zu dieser Zahl konnte es sein, als... 

"Elrond, diese neun Reiter... sind dies die Diener Saurons?", fragte ich aufgebracht. "Die neun Ringgeister sind hier, in der Nähe unserer Grenzen! Mein Vater, ist er auch unter ihnen? Er muss es sein... er ist ihr Anführer!" Ich könnte mich täuschen, mein Vater hatte schon seit Jahrhunderten nicht mehr auf dem Boden dieser Erde gewandelt. Seine Seele, oder eher deren Überreste hatten mit Sauron in den tiefsten, unvorstellbarsten Höllen geschmort nach seiner Niederlage in seinem letzten Krieg. Seither war viel geschehen, die Erde hatte sich verändert und es gab neue Mähte. Dadurch war es umso mehr besorgniserregend, dass solch alte, böse Mächte zurückkehrten. Ich war ganz blass geworden und wartete auf eine beschwichtigende Antwort von Elrond, eine Versicherung, dass es nicht mein Vater war, der sich nicht weit entfernt von uns bewegte. Ein Versprechen, dass alles gut werden würde. Doch er schwieg. Angst, die ich bis jetzt nur in den allerwenigstens Situationen meines Lebens erfahren hatte, kroch in mir hoch. Eine ganz spezielle Angst, weggesperrt im letzten Winkel meines Herzen und speziell reserviert für diesen Moment. Statt einer Antwort sah mich Elrond nur mit dieses weisen, allwissenden Augen an, mich zutiefst bedauernd. Es war also wahr. Ich wusste, was ich tun musste. Elrond hatte gesagt, dass ich meinen Weg gehen musste.

"Elodiel, warte!", versuchte mich Elrond noch zu stoppen, doch ich war bereits aufgesprungen und hatte mich auf mein Pferd geschwungen. Schon gab ich ihm die Sporen, Elronds Ausruf ignorierend. Mit klopfendem herzen preschte ich durch den Wald um Bruchthal um auf die Straße zu kommen, die gen Westen führte. Ich wollte nicht etwa fliehen, dafür hätte ich mein Pferd in die entgegengesetzte Richtung, nach Osten wenden müssen. Oh nein, ich würde mich meiner Angst stellen, meinen Vater konfrontieren, ihm den Gar ausmachen, solange seine Macht noch nicht allzu groß war. Denn es konnte ja nur schlimmer werden. 

Schon erreichten wir die letzten Ausläufer des Waldes und Bronwhiel stob über die Hügel dahinter davon, zwischen spitzen Felsen hindurch in Richtung der Grenze von Elronds Reich. Dort würde sein Schutz mir nichts mehr bringen, aber was sein musste, musste sein. Noch konnte ich seine Präsens nicht ausmachen, was einerseits gut war, denn er hatte noch nicht die Grenze überschritten, oder überschreiten können, andererseits trieb mich dies dazu an, weiter zu eilen und gelangte schließlich an die schmale Furth, die die letzte Markierung von Elronds Reich war. Immer wieder blickte ich mich nach hinten um und musste zufrieden feststellen, dass mir niemand folgte. Das konnte nur bedeuten, dass ich das Richtige tat und das Elrond mir vertraute. Ich konnte diese Aufgabe durchaus allein bewältigen. Es war immerhin mein Schicksal. Bewaffnet mit meinem besten Schwert, dass ich auf all meinen Reisen und auch täglich an meinem Gürtel trug und mit einem Funken von Magie ausgestattet, blickte ich stur nach vorne. Ich konnte nur hoffen, dass ich die Barriere meiner Magie mir nicht wieder Probleme machen würde.

Der Wind peitschte durch mein offenes Haar und bließ mir kalt ins Gesicht, doch ich ließ mich nicht beirren und wies das Pferd mit einem Tätscheln an seiner Flanke in die Fuhrt. Eisiges Wasser spritzte hoch und Bronwhiel  wieherte laut, da sie Wasser nicht besonders mochte. Ich biss meine Zähne zusammen. "Shhh!", beruhigte ich sie und wies sie zum anderen Ufer hoch. Auf der anderen Seite lagen hier und dort verstreute Baumgruppen von Tannen und anderen Nadelbäumen, die mit jedem zurückgelegten Meter dichter und dunkler wurden. Auch ergriff die Angst in mir mit jedem Schritt einen weiteren Winkel meines Körpers und ich war froh, dass ich nicht ganz alleine war und ich mich auf Bronwhiel verlassen konnte. Außerdem würde ich im besten Fall auf die Hobbits und diesen Aragorn stoßen, bevor es die Ringgeister tun würden. Brahaem, der Elbenbote hatte gesagt, dass einer von ihnen verletzt war und etwas Wichtiges bei sich trug, also würde ich alles tun, was in meiner Macht stand, um ihnen zu helfen und sie sicher nach Bruchthal zu eskortieren. 

Wo sind sie bloß?  Unbehaglich schaute ich mich nach Anzeichen um, doch nichts wies weder auf die Anwesenheit von Aragorn noch auf die Anwesenheit von den Ringgeistern hin. Doch plötzlich durchschnitt ein Schrei die tiefe Stille des Waldes und ich zuckte zusammen. Ich realisierte, dass es nur der Warnschrei eines auffliegenden Vogels gewesen war, doch das war auch kein gutes Zeichen. Irgendetwas musste ihn aufgeschreckt haben. Ich lies meine elbischen Sinne durch die Umgebung schweifen, achtete auf jedes Geräusch, wagte fast nicht selbst zu atmen und musterte jeden Ast, jeden Schatten. Doch nichts bewegte sich. War ich alleine? 

Doch da erhaschte ich in meinem Augenwinkel eine winzige Bewegung im Unterholz, die jedoch dazu ausreichte, meinen Puls zu beschleunigen und Brohnwhiel zu erschrecken, sodass sie schnaubend zurück wich. Die Bewegung erstarrte und mir dämmerte, dass es sich bei ihrem Verursacher nicht um einen Feind handelte. Die Ringgeister hätten schon längst angegriffen und ich hätte ihre Anwesenheit meilenweit vorher gespürt. Nein, die Gestalt, die sich dort im Schatten der Bäume versteckte, hatte ebenfalls Angst. Angst vor mir. 


Der Herr der Ringe oder das Erbe von AngmarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt