Kapitel 7

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Durch die dicke Eichenholztür der großen Halle hörte ich bereits fröhliche Stimmen und die wunderbaren, sanften Klänge der elbischen Musik. Die Tafel hatte also schon angefangen. Ich hatte den Rest des Tages in meinem Zimmer verbracht, zeitweise im Halbschlaf, zeitweise mich hin-und her wälzend, vor den Schmerzen in meinem Kopf und den nicht helfenden stürmenden Gedanken. Schnell eilte ich durch die marmornen Flure und raffte mein schlichtes, weißes Kleid zusammen. Meine silbernen Halbschuhe klapperten auf dem Steinboden und mein Herz klopfte in Erwartung und Aufregung, all die neuen Gesichter zu sehen. Dann, vor der schweren Tür der Speisehalle angekommen, atmete ich kurz tief ein, legte ich meine Hand auf den Knauf und öffnete sie schließlich. Mit einem dumpfen, lauten Ton schleifte sie über den Boden und das Geräusch ließ einige Köpfe im Saal drehen, die ich mit geröteten Wangen versuchte zu ignorieren und mit einem aufgesetzten Lächeln schritt ich voran. In der Mitte unter den zierlichen, aber stabilen Steinstreben der Decke stand eine lange Tafel, an deren Längsseite jeweils zehn Stühle standen. Auf ihnen saßen bereits speisend unsere Gäste: die Hobbits, Boromir, Aragorn, Gandalf, Gimli und Legolas, sowie ein paar andere Elben, die ich aus der näheren Umgebung von Bruchtal kannte. An den zwei Enden stand jeweils ein hoher Stuhl, auf dem einen saß Elrond und unterhielt sich mit Gandalf, der andere war frei.

Da ich sonst keinen anderen Platz sah, ließ ich mich möglichst unauffällig darauf nieder. Von der anderen Seite der Tafel erhaschte ich kurz Elronds prüfenden Blick, der sicher gehen wollte, dass es mir gut ging und ich nickte ihm kurz zu. Zu meiner Rechten saß Legolas, der mich anlächelte als ich mich so würdevoll wie möglich zurechtfand; zu meiner Linken fand ich Boromir vor. Zugegeben hatte ich die Beiden und auch unsere anderen Gäste Gimli und Gloin über die letzten Ereignisse fast vergessen. Doch nun war ich froh in Legolas ein vertrautes Gesicht zu sehen und entspannte mich wieder etwas. "Geht es euch gut?", fragte mich Legolas trotzdem und hielt kurz Inne, bevor er mit seinem Mahl fortfuhr. "Ich habe mitbekommen, was passiert ist.", erklärte er dann leise, als ich ihm keine Antwort gab - teils aus Verwunderung, teils weil ich gerade damit beschäftigt war, mir selbst etwas der köstlichen Gerichte auf meinen Teller zu laden. Ich warf ihm daher nur einen schnellen Blick zu, der, wie ich hoffe, ihm stumm "Nicht jetzt." signalisierte. Eine genauere Erklärung wurde mir ohnehin erspart, da sich plötzlich mein anderer Tischnachbar meldete.

"Euer Kleid ist wundervoll.", hörte ich Boromir sagen und ich wandte mich ihm, fast dankbar, dennoch mit einem unechten Lächeln auf den Lippen zu. " Dankeschön", bedankte ich mich mit klarer Stimme. Ohne weiter auf meine Antwort einzugehen, wanderten seine dunkelgrüne Augen gierig über mein Gesicht bis zu meinen Händen unterm Tisch und dann weiter auf die Tafel, während sich ein Schmunzeln um seine Bartstoppeln bildete. Dabei rutschte er sogar mit seinem Stuhl etwas näher zu mir hin. Um ihm auszuweichen griff ich nach meinem Glas und nahm einen Schluck des elbischen Weins. Ich konnte mir schon vorstellen, wie der Abend weitergehen würde. Und da fing Boromir auch schon an, mir ohne weitere Umschweife von sich, seiner Stadt und seinem Land zu erzählen und wie sehr er die elbische Gastfreundschaft und Kultur doch zu schätzen wisse. Mein Glas Wein hatte sich mittlerweile zum zweiten Mal gefüllt - und wieder entleert.

Um Ehrlich zu sein hatte ich Boromir schon bei unserer ersten Begegnung nicht sonderlich sympathisch gefunden. Seine aufdringliche Maskulinität war anstrengend auszuhalten - gleichzeitig wollte ich auch nicht unhöflich sein, nicht dass er noch nach dieser Tafelrunde seine Meinung über die elbische Gastfreundschaft ändern würde. Vielleicht war es aber einfach nur sein menschliches Verhalten, das ich als Elbin nicht ganz nachvollziehen konnte... Wobei natürlich nicht alle Menschen so derart selbst eingenommen und ruppig waren. Ohne Boromir zuzuhören suchte ich nach Aragorn an der Tafel, der gerade dabei war, herzhaft über einen Witz der Hobbits zu lachen. Boromir dagegen... redete nur todernst und sehr überheblich von Politik und sonstigen Weltmächten, was mich per se nicht langweilte, aber jedoch etwas unangebracht für ein Dinner fand, bei dem wir uns das erste Mal so wirklich unterhielten.

Plötzlich war es zu meiner linken Seite ruhig geworden und ich merkte, dass ich nicht aufgepasst hatte, was Boromir gesagt hatte. Anscheinend wartete dieser nun auf eine Reaktion oder Antwort meinerseits, die ich ihm allerdings nicht liefern konnte. Hilfe suchend sah ich zunächst auf meine Hände, als würden dort die richtigen Worte stehen, während ich so tat, als würde ich überlegen, dann blickte ich zu meiner Rechten, wo Legolas saß. Dieser hatte anscheinend - ganz im Gegensatz zu mir - sehr wohl bei unserem Gespräch aufgepasst und eilte mir nun zu Hilfe: "Was du über die Sache mit den Hobits und den Gerüchten über einen Krieg sagst, will er wissen.", wisperte Legolas mir verschwörerisch auf elbisch zu, sodass Boromir uns nicht verstehen konnte. Ach, ist ja interessant, dass der Herr jetzt auf Einmal nach seinem Monolog meine Meinung wissen möchte, dachte ich , nickte aber dann Legolas dankbar zu und begegnete Boromir nun mit dem unschuldigsten Lächeln, das ich aufbringen konnte.

"Den wahren Grund für die Anwesenheit der Hobbits mögen nur Gandalf und Elrond wissen, aber ich kann nicht leugnen, das gewisse Dinge geschehen, die für Manche beunruhigend sein könnten", gab ich vage zur Antwort. Ich war mir nicht sicher, wieviel Boromir wusste und wieviel man ihm anvertrauen konnte. "Düstere, dunkle Dinge.", fügte ich noch hinzu und straffte meine Schultern, um seriöser zu wirken. "Da kann ich Euch nur Recht geben.", erwiderte er und schon begann er wieder über seine Sicht der Dinge zu reden. Legolas schenkte mir derweil noch ein Glas Wein ein.

Aufgrund meiner elbischen Veranlagung Alkohol recht gut zu vertragen, brachten die paar Gläser Wein auch nicht sonderlich viel und vermochten es nicht, mir den Abend zu versüßen. Allein Legolas Anwesenheit auf meiner anderen Seite, brachte mich dann doch noch zum Lächeln.
Nach und nach füllten sich unsere Mägen und die Tafel leerte sich. Zufrieden und gesättigt bedankten sich unsere Gäste und es wurde nach mehreren Gesprächen beschlossen, dass sich am folgenden Tag ein Rat einberufen sollte, bei dem alle Teilnehmer der Tafel erscheinen sollten. Ich konnte mir nur zu gut das Thema der Sitzung vorstellen.

Da ich ja erst am Nachmittag meinen fehlenden Schlaf nachgeholt hatte, war ich nun auch noch zu später Stunde dementsprechend wach, sodass ich überlegte, ob ich in die Bibliothek gehen sollte, um mich dort zu beschäftigen, bis die Müdigkeit wiederkehrte. Normalerweise würde ich in einem solchen Fall mein Pferd Bronwhiel satteln und in die Nacht hinausjagen, unter den Baumkronen der umliegenden Wälder hindurch auf die offenen Felder und Hügel und nach den Sternen greifen... aber nach den letzten Ereignissen war mir selbst die Umgebung um Bruchthal nicht mehr geheuer und bei dem Gedanken wieder alleine da draußen zu sein, breitete sich ein mulmiges Gefühl in mir aus. Ich hatte den Ringgeistern einmal Widerstand leisten können, aber ich war mir nicht sicher, ob ich das ein zweites mal, vor Allem in so kurzer Zeit, schaffen würde.
Als sich alle von dem langen Tisch erhoben hatten und sich mit höflichen Gesten bedankt hatten, entzog ich mich ebenfalls der Aufmerksamkeit der Versammelten, wünschte Boromir - nur aus Höflichkeit - eine gute Nacht und nickte schließlich nochmals Elrond zu. Wir hatten den ganzen Abend kein Wort gewechselt, aber das mussten wir nicht. Wir beide wussten, was wir uns zu sagen hatten.
Als ich gerade ohne weitere Worte zwischen den Holzflügeln der Halle hindurchschlüpfen wollte, hielt mich eine Hand an meiner Schulter zurück. „Wohin so eilig?", fragte mich jemand auf elbisch und ich blickte überrascht, aber erfreut in Legoals spitzes, klares Antlitz. Er hatte ein neckendes Leuchten in den Augen, das mich eine Augenbraue nach oben ziehen ließ, aber mich mit Wärme an unsere jüngeren Tage zurückdenken ließ.
„Folgt mir uns findet es heraus", entgegnete ich meinerseits, schenkte ihm ein breites Lächeln und enzog mich seinem Griff. Leise huschte ich durch den dunklen Korridor, Legolas dicht hinter mir.

Der Herr der Ringe oder das Erbe von AngmarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt