Kapitel 10

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Die folgenden Tage verliefen relativ gleich. Elrond und Gandalf zogen sich die meiste Zeit in die Bibliothek oder Elronds Arbeitszimmer zurück um Karten zu studieren und unsere Reise zu planen. Manchmal gesellte sich auch Aragorn zu ihnen, aber jeder andere wurde mit einem Brummen und einer effizienteren Aufgabe weggeschickt. Also verbrachten Legolas und ich die Tage im Wald und ritten über die Hügellandschaft vor Bruchtal. Wir trafen manchmal auch die Hobbits, die fasziniert durch die Gegend liefen, als hätten sie noch nie so eine Landschaft gesehen, was ich in Anbetracht unser bevorstehenden Reise als eine nette Ablenkung betrachtete. Ich wünschte, ich könnte so unbeschwert sein, dachte ich schwermütig.

Legolas und ich trainierten auch viel auf einer Lichtung mit einem großen Felsen in der Mitte und ich versuchte mich erneut im Bogenschießen, jedoch war ich nie so gut wie er.

"Schau, Ihr müsst euren Arm genauso weit nach hinten ziehen, bis es zieht und Ihr die Spannung spüren könnt.", sagte er, als wir an einem warmen, klaren Morgen früh im Wald übten. Er legte einen Arm um mich und führte meine Hand und meinen Arm so weit, biss ich vor der ganzen Spannung auf der Bogensehne heftig zitterte. "Ihr sollt mich nicht immer mit dieser albernen Höflichkeitsform anreden!", lachte ich und betonte extra spöttisch das "Ihr". Leider flog der Pfeil, den ich gerade abgeschossen hatte deshalb nicht genau in das Ziel , sondern in einen Baum, einen Meter von der Zielscheibe entfernt landete. In der Scheibe steckten bereits endliche Pfeile, davon ein Paar in dem roten Kreis, die meisten im schwarzen - allesamt natürlich von Legolas.

"Elodiel, du nimmst das alles einfach nicht ernst.", sagte er, wobei er aber grinste. Ich wusste nicht, ob das sarkastisch gemeint war. Zumindest ließ er das mit der Höflichkeitsformel. "Aber ich denke, dir liegt Bogenschießen einfach nicht, tut mir leid. Vielleicht sollten wir zurück zum Trainingshof in Bruchtal gehen, da können wir Schwertkampf üben."

"Gute Idee, damit du verlieren kannst!", sagte ich begeistert und zog ihn lachend den Pfad zum Hof hinunter. An den Hof grenzte eine Art Waffenkammer, in der ich mich schon früher gerne mit allen Möglichen Mordwerkzeugen eingedeckt hatte. Ich besaß stolze acht verschiedene Schwerter, vier Dolche, einige kleinere Wurfmesser und eine leichte Elbische Rüstung. Legolas hatte also so gut wie keine Chance gegen mich.

Ich holte meine Waffen aus der Kammer und entschied mich für ein schlichtes Schwert mit kupferfarbenem Griff. Das sollte genügen. Legolas tat es mir gleich, und so stellten wir uns gegenüber um zu beginnen. Sofort griff er an, vielleicht wollte er den Überraschungsefekt auf seiner Seite haben. Doch ich wich flink aus, sodass er ins Leere tappte. Aber er griff gleich wieder an. Mühelos parierte ich seine Schläge, während mit lauten Klirren Metal auf Metall schlug. Er war sehr gut, doch mein jahrelanges, hartes Training machte sich bezahlt. Nach ein paar Minuten hatte ich ihm das Schwert aus der Hand geschlagen und die Spitze meines Schwertes auf sein Kinn gerichtet.

"Das ist nicht fair.", beschwere er sich beleidigt. "Lass uns noch mal kämpfen." Dieses mal hielt er länger, doch wieder war er schon nach ein paar Minuten besiegt. Also übten wir langsamen Schlagabtausch und wechselten zwischendurch die Schwerter. Wir waren gerade dabei eine 360 Grad Umdrehung mit Rückenattacke zu üben als wir von einer Stimme unterbrochen wurden.

"Ich habe gerade euch Kämpfen gehört. Sehr interessant, was ihr da übt...". Es war Aragorn. Er lehnte lässig an der hellen Kalksteinmauer hinter mir und schaute uns interessiert an. "Oh, guten Morgen, Aragorn.", sagte Legolas und ich lächelte Aragorn an. Er lief auf uns zu und grüßte uns ebenfalls. "Ich finde die Bewegungen der Elben so faszinierend, so gezielt", murmelte er, wie zu sich selbst, aber als Elben hörten wir es natürlich trotzdem. "In der Tat, wir kämpfen etwas anders, als Menschen, doch ich bin mir sicher, dass eure Kampftechniken nicht weniger gut sind als unsere.", sagte ich laut, wobei Aragorn mich kurz ansah und sich dann an Legolas wandte. "Würde es Euch etwas ausmachen, wenn ich mich mit Elodiel versuchen dürfte? Ich meine... Gegen sie antreten?", er zwinkerte mir zu. "Nein, kein Problem", antwortete ihm Legolas. Fragend schauten mich beide an. "Es ist mir eine Ehre", sagte ich mit Vergnügen. Also stellten wir uns gegenüber in Kampfposition auf und Aragorn zog sein Schwert aus seinem Gürtel. Aber er griff nicht an, deshalb sah ich mich gezwungen, auf ihn loszugehen. Ich schwang meine Klinge im Höhe seines Ellbogens, sodass er mir normalerweise schlecht ausweichen hätte Können, doch er duckte sich überraschenderweise tief unter die Höhe des Schwertes und schlug nach meinen Beinen. Etwas verwirrt wich ich zurück, parierte jedoch schnell seine Angriffe. Das war tatsächlich eine ganz andere Art zu kämpfen, zumindest anders, als die, die ich geübt hatte. Nun wechselten wir einzelne Schläge aus, wobei er aber plötzlich auswich und hinter mir stand. Ich konnte nicht schnell genug reagieren und spürte die Schwertspitze zwischen meinen Schulterblättern, bevor ich mich umdrehen konnte. "Unterschätzt die Menschen nicht", raunte er nur zu, während ich nur perplex dastand und eine Möglichkeit mich zu wehren ersann. Die Spitze drückte mir nur sanft gegen den Rücken, er wollte mich ja nicht verletzten. So konnte ich mich etwas bewegen, ohne dass mit gleich ein Schwert in den Rücken gerammt wurde. Knapp hinter uns war schon die Wand der Waffenkammer...Und ich war noch immer eine Elbin. Ich fuhr herum, mit einer Schnelligkeit, die Aragorn nicht erwartet hatte, schlug ihm das Schwert aus der Hand und stand hinter ihm. Ich hatte meinen Dolch gezückt und hielt ihn ihm nun von hinten an die Kehle. "Unterschätzt nie einen Elben.", sagte ich triumphierend. Ich schaute zufrieden zu Legolas, der ein amüsiertes Glitzern in den Augen hatte.

Doch plötzlich geschah etwas unerwartetes. Ich senkte gerade meinen Dolch und wollte von Aragorn ablassen, als er abermals herumwirbelte, meinen Arm verdrehte, sodass die Dolchspitze nun auf meine Brust gerichtet war und presste mich mit seiner Hüfte gegen die Mauer hinter meinem Rücken. Ich konnte seinen Herzschlag spüren, so eng presste sich sein Körper gegen meinen, sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt. "Unterschätzt nie einen Menschen.", sagte er mit erhobenem Dolche.


Der Herr der Ringe oder das Erbe von AngmarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt