Kapitel 36

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Von dem was ich wusste handelte es sich bei Helms Klamm um eine Festung im Schoß der Gebirge, die im Südwesten an Rohan grenzten. Zweifellos ein sicherer Ort als das entblößte und frei liegende Edoras, was zum größten Teil aus Holz erbaut wurde. Hier würden wir einer Armee von Sarumans Urukhais keinen Tag Stand halten können. Trotzdem hieß das nicht, dass uns die Orks auch nicht in Helms Klamm überfallen würden, was, wie ich glaubte, König Theoden noch auszuschließen versuchte. Doch war natürlich Gandalf, der seiner alten Rolle als schlechter Nachrichtenbringer gerne nachkam und den König an alle möglichen Szenarien, positiv und negativ erinnerte. Doch jemand musste es tun. 

Natürlich durfte man den Teufel nicht unnötig an die Wand malen und dem Volk  Rohans nicht auch noch die letzte Hoffnung nehmen, doch von den Berichten, die wir gehört hatten, waren schon zahlreiche Dörfer in dem Reich der Rohirrim den Orks zum Opfer gefallen, die gnadenlos vorgegangen waren und alles verbrannten und zerstörten, was sich ihnen in den Weg stellte. Also blieb auch den Bewohnern Edoras nicht mehr viel übrig, als ihre Sachen zusammenzupacken und ihr Heim zu verlassen. Die Habseligkeiten meiner Gefährten und mir waren schnell verstaut; wir besaßen ohnehin nicht viel mehr als die Kleidung, die wir schon seit Beginn der Reise am Leib trugen und etwas weitere Ausrüstung, also halfen wir da wo es ging. Es schmerzte mich die traurigen und müden Gesichter der Rohirrim zu sehen, die ihr Hab und Gut auf den Rücken ihrer starken Pferde und Packeseln festzurrten; nur das Nötigste durfte mitgenommen werden. Den einzigen Vorteil, den ich in der Evakuation sah, war, dass wir dank Gandalf früh genug handelten und so die Bewohner so zumindest sich Zeit lassen konnten und nicht in Panik und Eile versetzt überstürzt die Stadt räumen mussten. Hamas Soldaten und unsere Gruppe, angeführt von Eowyn organisierte das Verlassen der Stadt, sodass der Trupp der Bürger mehr oder weniger ruhig und in Reih und Glied zu den Toren heraus marschierte und sich auf den langen Fußmarsch nach Helms Klamm machte. Man hörte dennoch schreiende Kinder und schnaufende Greise, die man auf von Pferden gezogene Wägen setzte; das alles begleitet von dem Schnauben, Wiehern und Hufeklappern der Pferde, die von Soldaten beritten den Zug begleiteten. 

Die königliche Familie, nun nur noch aus Theoden und Eowyn bestehend würde Edoras als letztes verlassen und wir beschlossen, es ihnen gleich zu tun. Nach und nach leerte sich die Stadt und ich sah von einem Plateau aus dem Zug der Flüchtenden in die Ferne nach, während sich der Wind in meinen Haaren verfing. Ich konnte nur hoffen, dass sie einem nicht allzu bitteren Schicksal entgegenliefen. Die wahrlich unbeschwerten Tage waren für uns vorbei, für das Volk der Rohirrim schon seit langem und nun würde uns alle wohl der wahre Krieg erwarten. Wie lange mochte diese Dunkelheit anhalten, die schon ihre Finger nach uns ausgestreckt hatte und wie viele Schlachten würden wir schlagen müssen, bis wir das Böse besiegen konnten? Ja, war dieses überhaupt zu bezwingen? Meine Gedanken schweiften über die Ebene in den Osten, über den Fluss Anduin hinaus an dem sich unsere Gemeinschaft getrennt hatte, bis über die Marschen, die auf dem Weg nach Mordor lagen. Irgendwo dort befanden sich nun - wie ich hoffte - Frodo und Sam auf ihrem beschwerlichen Weg, mit einer großen Last auf ihren Schultern und einer schweren Aufgabe vor sich. Ich wünschte den Beiden Hobbits alle Kraft der Welt und sendete mehrere Gebete auf ihren Weg. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich die Hoffnung spüren, die Frodo seins immer in sich trug und ich meinte in dieser fernen Richtung in all der Dunkelheit auch ein helles Licht wahrzunehmen. Die Augen ganz Mittelerdes mochten mit Spannung auf den Ringträger gerichtet sein, wüssten sie nur, wohin sich der Ring bewegte und von wem er getragen wurde. 

"An was denkt Ihr?", hörte ich eine männliche Stimme neben mir mich fragen. Ich öffnete die Augen, zurückgeholt auf das felsige, windumpeitschte Plateau auf dem ich Stand. Der Zug der Evakuierenden hatte sich schon um ein Stück weiterbewegt. Ich wandte mich an Aragorn, den ich sofort erkannt hatte und lächelte matt. "Der arme Frodo.", gab ich als Antwort und er nickte verstehend. "Wie absurd, dass gerade er aus dem friedlichen Auenland über das Schicksal unseres Kontinenten entscheiden wird und gegen all das Dunkle treten wird. Wer hätte gedacht, dass nun alles in den Händen eines Hobbits liegen wird?" "Allerdings...", pflichtete mir Aragorn bei und sah ebenfalls gen Osten. "Doch wir dürfen selbst die Kleinsten nicht unterschätzen. Wir haben schon oft gesehen, wieviel Wille und Kraft in ihnen stecken kann und dass gerade sie mehr Leidenschaft und Mut beweisen können, als manch anderer von uns.", meinte er. Ich nickte nachdenklich. 

Der Herr der Ringe oder das Erbe von AngmarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt