Kapitel 8

1.3K 78 4
                                    

Schweigend liefen wir durch einen der tausenden Gänge um einen Innenhof herum, in dem wir damals immer mit Schwert und Bogen trainiert hatten. Mondlicht leuchtete uns den Weg und tauchte die alten Steinplatten vor uns in silbriges Licht. Ich hatte das Gefühl, dass uns die Blicke der Statuen, die in versteckten Nischen hausten folgten. Aber anstatt Unbehagen zu verspüren, fühlte ich mich sicher und beschützt innerhalb der beständigen Mauern. Hier war ich zuhause. 

Bruchthal hatte gewiss einen anderen elbischen Stil als etwa Legolas' Heimatwald oder gar Lothlorien. Es hatte eher eine gemütliche, fast Menschliche Atmosphäre und weniger die überirdische, etherische Aura, die man sonst in der Anwesenheit von Elben vorfand. Und da ich nun mal auch nur zur Hälfte elbisch war, konnte ich mir nicht vorstellen, an einem anderen Ort glücklicher zu sein. Dennoch wusste ich die Vergangenheit und Geschichte all dessen, was hier in Bruchthal geschehen war zu schätzen und zu ehren. Meine eigene Geschichte hatte hier ihren lauf genommen, hier war ich aufgewachsen.

Wir beide erinnerten uns an unsere Kindertage, als wir zusammen durch die Galerien schritten, aber sagten kein Wort. Lächelnd liefen nebeneinander her. Schließlich ließen wir den Gang hinter uns und gingen über eine breite, gebogenen Brücke zu einem Stück Wiese am anderen Ende. Unter der Brücke befand sich eine Schlucht, in der jetzt ein kleiner Bach rauschte.

Wie legten uns in das Gras, dass etwas feucht vom stetigen Nebel des Wasserfalls war, schauten in das endlose Sternenzelt über uns und Sprachen über Belanglosigkeiten. Ich bemerkte, dass ich Legolas noch eine Erklärung schuldig war, über das, was sich am Vortag an der Furth zugetan hatte.  Also weihte ich ihn in alle Einzelheiten ein, wie ich die Hobbits im Wald gefunden hatte und schließlich den Ringgeistern entkommen war. Auch musste ich ihm beichten, wie es um meine Fähigkeiten stand und dass ich von Glück reden konnte, die Nazgul überhaupt abschütteln konnte. Allerdings sagte ich nichts davon, dass genau einer dieser Geister der möglicher Grund für meine Blockade war und erst recht nicht, dass dieser auch noch mein nächster Blutsverwandter war. Mein Vater.

"Das ist aber gar nicht gut", meinte Legolas schließlich, nachdem er mir aufmerksam zugehört hatte. Im Mondlicht konnte ich einige Konturen seines makellosen Gesichts neben mir sehen. Er hatte die Stirn nachdenklich in Falten gezogen. "Ich wüsste aber nicht, wie man Euch da helfen könnte..."

Das wäre auch zu schön, dachte ich und seufzte. Schon spürte ich leichte Schmerzen in meiner Schläfe und ich wollte nicht länger über dieses Thema nachdenken. Also kam ich auf andere Dinge zu sprechen. "Wie geht es deinem Vater, Legolas?", wollte ich betont wissen und er verstand, dass er nicht mehr von der ganzen Sache erfahren würde.

"Er ist... der Übliche eben. Du kennst ihn ja. Immer herrschend und berechnend auf seinem Thron. Ich frage mich, wie er es da den ganzen Tag aushält, ich persönlich finde ihn furchtbar unbequem...", dann schien ihm etwas einzufallen. Mit ernster Stimme fuhr er fort: "Aber er meinte, die Dunkelheit, die sich lange im Düsterwald herumgetrieben hat, sei nach Jahrhunderten verschwunden. Für den Wald ist das ein gutes Zeichen, aber er ist sich sicher, dass sie irgendwo anders mit doppelter Kraft erneut auftauchen wird."  Das war eine beunruhigende Neuigkeit, ging aber mit den vielen Veränderungen in Mittelerde einhin, von denen wir in letzter Zeit gehört hatten. "Es ist bestimmt kein Zufall, dass zeitgleich die Nazgul wieder aufgetaucht sind.", murmelte ich mutmaßend. "Auch Boromir meinte, dass in seinen Landen auch mehrfach Orks und ähnliche Kreaturen gesichtet worden sind. Das war zumindest eines der wenigen Dinge, bei denen ich tatsächlich zugehört habe." Legolas schnaubte amüsiert und ich warf ihm einen vielsagenden Blick zu, bei dem er grinsen musst. Dann verschwand sein Lächeln wieder und er blickte wieder hoch in die Sterne. 

"Es wird Krieg geben.", stellte er fest. Ich schluckte. Er hatte es mit einer unausweichlichen Bestimmtheit gesagt, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht Recht behielt, aber selbst ich musste zugeben, dass alle Zeichen daraufhin deuteten. 

Der Herr der Ringe oder das Erbe von AngmarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt