Kapitel 34:

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Gut geschlafen hatte ich diese Nacht überhaupt nicht. Lange lag ihr noch wach, wälzte mich hin und her und versuchte einfach an nichts zu denken. Doch es war unmöglich. Meine Mutter jedoch hatte ihr Wort gehalten und mich schlafen gelassen. Keine Schule, kein Stress und kein Harry. 

Die Sonne blinzelte bereits durch die Jalousien, als ich mich aus dem Bett krümmte. Den Kopf legte ich in den Nacken und schloss meine Augen, während ich versuchte langsam wach zu werden. Ich gähnte laut. Für einen kurzen Moment vergaß ich Alles und wünschte mir, dass jeder Morgen so schön beginnen würde. Ich trottete in die Küche und füllte mir eine Tasse mit Milch. Schnell deckte ich den Tisch, stellte ein Glas Marmelade und Butter neben das Brettchen und holte mir ein süßes Brötchen aus dem Brotkorb. So ließ es sich leben. Mit schnellen Zügen verschlung ich das Brötchen und holte mir auch noch ein weiteres. Es schmeckte so gut. Ich ließ meinen Gedanken freien lauf und konnte überraschender Weise ohne Probleme entspannen. Nach einem ausgewogenen Frühstück machte ich mich wieder auf den Weg in mein Zimmer. 

Ich kam an unserem großen Spiegel im Flur vorbei und betrachtete mich von oben bis unten. Ich sah total fertig aus. Meine Haare waren zerzaust und fettig, ihr hatte derbe Augenringe und mit meinen Klamotten hätte ich glatt als Obdachloser durchgehen können. Ih kratze mich am Kopf und verzog mein Gesicht. Eine schöne, warme Dusche war wohl fällig.  

Ich ging in mein Zimmer und kramte ein Shirt und eine Jogginghose aus meinen Kleiderschrank, eine frische Unterhose und einen BH aus dem Nachttischschränkchen. Bevor ich die Schublade wieder schoss, fiel mein Blick auf den Deckel von der Box mit den Rasierklingeln. Gestern hatte ich sosehr das Bedürfniss gehabt, es wieder zu tun und auch jetzt verschwendete ich ein paar Gedanken daran. Es war eigentlich ein Wunder gewesen, dass ich mich gestern so beherrschen konnte und nicht direkt zur Klinge gegriffen habe. Doch dieses Bedürfnis, sich selbst zu verletzen, sich selbst zu bestrafen, wurde immer größer. 

Aber es war nicht das, was ich wollte... »Nein, jetzt nicht, noch nicht... « flüsterte ich, schlug die Schublade zu und ging mit meinen Klamotten unter dem Arm ins Badezimmer.  

Es tat gut, sich unter den warmen Wasserstahl zu stellen. Versuchen, die Sorgen einfach abzuspülen. Dementsprechend stand ich bestimm 20 Minuten länger unter der Dusche als sonst. Ich drehte den Hahn aus, schnappte durch die leicht geöffnete Türe nach meinem orangenem Handtuch und trocknete mich ab. Rundum trocken stieg ich aus der Dusche und betrachtete mich im Spiegel, erneut. Hatte ich zugenommen? Ich fasste an meinen Bauch, der deutlich in die Breite gegangen war. »Och Nein... « stöhnte ich und stellte mich auf die Waage. Ein Kilo Plus. »Das kann doch jetzt nicht war sein. « fluchte ich. Wieso nahm ich nur so schnell zu, Fuck! Ich war so oder so schon mit meiner Figur unzufrieden und jetzt auch noch das. Dieses Wochenende war schrecklich! Konnte man es nicht einfach rückgängig machen und streichen? Verdammt! Zügig streifte ich mir meine Klamotten über, machte meine Haare zu einem Zopf zusammen und lief zurück in mein Zimmer. Ich schmiss mich auf mein Bett und fing an zu weinen. Es hat mir den letzten Rest gegeben. Ich schluchzte ununterbrochen, ich ließ alles raus. Und immer wieder diese Frage. Warum. Warum ausgerechnet ich? 

Ich hatte es einfach satt. Ich wollte und konnte nicht mehr. Ich war nervlich am Ende. Ich hatte es satt, dass ich mich trotz der Geborgenheit meiner Familie so alleine fühlte, dass ich andauernd nut gebraucht und ausgenutzt wurde. Selbst Bianca hatte sich noch nicht gemeldet. Okay, dabei musste ich sagen, dass mein Handy bis jetzt auch die ganze Zeit ausgewesen war. Aber das war jetzt auch egal. Auch Harry hatte sich irgendwie melden können, wenn es ihm wirklich Leid getan hätte. Nichts war passiert, obwohl ich mir insgeheim anders erhofft hatte. 

Ich war so verzweifelt. Und als ich die Rasierklinge, das scharfe Stück Metall, an meinem Unterarm ansetze, verschwand dieser Klos in meinem Hals und damit dieses bedrückende Gefühl. Ich hatte und werde dieses befreiende Gefühl vergessen. Ich ließ sie erst nur leicht und ohne Auswirkung über meine Haut gleiten. Eine leichte, weiße Linie blieb zurück. Ich wiederholte es mehrmals, bis ich eine schmale Reihe von 6 Streifen hatte. Mit einem Finger fuhr ich darüber, leicht heulte sich meine Haut bereits aus. Es klang ungläubig, aber ich hatte es vermisst. Präzise setzte ich sie an den ersten Streifen. 

Ich saß im Schneidersitz auf meinem Bett, den Arm auf ein Kissen gelegt. Ich machte die Augen zu und drückte. Der Schmerz war nicht zu unterschätzen. Mein ganzer Körper zitterte, aber ich hörte nicht auf. Ich zog sie weiter durch meinen Arm, wie eine Kreditkarte durch ein Bezahlgerät. Das Blut strömte und tropfte aus das Kissen. »Shit. « meine Mutter wurde das natürlich sehen. Aber es war mir, wenn ich ehrlich war, gerade ziemlich egal. Ich setze zum zweiten Mal an, diesmal war es erträglicher, aber ich wollte den Schmerz spüren. Schneller und hektischer ritze ich mich, der Drang war so groß. Zwischen dem ganzen Blut floss auch die eine oder andere Träne. Ich könnte meine Gedanken gar nicht koordinieren, ein schwarzes Loch beschrieb es am Besten. Plötzlich ließ ich die Klinge fallen. Was war das? Schon wieder. Flog da Etwas gegen die Scheibe? Ich wischte mir die Tränen weg und saß still auf meinem Bett, die Augen starr aufs Fenster gerichtet. Ich hörte nur meinen schweren Atem und meinem pochenden Unterarm. Schon wieder, Jemand warf Steine gegen die Scheibe. Aber wer machte sowas? Es gab schließlich eine Klingel und wir wohnten in der obersten Wohnung. Wieder geschah für einige Minuten nichts, dann wieder. Da war jemand hartnäckig. Ich presste das schon mit Blut voll getropfte Kissen auf die frische Wunde und schlich zum Fenster. Einen kurzen Blick warf ich hinaus. Und unten Stab jemand. Jemand, den ich nicht erwartet hätte.  

Bianca. 

Auch wenn es mich etwas verängstigte, dass sie mit Steinen auf mein Fenster warf, war aber beruhigt, dass sie es war. Ich öffnete das Fenster und streckte nur meinen Kopf heraus.  

»Na endlich, Julia! « rief sie und lies die restlichen Steine aus ihrer Hand purzeln. »Was machst du da, bist du wahnsinnig? « antwortete ich, doch meine Stimme war so rau und zerbrechlich. »Dich suchen. Erreichen tut man dich aber auch nicht. Kann ich rein kommen? « das hatte gerade noch gefehlt. »Muss das jetzt sein, mir heute echt nicht so - « sagte ich, doch sie schnitt mir einfach mein Wort ab.  

Nein, Nein, das geht nicht! Nicht jetzt. Ich bräuchte mindestens 10 Minuten, um mich fertig zu machen. »Dann gib mir bitte 10 Minuten... ehm... ich war gerade duschen und muss... ehm.... mich noch fertig machen. Warte unten ok? « sie schaute mich verwundert an, nickte dann aber und setzte sich auf eine Mauer von dem Haus quer gegenüber.  

Schnell schloss ich das Fenster. Ich schloss die Augen und fluchte innerlich. Was sollte ich denn jetzt bitte machen? Das ganze Blut... Vorsichtig zog ich das Kissen von der Wunde. Ich hatte es eben vor Angst sehr fest darauf gedrückt. Ich knüllte es zusammen, legte es in die halbwegs ausgepackte Tasche und schob sie unter mein Bett. Dann legte ich die Rasierklinge wieder zurück an ihren ursprünglichen Ort. Warum hatte Bianca eigentlich nicht geklingelt, fragte ich mich, doch das würde sie mir gleich bestimmt erklären. Ich flitzte ins Bad. Dort kämmte ich meine zerzausten Haare und formte sie erneut zu einem Zopf. Ich entfernte die Überreste von meinem Make-Up und erneuerte es. Doch was machte ich mit den Wunden? Ein Pflaster wurde zu klein sein. Hmm...  

Ich durchwühlte eine Schublade IM Badezimmer und fand einen Verband. Ich wickelte ihn unordentlich um den Arm. Dann war ich jetzt eben krank und war beim Blutabnehmen, doch es ist dramatisch blau geworden und angeschwollen. Da musste sie jetzt einfach glauben.  

Ich hatte keine Ahnung, wie lange sie unten gewartet hatte, aber eine Minute ließ ich mir noch Zeit. Ich formte meine Hände zu einer Schüssel, ließ Wasser hineinlaufen und wusch mir mein Gesicht aus.  

»Du schaffst das! « sprach ich zu mir. Noch einmal tief durchgeatmet trottete ich zur Türe und presste den Knopf für die Haustüre unten. Sie wurde sofort geöffnet und schnelle Schritte waren im Treppenhaus zu hören. Dann ein Klopfen. Ich öffnete unsere Türe und setzte, jedenfalls versuchte ich es, ein Fakelächeln auf.  

»Julia! « rief sie und sprang mir in die Arme. »Hey.. « murmelte ich. »Warum meldest du dich denn nicht? Was ist los? Warum warst du nicht in der Schule? « fragte sie mich aus. Ich wollte ihr ausweichen und fragte, warum sie denn nicht geklingelt hätte. »Habe ich doch, sogar mehrmals! « beschwerte sie sich. Dann hatte ich es wohl nicht gehört. Zusehr war von dem Rausch vom Ritzen gewesen...

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Soo ich habe jetzt beschlossen, nur noch alle 2 Tage upzudaten, aber dann hält länger :) das Kapitel ist doch länger oder? Ich hoffe es gefällt euch! X

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