Kapitel 44:

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»Hallo, Erde an Julia? « rief er und befreite mich aus meiner Starre. Nein, schrie ich in mich hinein. Nein, ich konnte ihm das nicht erzählen, aber warum eigentlich? Er hatte mir gerade auch seine komplette Lebensgeschichte erzählt und leicht war ihm das auch nicht gefallen. Und ich, ich konnte es einfach nicht übers Herz bringen. Ich wollte nicht, dass Harry sich Gedanken darüber macht, wie schlecht es mir noch vorgestern ging und das er der mit-Grund war, warum ich mich wieder geritzt hatte.

Doch ich hatte keine andere Wahl, wenn er es wissen wollte, musste ich es ihm erzählen. Er hat schließlich das Selbe für mich getan.

»Okay, was willst du wissen? « stammelte ich und kratze mich am Kopf.

»Das Gleich, was du auch wissen wolltest. « sagte er gelassen, doch ich war alles andere als gelassen. Vielleicht konnte ich mir noch schnell was ausdenken, was auch Sinn ergeben würde. Nur war ich dafür gerade nicht mehr in der Lage.

»Jetzt fang schon an, so schlimm wie meins kann es nicht sein. «
Ich schüttelte den Kopf.
»Julia, ich bitte dich. « seine Stimme war lauter geworden, und mir war klar, dass ich es ihm schuldig war.

»Okay. « ich atmete tief durch. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. «

»Da, wo du willst. « am liebsten würde ich damit anfangen, mein ganzes Leben noch einmal von vorne zu beginnen. Ohne das Mobbing, denn das hat mich verändert. Doch wäre es nicht passiert, wäre ich nie hier her gekommen und hätte Harry kennengelernt. Was soll’s, er würde es früher oder später erfahren. Also begann ich, zu erzählen.

»Also… Ich bin ja mit meiner Mutter erst vor ein paar Wochen nach Köln gekommen und zwar, weil sich meine Eltern getrennt haben. Mein Vater wohnt in Stuttgart mit meinem kleinen Bruder, ich war sie am Wochenende ja besuchen. Und naja, die Trennung war nicht der einzige Grund, warum wir so weit weggezogen sind. « stotterte ich, denn ich konnte überhaupt nicht gut erzählen, vor allem, wenn es mir unangenehm war.

»Ich wurde an meiner alten Schule gemobbt. Nicht nur ein bisschen, sondern richtig extrem. Am Anfang dachte ich, dass es nur eine Phase wäre und schnell vorbei gehen würde, doch da hatte ich mich geirrt. Erst hatte ich noch Freunde, doch die haben sich schnell von mir abgewendet und es bevorzugt, hinter meinem Rücken über mich herzuziehen. Mal ganz von den Jungs abgesehen, die waren am schlimmsten. Ich konnte nicht eine Schulstunde verbringen, ohne beleidigt, vor der Klasse bloß gestellt oder verarscht zu werden. Ich hatte niemanden, mit dem ich darüber redete. Ich hatte Angst, dass es noch schlimmer werden würde. Ich konnte nicht noch mehr aushalten. Aber irgendwann kam einer meiner Lehrer zu mir und fragte, ob Alles in Ordnung sei. Nichts war in Ordnung, doch ich beteuerte, dass es mir gut ging. Meine Noten wurden schlechter, ich kam immer müde zur Schule, da ich nachts nicht schlafen konnte und ich stellte mich oft krank. «

»Hast du nicht mit deinen Eltern geredet? « unterbrach mich Harry in einem rauen Ton. Ich hatte fast vergessen, dass ich ihm das gerade erzählte, es kam mir eher so vor, als ob ich nur in meinem Gedanken vertieft war.

Ich schüttelte den Kopf.

»Nein, aber meine Mutter hat es geahnt. Es ging ein ganzes Schuljahr so. In den Ferien ging es dann wieder, doch ich fühlte mich so allein gelassen. Ich weinte Tag und Nacht. Ich hatte keinen Ansprechpartner, keine Freunde, die mich unterstützten, einfach niemanden. Und dann… « mein Kopf senkte sich. Ich biss mir meine Unterlippe fast blutig, so nervös war ich. Ich krempelte den Arm meines Langarmshirts hoch und hielt ihm in hin. Die Narben waren noch schwach zu sehen, ich konnte nicht aussprechen, dass ich es getan habe. Sein Blick versteinerte sich von der einen auf die andere Sekunde, seine Fingerkuppen streifen vorsichtig über meinen Arm.

»Wieso? « flüsterte er.

»Das verstehst du nicht. « Niemand, der es noch nicht gemacht hat, konnte es verstehen.

»Dann erklär’s mir. « wie bitte sollte ich das erklären?

»Man kann das nicht so einfach erklären, ich habe ich früher immer gefragt, wie Menschen sowas machen können, aber wenn man sich so fühlt, wie ich mich damals, dann ist dieser Drang, sich selbst zu bestrafen einfach da. «

»Wie oft? Wie oft hast du das gemacht? «

»Oft genug, dass ich nicht mehr mit gezählt habe. « er schüttelte leicht den Kopf, bevor er wieder auf meinen Arm starrte. Er war fassungslos.

»Es ist noch gar nicht so lange her. Als die Ferien zu Ende waren, musste ich wieder in die Schule und es wurde noch schlimmer. Meine Mutter hatte es inzwischen heraus gefunden, doch sie hat nicht mit mir darüber geredet, sie wusste, dass ich das nicht wollte. Und kurz danach haben sich meine Eltern getrennt und ja, was dann passiert ist, habe ich dir erzählt. «

»Wann hast du es das letzte Mal gemacht? « Harry war gerade egal, was ich ihm erzähle, er war immer noch schockiert darüber, dass ich mich geritzt hatte. »Ich will nicht, dass du das machst… « flüsterte er und ich bekam Gänsehaut, da seine Stimme so zerbrechlich klang. »Sag mir wann! «

»Gestern. « murmelte ich. Er vergrub seinen Kopf in seinen Händen und fuhr sich durch seine Locken. Ich entfernte das Pflaster.

»Der Verband… « murmelte er. Ich nickte stumm. »Warum hast du es wieder gemacht? « er klang so verzweifelt. »Was ist wieder passiert? «

»Sie waren wieder da, sie haben mich wieder fertig gemacht, als ich bei meinem Vater war. Und dann küsst du eine andere, es war zu viel. « wisperte ich, denn erneut brannten meine Augen, aus denen die Tränen nur herausquollen. Kurz schaute er mich an, dann presste er mich mit seinen starken Armen an sich. Meinen Kopf platzierte ich auf seiner rechten Brust und ich drückte meine Arme an meinen eigenen Körper. Ich begann zu schluchzten, seine Hand strich beruhigend über meinen Kopf.

»Psst. Es ist Alles gut. « Seine Locken kitzelten meine Stirn, als er mir einen leichten Kuss auf die Stirn gab. Wenn ich mir nun überlegte, was Harry mir eben über seine gewaltvolle Vergangenheit erzählt habe, konnte ich mir kaum vorstellen, dass das hier wirklich passierte. Ich wollte etwas sagen, doch ich brachte kein Wort hinaus.

»Wenn ich denen auch nur rein einziges Mal begegnen sollte. « begann er, doch als er realisierte, was er sagte, schlug er sich es sich sofort wieder aus dem Kopf.

»Julia, ich bitte dich, mach das nie wieder? Versprech es mir, ich will nicht, dass du dir das antust! « winselte er. Wenn er bei mir blieb, mich nie wieder verletzte, würde ich es nie wieder tun. Nie wieder.

Er wischte meine Tränen weg und wartete so lange, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Er ließ mich nicht einmal los, ich lag die ganze Zeit in seinen Armen. Ich richtete mich auf und öffnete die Schublade zu meinem Nachtschränkchen. Ich nahm die kleine Dose.

»Vernichten wir sie. « murmelte ich, und wenn ich mich nicht irrte, huschte ein kleines Grinsen über sein Gesicht.

»Und wie? « fragte er, ich hatte vor, sie einfach die Toilette runter zu spülen. Andere Menschen schmissen fiel schlimmere Sachen da rein. Wir gingen also ins Bad, wo ich die Dose mit einem hasserfüllten Blick in das Klo versenkte. Als ich die Spülung drückte, fühlte ich mich direkt befreiter. Harry schlang seinen Arm um meine Taille, sodass ich meinen Kopf auf seine Schulter legen konnte.

Der heutige Tag hätte nicht besser sein können. Ich fühlte mich nun besser, viel besser als vorher. Es war das Beste gewesen, dass wir so ehrlich zu einander waren, es hatte viele Dinge zwischen uns einfacher gemacht.

»Harry? «

»Ja? «

»Sind wir jetzt eigentlich… zusammen? «

»Ja, außer du willst es nicht? « es klang wie eine Frage.

»Natürlich! « lachte ich, bevor sich unsere Lippen berührten.

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