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„Dad? Darf ich fahren? Bitte!", flehte ich meinen Vater an, der mit seiner Aktentasche, in einem superteuren, eleganten Anzug, aus dem Haus trat. Sein teils schon graues Haar glänzte silbern in der angenehm warmen Morgensonne.

„Nein."

„Wieso nicht?"

Ich machte einen Schmollmund. Dieser wirkte bei ihm in neun von zehn Fällen. Ich war also auf der sicheren Seite.

„Du fragst ernsthaft nach dem Grund?"

Ich sah wie er mit sich und seinem Faible für seinen BMW rang. Er hatte ihm sogar einen Namen gegeben: Stanley.

„Du hast selbst gesagt, dass ich mehr in der Großstadt fahren sollte, um mich dort besser zurechtzufinden. Und die Anwaltskanzlei liegt im Herzen Seattles."

Die Miene meines Vaters verdüsterte sich und er atmete laut hörbar aus.

„Gut."

„Yeah!", jubelte ich freudig und sprang förmlich zur Garage, um in den Wagen zu steigen. Ich fuhr zwar gerne mit meinem eigenen Auto und ich liebte es auch, aber ein BMW, wie mein Dad ihn besaß, ist schon ein ganz anderes Kaliber.

Aufgeregt tänzelte ich um Stanley herum, während mein Vater ihn genervt mittels der Fernbedingung aufschloss.

Ich befand mich schneller auf dem Fahrersitz, als mein Dad bis drei zählen konnte.

Zufrieden rieb ich mir die Hände.

„Schlüssel!", rief ich ungeduldig und legte den Fuß auf das Gaspedal.

Dad ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder und reichte mir langsam den Schlüssel, während er mich misstrauisch und warnend betrachtete.

„Wenn ich nach dieser Fahrt irgendeine Schramme oder sonst was finde, wirst du mich erstmals konkret kennenlernen. Haben wir das verstanden, Liebes?", zischte er leise und stellte die Tasche zu seinen Füßen. Ich hatte meine einfach kurzerhand auf den Rücksitz katapultiert.

Ich kicherte amüsiert: „Machen Sie sich locker, alter Mann, Ihre Tochter hat den Führerschein bereits beim ersten Mal erhalten."

Als mein Vater nicht mehr antwortete, startete ich das Auto und fädelte es gekonnt in den morgendlichen Verkehr. Dad würde sich keinesfalls beklagen können.

„Und bitte, benimm' dich."

„Wann benehme ich mich denn nicht?"

Grinsend reichte ich meinem Vater seine Autoschlüssel, die er in der Aktentasche verschwinden ließ. Er rückte sich die Krawatte zurecht und fixierte mich aus seinen grünen Augen.

„Ich hoffe, das war eine rhetorische Frage. Marcus wird heute für ein paar Stunden in meinem Büro auftauchen, und ich möchte, dass du dich dementsprechend verhältst.Du weißt ja, wie unheimlich wichtig er für mich und meine Kollegen ist."

Ach du...

Du...

Ich war sprachlos. Schlichtweg sprachlos.

Das konnte doch wohl nicht wahr sein!

„Hängt er eigentlich ständig bei euch herum?", fragte ich gespielt desinteressiert und musterte meine Nägel. Sie mussten unbedingt gefeilt werden. Doch das war mir gerade ziemlich egal.

„Nein, eigentlich nicht." Mein Vater schloss den Wagen ab und klopfte auf dessen Motorhaube.

Als wäre es ein Pferd, dachte ich entnervt und folgte ihm zum Eingang der Anwaltskanzlei. Ich hatte sie schon ziemlich oft gesehen, war aber noch nie drinnen gewesen. Ich muss zugeben, dass es ein beeindruckendes Gebäude war. Ziemlich altertümlich und kalt, aber imposant.

Break The RulesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt