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Etwas nervös klopfte ich an die Tür von Mr. Browns Büro. Gleich darauf ertönte ein ‚Herein'. Noch immer unruhig trat ich ein, woraufhin mein Lehrer aufsah. „Ah, Miss White. Setz dich doch auf ein Sofa", sagte er ruhig. Leise tat ich wie geheißen, überkreuzte die Beine, öffnete sie dann wieder. „Also, über was möchtest du reden? Holly?", fragte er, während er um seinen Schreibtisch herum auf das Sofa zuging. „Na ja, nein. Ich habe mit Brandon gesprochen, und...", fing ich an, unterbrach mich selbst. „Also, Brandon meinte, dass die Gerüchte stimmen würden."
Mr. Browns Lächeln erstarb langsam, also sprach ich schnell weiter. „Das ist nicht schlimm, und eigentlich hat mein Anliegen nichts mit dem zu tun, na ja, fast nicht. Aber, ähm, Bran sagte auch, dass Sie von, nun ja, Marcus Lee vertreten wurden?" Den letzten Teil des Satzes ließ ich wie eine Frage klingen, was meinen Mathelehrer milder zu stimmen schien.
„Ja."
„Also kennen Sie ihn?"
„Ja. Worauf willst du hinaus, Jessica?" Er klang misstrauisch, was ich allerdings ganz und gar verstehen konnte.
„Er muss ja ein guter Anwalt sein... Na ja, jedenfalls, haben Sie noch Kontakt zu ihm?", murmelte ich leise, starrte auf meine Hände, die von einem Stiftkrieg mit Cara ganz bunt waren.
„Anfangs ja, mittlerweile haben wir uns aus den Augen verloren. Hat deine Unruhe etwas mit ihm zu tun?"
„Nein, nein", erwiderte ich reflexartig, verbesserte mich aber. „Doch."
„Was genau ist zwischen Marcus und dir vorgefallen?" Mr. Browns braune Augen musterten mich kritisch. Es war, als könne er mir durch bloßes Ansehen alle Geheimnisse entlocken.
„Versprechen Sie mir, dass Sie es niemandem sagen?"
„Wäre ich sonst Vertrauenslehrer?" Gutes Argument. Ich holte tief Luft, setzte zu einem Satz an. Versagte. Holte wieder Luft.
„Eventuell.... Haben wir etwas miteinander", brachte ich schließlich heraus.
„Marcus und du?"
„Nein, der Weihnachtsmann und ich!", erwiderte ich sarkastisch. Ich wusste nicht genau, woran es lag, doch ich war ziemlich genervt. Die Aussicht, später noch nach Hause zu fahren und es dort mit Rachel aufnehmen zu müssen, war schlichtweg grässlich. Im Stillen beschloss ich, meine Mutter anzurufen, sobald ich im Auto saß.
„Nun, wenn das so ist, dann leg doch bitte ein gutes Wort für mich ein. Meine Kinder haben eine ellenlange Wunschliste." Mr. Brown zwinkerte mir zu, dann wurde er wieder ernst.
„Du bist minderjährig, was eure Beziehung illegal macht."
„Deswegen komme ich ja zu Ihnen!" Okay, vielleicht war ich ein klitzeklitzeklitzekleines großes Bisschen aufgebracht.
„Ich übergehe die Anekdote auf meine eigene – übrigens sehr gut laufende – Beziehung, ja? So, du hast also eine mehr oder weniger illegale Beziehung und willst darüber reden?"
„In erster Linie will ich wissen, ob sowas überhaupt geht. Wobei wir wieder bei Ihnen wären." Unruhig ballte ich meine Hände in meinem Schoss zu Fäusten, dass meine Knöchel weiß hervortraten und sich die Haut überall spannte, dann löste ich sie wieder. Dies weiderholte ich so oft, bis mich ein leichter, aber scharfer Schmerz in meiner Handfläche davon abhielt. Meine Nägel hatten mir die Haut aufgerippst.
Ach, verdammt.
„Weißt du, du hast große Ähnlichkeiten mit Jen. Sie hat sich anfangs genauso große Sorgen über unsere Beziehung gemacht", erklärte Brown, lehnte sich entspannt nach hinten.
„Soweit ich weiß wurden Sie erwischt, also waren diese Bedenken nicht gerade umsonst", gab ich spitz zurück, nicht im Geringsten so entspannt wie er. „Na ja, ehrlich gesagt habe ich mich anfangs darüber Sorgen gemacht, dass meine Versuche, sie um den Finger zu wickeln, womöglich das Gegenteil bewirkt haben." Nun musste ich doch schmunzeln. „Was haben Sie denn gemacht?" „Oh, na ja, ich habe ihr eine Präsentation über E.L. James aufgebrummt. Das hat sie übrigens durchgezogen! Und dann, ähm, habe ich sie vielleicht etwas... unfreundlich dazu gebracht, mich zu küssen. Aber sie hat es getan. Irgendwann haben wir miteinander geschlafen, nicht unbedingt viel später wurden wir erwischt. Marcus hat mich rausgeredet, wir haben geheiratet, Ende."Schweigend starrte ich auf meine Hände, dann blickte ich auf. „War sie betrunken? Also, bei Ihrem ersten Kuss." „Nein, warum?"
„Was schon mal einen großen Unterschied zu mir macht", murmelte ich mehr zu mir als zu ihm, doch er hörte es dennoch. „Warte, Moment, ihr habt betrunken miteinander geschlafen?" Ich errötete. Es war mir unangenehm, mit meinem Lehrer über mein Sexleben zu reden, doch irgendetwas brachte mich dazu, peinlich berührt zu nicken. Brown seufzte, dann sprach er weiter: „Also, um auf deine ursprüngliche Frage zurückzukommen: Ja, es ist möglich, so eine Beziehung zu führen. Und, ganz unter uns: Marcus kennt die Gesetze, er ist Anwalt. Hätte er einfach nur eine Affäre gesucht, dann hätte er sich sicher jemanden über achtzehn gesucht. Es muss ihm wirklich etwas an dir liegen." Dankbar sah ich ihn an. Er hatte die Frage, die ich mir insgeheim gestellt hatte, beantwortet.
Seufzend legte ich auf, überließ meine Mutter wieder der Welt der Serien. Zwar lebte ich in einer vollkommen anderen Zeitzone, doch ich konnte Wetten, dass Mom pünktlich zu den neuen Folgen ihrer Lieblingssendung wach war, und ich hatte sie beinahe unmittelbar davor angerufen. Nun wollte sie aber unbedingt ihre Serie sehen, und ich wollte zu Marcus. Ein leichter, kaum merklicher Schmerz, der mich durchzuckte als ich meine Hände an das Lenkrad legte, erinnerte mich an den sanft gebogenen Kratzer an meiner Handfläche, den ich meinen Nägeln zuzuschreiben hatte. Vielleicht sollte ich meine Nägel mal wieder schneiden.
Ich ließ die Kupplung kommen, trat aufs Gas und parkte geschickt aus. Während ich noch über den fast leeren Schulparkplatz kurvte, schaltete ich das Radio an. Es lief ein uralter Abba – Song, der mich augenblicklich entspannte. Mom hatte mit mir früher immer die Lieder gehört, und als Mamma Mia! rauskam, schleppte sie mich ins Kino.
„Chiquitita tell me the truuuuuuuuuth!", sang ich geistesabwesend, fädelte gekonnt mich in den Verkehr ein. Als das Lied vorbei war parkte ich vor Marcus' Haus. Es stand kein Auto in der Einfahrt, doch es war mir zu riskant, mein eigenes Auto an den Platz eines anderes zu stellen, also parkte ich einige Meter weiter, stand aus. Wenn Leah mir öffnete, dann konnte ich noch immer sagen, dass Dad mich letztens hergeschleppt hatte und ich etwas vergessen hatte. Entsprach zwar nicht der Wahrheit, war aber besser als ‚Oh, hi, ich bin hier, weil dein Mann zufällig etwas mit mir am Laufen hat und mich sehen wollte. Hey, schöne Kette!'
Leah war nicht da, stattdessen öffnete mir Marcus, der ein weißes Hemd und eine Anzughose trug. Die ersten drei Knöpfe des Hemdes standen offen, die Krawatte war gelockert. Er sah atemberaubend schön und gleichzeitig so distanziert aus, dass es mir Angst machte. Als er ohne ein Wort die Tür hinter mir schloss, kam mir seine Nachricht von vorhin wieder in den Sinn. Sorry, dass ich mich in der letzten Zeit nicht gemeldet habe. Musste über einige Dinge nachdenken.
Musste über einige Dinge nachdenken.
Vielleicht hat er es sich anders überlegt.
Hoffentlich nicht.
In dem Moment wurde mir klar, dass ich mich in Marcus Lee, Staranwalt aus Seattle, verliebt hatte. Und das schon vor einer geraumen Weile. Der Handkuss spukte mir durch den Kopf, sein Fuß an meinem Bein, sein Zwinkern.
Ich würde es nicht überleben, wenn er mich verlassen würde.
Mit einem leisen Klicken rastete die Tür ein, und einen winzigen Moment lang passierte – gar nichts. Es war so leise, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Mit riesigen, vermutlich ängstlich wirkenden Augen sah ich zu ihm auf, konnte am Hüpfen seines Adamsapfels erkennen, dass er schluckte.
Und dann waren seine Hände an meiner Taille, seinen Lippen an meinem Mund, sein Körper an meinem. Ein sanftes, kaum merkliches Kribbeln durchfuhr mich wie ein elektrischer Schlag, so als würde ich ihn zum ersten Man küssen.Ich schlang die Arme um Marcus' Hals, vergrub die Hände in seinen Haaren, zog ihn noch näher zu mir. Mit einem sanften Stöhnen legte er seine Hände an meinen Hintern, hob mich hoch, sodass ich gezwungen war, meine Beine um seine Hüften zu schlingen.
Es kostete uns beide sehr viel Mühe, uns wieder voneinander zu lösen.
„Hi", sagte Marcus atemlos, zwinkerte mir zu.
Ich konnte nicht anders, ich musste einfach lachen.

Wir sind übrigens beide im Urlaub und können deswegen nicht immer updaten. Wollt ich mal gesagt haben.
(Ich bin unregelmäßig braun, yay.)
Lea :3

Break The RulesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt