41

4.4K 177 8
                                    

Jessica

Nathaniels betretener Gesichtsausdruck verflüchtigte sich innerhalb weniger Sekunden. "Meine Schuld?", fragte er ungläubig. "Du sagst, dass es meine Schuld ist, dass du für drei Tage einfach so von der Bildfläche verschwunden bist?! Dad hätte die verdammten Cops eingeschaltet, wenn Marcus nicht so freundlich gewesen wäre, ihm zu verklickern, dass er es für eine gute Idee hält, dich für ein paar Tage mit deinen besten Freundinnen in seinem Ferienhäuschen wohnen zu lassen. Und?", fuhr er mich an. "War's denn genauso erholsam, wie du es dir vorgestellt hast?" Seine Stimme troff vor unterschwelliger Vorwürfe und Enttäuschung. 

Aber das war mir im Moment ziemlich egal. 

"Darum geht es doch gar nicht!", zischte ich händeringend. "Dad hat mein verdammtes Leben zerstört!" Dramatisch, wie ich es nun einmal war, presste ich mir die Hand aufs Herz und sank auf die Knie. Also, in Gedanken, so, dass es niemand außer mir sehen konnte. "Er hat...", begann ich gespielt gefasst: "Er hat jedes meiner heiligen Poster verbrannt." 

"Nein!" Er riss die Augen auf. 

"Doch."

"Oh." 

Er wusste, wie viel sie mir alle bedeuteten. Bedeutet hatten. 

Und trotzdem zuckten seine Mundwinkel verräterisch. Ich hoffte inständig, dass er nicht zu lachen beginnen würde, weil er sich ansonsten den verbrannten Resten der heißesten Männer auf Erden anschließen würde. Nicht dass ich ihm drohen würde, aber...

"Hör mal, Jessy...", sagte er leise und sah mich reumütig an. "Komm mit in mein Zimmer. Ich möchte, dass wir uns aussprechen. Bitte." 

Ich hob den Blick, sah in seine faszinierenden Iriden und zuckte die Schultern. "Warum nicht?"

-

"Also?" Herumdrucksend rieb ich mir die Oberschenkel und versuchte die alles verschlingende Nervosität niederzukämpfen, die in mir aufstieg. Ich hatte mich in Nates Zimmer niemals so unwillkommen gefühlt, wie zum jetzigen Zeitpunkt. Was schon ziemlich komisch war, denn er hatte mich ja eingeladen. "Was steht an?"

"Kim Possible jedenfalls nicht", erwiderte er trocken, lächelte aber. 

Da wurde es mir klar. Ich wollte meinen großen Bruder zurück. Und wie ich das wollte. 

"Hey, es tut mir leid, dass...", stießen wir gleichzeitig hervor und grinsten uns an. 

"Du zuerst", murmelte ich amüsiert und verschränkte die Arme vor der Brust. 

Er holte tief Luft, bevor er sich mit einem entschuldigenden Lächeln an mich wandte. "Ich werde dich um Verzeihung bitten, Jess. Aber ich möchte, dass du mir zuvor hoch und heilig versprichst, dass du das nächste Mal nicht einfach so vom Erdboden verschwindest. Robert ist so wie er ist, aber er liebt dich auf seine beschützende Art und hat sich wirklich Sorgen um dich gemacht." 

Ich hörte ihm aufmerksam zu und fühlte mich augenblicklich schuldig. Ich war wütend, ja, aber so hätte ich mich Nate gegenüber niemals verhalten dürfen. Trotz aller Unstimmigkeiten hatte er das in keinem Fall verdient. Ich schämte mich entsetzlich. 

"Und ich stelle dir jetzt die Eine-Million-Frage schlechthin: Liebst du Marcus Lee? Liebst du ihn?"

"Ja", sagte ich, ohne zu überlegen. "Das tue ich."

Mein Stiefbruder nickte ernst und fuhr sich durch die Haare. "Und empfindet er dasselbe? Oder bist du nur sein Sexspielzeug? Ich meine, nichts für ungut, aber er ist verheiratet, Jess." 

"Ich weiß", antwortete ich seufzend. "Aber er liebt mich. Das weiß ich auch." 

"Okay. Ich schlage vor, ich akzeptiere das von nun an. Ich will, dass du glücklich bist, und so schwer es mir auch zu glauben fällt, der heißeste Anwalt Seattles kriegt das tatsächlich hin."

Break The RulesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt