31

5.5K 208 7
                                    

***

„Ich glaube", schnaufte ich atemlos, während Marcus diverse Tüten in den Kofferraum seines Luxuswagen lud. „Dass ich nie zuvor so viele Klamotten auf einmal gekauft habe."
Mein Freund lächelte mich über seine Schulter hinweg an. „Es sind ja nicht nur Klamotten", warf er amüsiert ein. „Sondern viele, tolle, süße Accessoires, die ich mir heute mit Freuden an dir ansehen werde. Jedes kleinste Detail."
Eine leichte Gänsehaut überzog meinen Körper, als ich mir ausmalte, was er mir damit sagen wollte. Die Accessoires, wie er das erotische Zubehör liebevoll nannte, bestanden größtenteils aus Spitzenunterwäsche, hohen Schuhen und anderen hübschen...Dingen.
Er hatte heute massenweise Geld für mich ausgegeben und ich hatte ein ganz schön schlechtes Gewissen. Eigentlich sollte der Mann in der modernen Welt nicht für jedes Stückchen Stoff, das den Körper der Frau bedeckte, selbst bezahlen müssen. Das machte sie schließlich von ihm abhängig.
Und genau das wollte ich niemals sein – abhängig.
Süchtig, das war schon eine ganz andere Sache, denn genau das war ich: Süchtig nach Marcus.
Nach seinen Lippen, nach seinen Berührungen, nach seiner Stimme... Schlichtweg nach allem, was er mir geben konnte und was er zu bieten hatte. Und er hatte ziemlich, ziemlich viel zu bieten.
„Hey, habe ich dich in Verlegenheit gebracht?"
In der Zwischenzeit hatte Marcus bereits den Kofferraum wieder geschlossen, stand mir nun gegenüber und hob mein Kinn mit seinen Fingern an, sodass sich unsere Blicke trafen.
Ich war ja so verliebt in diesen Mann.
„Mich kann man nicht in Verlegenheit bringen", erwiderte ich gefasster und verzog die Lippen zu einem verwegenen Lächeln. „Das solltest du wohl am allerbesten wissen."
„Na ja." Er lachte leise auf. „Ich habe schon einige Dinge geschafft, die niemand zuvor auch nur in Betracht gezogen hatte. Also konnte es sehr wohl sein, dass ich dies auch bei dir packen könnte."
Da war er.
Mein arroganter, selbstverliebter, wundervoller Freund.
Und ich liebte jede einzelne dieser, nun ja, eher negativen Eigenschaften, denn gerade diese machten ihn zu dem Menschen, der er war. Ein leidenschaftlicher Kämpfer, der für mich alles riskierte. Seine Karriere und Freiheit, seine Ehe zu Leah und seine Freundschaft zu meinem Vater.
Und all das? Nur für mich.
„Warum siehst du mich so an?", fragte Marcus mit kehliger Stimme, sah mich immer noch an.
Ich spürte seinen gleichmäßigen Atem auf meinem Mund und versuchte die Bilder auszublenden, die beim Betrachten seiner Lippen in mir aufstiegen. Er war mit Abstand der attraktivste und talentierteste Mann, den ich in meinem gesamten Leben getroffen hatte. Und er wusste unglaublich gut mit all seinen Körperteilen umzugehen. Was wohl das ausschlaggebendste Argument war.
„Darf ich dich denn nicht ansehen?", schoss ich zurück, lehnte mich ein wenig zurück und befeuchtete meine trockenen Lippen, die Marcus ebenso anstarrte, wie ich seine.
„Das habe ich nicht gesagt. Ich weiß schließlich, dass du gar nicht anders kannst."
Reflexartig schlug ich ihm leicht auf die Schulter. „Du egozentrischer Idiot!"
„Musik in meinen Ohren", schnurrte er leise und zog mich näher an sich. „Hör zu, ich allein bin ja schon ziemlich perfekt, das weißt du ja..."
Ich lächelte kopfschüttelnd und biss mir auf die Unterlippe.
„Aber...", fuhr er fort. „Wir beide zusammen? Das ist einfach unschlagbar."
Und damit senkte er seine Lippen auf meine und vergrub die rechte Hand in meinen Haaren. Die andere lag schwer und besitzergreifend auf meiner Hüfte, so als würde er allen zeigen wollen, dass ich zu ihm gehörte. Und wahrscheinlich war genau das sogar seine Absicht.
Ich verlor mich instinktiv in seinem Kuss und erwiderte diesen hingebungsvoll, inbrünstig. Jede einzelne Sekunde, die mein Mund auf seinem verbrachte, musste einfach nur ausgekostet werden. Das würde jedes Mädchen verstehen, dass Marcus Lee einmal geküsst hatte.
Er war wie eine Droge. Berauschend. Phantastisch. Traumhaft und zu alledem absolut unvergesslich.
Ganz egal, wie oft ich ihn auch küsste, ich bekam niemals genug. Und ich fragte mich, obüberhaupt die Möglichkeit bestand, dass sich das änderte.
Das willst du doch gar nicht, warf mein Unterbewusstsein augenverdrehend ein.
Und es hatte recht. Natürlich wollte ich das nicht. Niemals. Unter gar keinen Umständen.
Schließlich kam der schreckliche Zeitpunkt, und Marcus unterbrach den Kuss.
Nur widerwillig löste ich mich von ihm und atmete tief durch. Es war ganz schön schwierig, sich auf etwas Anderes als Marcus zu konzentrieren, wenn er mich küsste. Da vergaß ich ab und an auch ganz gerne mal das Atmen.
„Erde an Jessica. Jemand anwesend?"
„Ja, klar, uhm, bin da."
„Worüber denkst du nach?", erkundigte Marcus sich mit schief gelegtem Kopf. Die Haare fielen ihm leicht in die Stirn, und ich strich sie ihm zärtlich aus der Stirn.
Gott, er ist ja so dermaßen heiß.
„Über uns", sagte ich leise und küsste ihn auf die Nasenspitze. „Ich habe Angst vor dem was noch kommt", gab ich zu. „Aber ich weiß, dass es sich lohnt. Es lohnt sich einfach."
„Und wie", pflichtete Marcus mir bei und deutete auf seinen wartenden Wagen. „Steig ein. Wir machen uns ein wahnsinnig tolles Wochenende. Ohne deinen Vater, ohne Nathaniel, ohne Kyle und ohne irgendwelche Gesetze."
Ich löste mich aus seinen Armen und lächelte ihn ein weiteres Mal an. „Weißt du was? Ich hätte niemals erwartet, dass ein Anwalt jemals etwas so...unmoralisches sagen würde."
„Und ich hätte niemals erwartet, mich in ein wunderschönes, minderjähriges Mädchen zu verlieben", gab er grinsend zurück und fuhr fort. „Und jetzt los. Steig ein. Ich will dich so lange wie möglich für mich allein haben."
„Das freut mich zu hören", murmelte ich gut gelaunt und ließ mich auf dem Beifahrersitz nieder, während Marcus vor dem Lenkrad Platz nahm und den Audi gekonnt zum Leben erweckte.
Ich strahlte dermaßen vor mich hin, dass mich alle vorbeifahrenden Autofahrer wahrscheinlich für komplett durchgeknallt halten mussten, aber das war mir egal.
Ich war nämlich wunschlos glücklich. Und alle sollten es wissen.

„Wo genau fahren wir eigentlich hin?"
Mit dieser Frage unterbrach ich unsere leidenschaftliche Karaoke-Runde, die wir seit einer guten halben Stunde veranstalteten. Fazit: Wir konnten beide nicht singen. Aber das störte uns nicht, denn wir hatten nie zuvor dermaßen viel Spaß zusammen gehabt. Wenn man mal von einigen sportlichen Aktivitäten absah...
Ich lächelte in mich hinein.
„Zu einem meiner kleinen Häuschen", erklärte er gedehnt. „Du wolltest doch weg aus Seattle, oder? Wenn du wieder nach Hause willst, musst du es mir nur sagen", sagte er schnell, als er meine Fassungslosigkeit bemerkte. „Dann drehe ich sofort um."
„Nein, nein!", rief ich aus. „Keine Sorge, ich fahre gerne mit dir weg. Deswegen hast du all die Klamotten gekauft, oder? Weil es zu riskant war nochmal zu mir zu fahren, um zu packen."
„Richtig."
Ich biss mir fest auf die Unterlippe. Alles schön und gut, aber... „Was soll ich meinem Vater erzählen?"
„Dass du eine Auszeit brauchtest. Das Alibi liefere ich dir."
„Ich verstehe nicht wie..."
„Hey, vertrau mir einfach. Dein Daddy weiß, dass ich einige tolle Häuser habe. Ich erzähle ihm, dass ich dich ein wenig von der ganzen Sache ablenken wollte, und Emma auch mitgenommen habe. Er wird nie auf den Gedanken kommen, ich sei der mysteriöse Typ, von dem er dich fernhalten will."
Er lachte über die Ironie und ich stimmte in sein Gelächter mit ein. Die Situation war einfach so verdreht und verkorkst.
Und just in diesem Moment drang die Stimme von Bob Marly aus dem Radio und ich musste nur noch mehr lachen. „Bad Boys, bad boys, what you're gonna do? What you're gonna do then they come for you? Bad Boys, bad boys, what you're gonna do? What you're gonna do then they come for you?" Ich begann wie wild auf dem Sitz herumzuhüpfen, was Marcus zum Schmunzeln brachte.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du den Song kennst, Kleines."
„Was? Spinnst du? Jeder kennt den!" Zum Beweis begann ich wieder zu singen: „Bad Boys, bad boys, what you're gonna do? What you're gonna do then they come for you? Bad Boys, bad boys, what you're gonna do? What you're gonna do then they come for you?" „Weißt du was?" Er warf mir einen belustigten Blick zu. „Ich kann es kaum erwarten, dass du 18 wirst und ich öffentlich mit dir angeben kann. Selbst wenn Robert mich einen Kopf kürzer macht."

Break The RulesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt