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Widme ich jetzt einfach Nina, weil sie sich immer so dermaßen freut, wenn wir ein Kapitel hochladen. Also, für dich, Gurl. Gönn dir. 

**

Irgendwann im Laufe des Nachmittages war Marcus aufgestanden und hatte mich auf die Beine gezogen. Seitdem liefen wir durch den Park und redeten, wobei wir nicht schneller vorankamen als eine Schildkrötenkolonie. Dennoch, es war angenehm, auch wenn mir auffiel, dass Marcus manchen Themen bewusst auswich. Wenn ich ihn auf Leah ansprach machte er dicht, ebenso bei seinem Vater. Immer, wenn eines dieser Themen zur Sprache kam fragte er mich aus. So wie gerade.
„Warum warst du eigentlich so fertig?"
„Lange Geschichte."
„Wie du vielleicht schon bemerkt hast habe ich Zeit."
Verdammt.
Was, wenn er genauso reagieren würde wie Nate? Der wollte Kyle zu Kleinholz verarbeiten, und das schon vor dem heutigen Tage.
Allerdings wird er jetzt auch Marcus töten wollen...
„Ich, ähm... Also..."
Glücklicherweise wurde ich von einem Mann in den Fünfzigern abgelöst. „Guten Abend, Marcus. Dürfte ich Sie fragen, wer das hübsche Mädchen an Ihrer Seite ist?", fragte er, während er mich von oben bis unten mit seinen wässrigen blauen Augen taxierte. Er musste irgendeine Krankheit gehabt haben, anders konnte ich mir seine kränklich aussehenden Augen nicht erklären.
„Das ist, ähm, die Tochter eines Kollegen. Robert White sollten Sie kennen?" Marcus reagierte sofort und richtig. Gekränkt war ich dennoch.
Bin ich nicht seine Freundin?
„Ah, Roberts Tochter. Guten Abend, Miss White." Er betonte das Miss und sah zu Marcus, der sichtlich nervöser wurde.
„Es beginnt schon zu dämmern, Marcus. Was machen Sie mit dem Mädchen hier draußen?"
„Nun, ich habe sie zufällig getroffen."
Das stimmte sogar.
„Aha." Der Mann drehte sich zu mir. „Wie alt sind sie, Miss White?"
Scheiße. Er ahnt was.
Zweifel keimten in mir auf – Zweifel an unserer Beziehung. Marcus und ich konnten nicht zusammen sein. Er war in den Zwanzigern, ich minderjährig. Es war illegal.
Außerdem ist er verheiratet.
„Achtzehn", antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. So falsch war das schließlich nicht. Mir fehlten nur noch ein paar Monate. Dann war ich juristisch volljährig.
„Schön, schön. Nun, grüßen Sie Ihre Frau von mir, Marcus!" Mit diesen Worten drehte sich der Mann um und ging gemütlich weiter, während Marcus und ich wie angewurzelt dastanden. Schweigend.
Verdammt. Wie lange waren wir jetzt zusammen? Eine Stunde? Zwei. Vielleicht sollten wir beginnen, unsere Beziehung stündlich zu feiern, bevor Marcus im Gefängnis landete.
Konnte ich das? Riskieren, dass er meinetwegen verhaftet wurde? Nur weil wir eine Beziehung führten?
Nein, ich konnte das nicht. Überhaupt nicht.
Er hat eine Frau verdammt. Die er laut eigener Aussage nicht liebt, aber er hat eine Frau.
„Hör mal, Marcus...", setzte ich an, wurde aber jäh unterbrochen.
„Nein."
„Du weißt doch gar nicht, was ich sagen will."
„Doch. Du denkst, dass wir das beenden sollten, weil es illegal ist. Aber weißt du was? In ein paar Monaten bist du nicht mehr minderjährig. Somit ist das nicht mehr illegal. Wir müssen es nur bis dahin geheim halten."
„Ach ja? Mein Vater wird mich umbringen, und Nate uns beide. Außerdem bist du verheiratet. Es ist mir egal, ob du Leah liebst oder nicht, eine gewisse Verantwortung ihr gegenüber hast du trotzdem. Das hier funktioniert nicht, Marcus. Überhaupt nicht", murmelte ich und stand erneut vor einem Tränenausbruch. Was war los mit mir?
„Die letzte Nacht hat mir da etwas anderes gesagt. Gut, du warst nicht wenig betrunken, aber du kannst nicht sagen, dass es zwischen uns nicht eine gewisse... Anziehungskraft gibt", sagte mein Freund bestimmend und sah mich bittend an.
„Komm schon, Jessica. Gib jetzt nicht alles auf, nur weil ein halber Greis herkommt und uns misstrauisch beäugt. Übrigens hat er die ganze Zeit auf deine Brüste gestarrt. Ich glaube, er will was von dir."
Ich schauderte. „Ist ja eklig. Der Typ ist älter als mein Vater!"
„Es soll tatsächlich Frauen geben, die auf solche Männer stehen. Er hat Geld."
„Das hast du auch. Und du siehst besser aus."
„Ja, nicht wahr? Und ich bin auch besser im Bett", lachte er und zog mich am Handgelenk zu sich.
„Vertraust du mir, Jessica?"„Ich werde es zwar bereuen, aber ja, ich vertraue dir", antwortete ich ohne zu zögern. Denn es stimmte. Ich vertraute ihm.
Sanft wurde ich zu Marcus' Wagen geschoben, der unmittelbar vor dem kleinen Park stand.
„Bist du mir eigentlich gefolgt?", fragte ich, da ich endlich wissen wollte, weshalb er hier war.
„Nein. Ich hatte ein Meeting, von dem ich früher als geplant kam. Ich habe dich gesehen."
„Ah."
„Ja."
„Wieso?"
Er lachte kurz auf. „Wird das jetzt unsere Standard - Autokonversation? Ah, ja, wieso? Wenn ja, dann lass dir gesagt sein, dass ich dich gerne reden höre."
„Ah."
„Ja", sagte er schmunzelnd.
„Wieso?"
Marcus schwieg. Er schwieg einfach! Mit einem unterdrückten Grinsen saß er am Steuer und betrachtete mich aus den Augenwinkeln.
Ich verbrachte die komplette restliche Fahrt damit, ihn wütend anzustarren, sodass ich nicht mitbekam, wohin wir fuhren. Erst als der Wagen hielt sah mein Freund wieder zu mir. Mit einem Grinsen auf diesen perfekten Lippen, die mich seit dem ersten Treffen faszinierten.
„Du bist sauer, weil ich schweige?" Marcus lachte.
„Oh man."
Summend stieg er aus dem Auto und hielt mir eine halbe Minute später die Tür auf.
„Madam."
„Vielen Dank, Sir. Wo Sie gerade dabei sind, ein Gläschen Champagner würde auch nicht schaden", witzelte ich, als ich seine ausgestreckte Hand ergriff.
„Nun, ich bin mir sicher, wir haben da noch eine Flasche im Kühlschrank."
„Vorzüglich, Sir, vorzüglich."
Wir lachten beide. Marcus sah nicht nur gut aus – diese Lippen! – Nein, er konnte auch noch gut küssen – und wieder: Diese Lippen! – und sogar witzig sein. Ja, so mochte ich meine Freunde.
Meine verheirateten Freunde.
Er führte mich direkt in seine Küche, wo er den Kühlschrank öffnete. Mit baumelnden Beinen saß ich auf der Arbeitsfläche neben dem Spülbecken und sah zu, wie er eine Flasche Champagner hervor holte.
Oh.
„Marcus, ich habe das nicht ernst gemeint."
Aber ein Schlückchen könnte ich schon vertragen. Alkohol gegen Kater.
„Ein Glas schadet nie, findest du nicht auch?"
Wenig später saßen wir uns auf dem Sofa gegenüber, beide im Schneidersitz. Ich führte das Champagnerglas an meine Lippen und trank einen kleinen Schluck. Er fühlte ich an, als hätte ich lauter kleine Bläschen im Mund, schmeckte ganz anders als der billige Supermarktchampagner, mit dem ich die ein oder andere... nun ja, unfrohe Erfahrung hatte. Dieser hier musste verdammt teuer gewesen sein.
„Ich mag deine Haare", sagte Marcus nach dem zweiten Schluck, vollkommen ohne Zusammenhang.
Stirnrunzelnd betrachtete ich den Abschnitt, den ich sehen konnte.
„Warum?"
„Weiß nicht. Ist eben so."
Während ich ihn kritisch beäugte trank ich einen weiteren Schluck, und das Glas war beinahe leer, beinhaltete nur noch zwei Schlucke.
„Und deine Augen."
Ein weiterer Schluck.
Noch einer.
„Weißt du was? Was du kannst, kann ich schon lange", sagte ich schließlich und stellte das leere Glas auf dem Wohnzimmertisch ab. Ich hatte mir soeben Mut angetrunken, dann konnte ich ihn auch ausnutzen.
„Deine Lippen."
„Warum?"
„Das musst du noch hinterfragen?" Ich nahm ihm das Glas aus der Hand und bemerkte, dass ihn meine Meinung wirklich interessierte.
„Himmel, hat Leah das nie gesagt?"
„Was denn?"
„Das deine Lippen verdammt faszinierend sind?"
Er runzelte die Stirn, als würde er über meine Worte nachdenken. Tatsächlich sah er aus, als wüsste er nicht, wie perfekt er war.
„Gott, Marcus", fluchte ich leise, bevor ich mich vorbeugte und meine langweiligen, normalen Lippen auf seine faszinierenden, perfekten drückte.

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