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Ich stand in meiner neuen Spitzenunterwäsche vor dem großen Terrassenfenster, das einen unvergesslich schönen Ausblick auf den dichten Wald freigab, der sich vor Marcus' „Häuschen" - das nebenbei bemerkt größer war, als mein eigenes Haus in Seattle – ins Endlose erstreckte.
Anfangs konnte man die Konturen der einzelnen Fichten, Kiefern und Laubbäume bestens ausmachen, doch mit jedem weiteren Meter verschmolzen die majestätischen Pflanzen zu einer undefinierbaren Masse aus Stämmen, Ästen und Nadeln, beziehungsweise Laub, wenn auch vermindert. In der Abenddämmerung sahen sie gleichermaßen bedrohlich, wie beeindruckend aus.
Ich verlor mich immer und immer wieder in diesem Bild.
„Wie fändest du es, wenn es immer so wäre? Jeden verdammten Tag?"
Marcus angenehm raue Stimme holte mich sachte aus meinem tranceartigen Zustand, sodass ich mich schwungvoll auf der nackten Ferse umdrehte, um meinen Freund in Augenschein zu nehmen.
Er stand mit zerzausten Haaren und einer seiner grauen Jogginghosen barfuß im Türrahmen, sich mit der rechten Hand daran stützend. Und obwohl ich sein Gesicht in der sich anbahnenden Dunkelheit nicht wirklich erkennen konnte, spürte ich, dass er mich intensiv aus seinen schönen Augen musterte und seine Lippen sich wieder einmal zu einem seiner üblichen Grinsen verzogen hatten. Ich liebte ihn wirklich wie verrückt. Alles an ihm. Jede Angewohnheit, jede Bewegung, jeden Zentimeter seines imposanten Körpers.
„Wenn was so wäre?", fragte ich gedankenverloren und wandte mich wieder dem Fenster zu.
Am Horizont sah ich die Sonne nun endgültig verschwinden und seufzte auf.
Alles war so dermaßen vergänglich...aber andererseits wiederum so wunderschön und magisch, dass es sich einfach lohnte. Ganz egal, ob man etwas hatte, um es im nächsten Moment zu verlieren... Die Hauptsache ist doch, dass man es im jeweiligen Moment hat. Oder? Dass man im jeweiligen Moment vor Glück platzen könnte. Schließlich ist ohnehin nichts für die Ewigkeit. Man kann lediglich das Beste aus allem machen. Das Beste aus allem herausholen.
Ich spürte wie der Boden sich aufgrund von Marcus' langsamen Schritten leicht unter meinen Füßen bewegte, was mir verriet, dass er sich mir näherte. Erwartungsvoll atmete ich leise aus und wartete auf den Moment, in dem er seine starken, muskulösen Arme um meinen Körper schlingen würde.
Und ich wurde nicht enttäuscht, denn wenige Sekunden später befand ich mich in seiner innigen" Umarmung, den Kopf auf seine Brust gelehnt, seine Hände um meine Hüfte gelegt.
„Ich habe darüber nachgedacht, wie es weitergehen soll", murmelte er in mein Haar. „Wie es mit uns weitergehen soll", vervollständigte er und stützte sein Kinn auf meinem Kopf ab. „Ich liebe dich. Und ich kann es nicht oft genug sagen... Meine Absicht ist es auch gar nicht, unsere Zweisamkeit zu zerstören, aber ich würde wirklich ausgesprochen gerne über die..." Er schluckte scharf. „Über unsere Zukunft sprechen. Das ist mir wichtig."
Meine Knie wurden weich wie Butter. „Das ist...süß", sagte ich wenig kreativ und räusperte mich. „Dass es Männer gibt, die über sowas reden wollen, meine ich."
Gott, jetzt stotterte ich auch noch. Toll, ganz toll.
„Wie bitte?", entrüstete er sich. „Ich bin doch nicht wie all diese Typen, die ein Mädchen nur ins Bett kriegen wollen..." Dann lachte er leise. „Zumindest nicht nur."
Ich musste ebenfalls lächeln. „Aber hauptsächlich."
„Ich kann nichts dafür. Du bist einfach zu scharf."
„Musst gerade du sagen", grummelte ich belustigt, drehte mich vorsichtig um, und stellte mich auf die Zehenspitzen, um meinen Freund zu küssen. Ich bekam immer noch nicht genug von seinen Lippen. Und allem anderen. Obwohl ich das wahrscheinlich sollte...nach der anstrengenden Fitnessstunde á la Marcus im Whirlpool, auf die ich nun nicht näher eingehen wollte.
Tatsache war: Lee ist ein Gott.
„Hey, ich wollte reden...", protestierte er lahm, als wir es schafften unsere Münder für ein paar Sekunden voneinander fernzuhalten.
„Kann das nicht warten?" Ich schmiegte mich noch näher an ihn, worauf ich registrierte, dass er offenbar schon wieder startklar war. Beinahe hätte ich vor Amüsement die Augen verdreht.
„Nein, kann es nicht. Außerdem machen wir beide noch einen Ausflug."
Er löste sich von mir, was ihn ziemlich viel Willenskraft kostete, und trat einige Schritte zurück. „Du solltest dich definitiv anders anziehen. Die Nächte sind ziemlich kalt hier."
„Was?" Ich horchte auf. „Wo willst du jetzt noch hin?"
„Tu jetzt nicht so, als wärst du nie nach Sonnenuntergang weg gewesen", stichelte er lächelnd und verließ eilig den Raum. „Beeil dich bitte. Bin gleich abfahrbereit."

-

„Marcus Lee, du sagst mir auf der Stelle, wo du mich hinbringst", warf ich lautstark ein, während Lady Gaga im Radio ihren Hit Pokerface zum Besten gab.
Mir fiel auf, dass er viel Musik hörte. Und einen breit gefächerten Geschmack hatte. Das gefiel mir.
„Es ist eine Überraschung. Und jetzt halt die Klappe oder sing mit. Can't read my, can't read my... No, you can't read my pokerface! Momomomo..."
Grinsend über sein Gejaule, das er Gesang nannte, lehnte ich mich im Sitz zurück und hüllte mich noch ein wenig mehr in meinen pulloverartigen Cardigan, der mir bis zu den Knien reichte und eine wohlige Wärme an meinen unterkühlten Körper weitergab. Ich hatte definitiv zu viel Zeit in Unterwäsche verbracht und zitterte nun am ganzen Leib.
Marcus kniff die Augen zusammen, als er das leichte Zittern bemerkte und drehte die Heizung um einige Plusgrade nach oben. Ich war ihm dafür dankbar.
„Ich habe im Kofferraum noch eine warme Decke... Wenn du willst, kann ich sie später herausholen, denn dort wo wir hingehen, ist es nicht sehr warm." Er lächelte entschuldigend. „Aber es wird dir garantiert gefallen. Verlass dich darauf."

-

„Ein Riesenrad?", fragte ich, als er auf einem der überfüllten Parkplätze zum Stehen kam und den Motor absägte. Das große Rad lockte blinkend mit den buntesten Farben. Ich war hingerissen.
„Ein Riesenrad", bestätigte Marcus unbekümmert und öffnete die Tür. „Du wolltest doch öffentliche Dates. Hier hast du eines. Ich gebe mir Mühe. Komm, Kleine." Und damit war er verschwunden.
Marcus umkreiste den Wagen, holte besagte Decke aus dem Kofferraum und öffnete mir zuvorkommend die Tür, gerade als ich nach dem Türgriff hatte greifen wollen.
Er zog mich energisch aus dem Inneren des Wagens.
„Ich habe uns ein kleines Dinner bestellen lassen. Da gibt es diese Aktion." Er zuckte mit den Schultern. „Hoffen wir mal, dass es ein unvergesslicher Abend wird. Na, was meinst du?"
„Was ich meine?" Ich seufzte sehnsüchtig auf. „Ich meine, dass dieser Abend jetzt schon total unvergesslich ist. Ich liebe dich."
Ich wusste nicht wie oft ich das noch sagen würde, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich jemals damit würde aufhören können.
„Ich dich auch", erwiderte Marcus grinsend und legte seine Lippen wieder auf meine. „Gott, du bist ja eiskalt!", rief er schockiert aus, fackelte nicht lange und packte mich in die weiche Kaschmirdecke.
„Du behandelst mich wie ein Kind", schmollte ich genervt, dachte aber nicht daran, mich der Decke zu entledigen. Sie fühlte sich so dermaßen flauschig an.
„Ich muss mich doch um dich kümmern", witzelte er. „Beim nächsten Stand kaufen wir dir noch ein paar Thermo-Unterhosen."
„Würdest du nie tun!", rief ich empört aus, und wurde von einem Lachanfall durchgeschüttelt.
„Wollen wir wetten?"
„Zur Hölle mit dir! Darin fändest du mich bestimmt nicht mehr scharf."
„Ich würde dich auch in Oma-Unterwäsche heiß finden."
„Würdest du nicht!", hielt ich lachend dagegen kann. Ich kicherte wie bescheuert.
„Wollen wir wetten?"
„Was hast du bloß mit diesen Wetten?", fragte ich irritiert und ließ mich von Marcus in die Richtung des monströsen, episch aussehenden Riesenrads ziehen.
„Ach, nichts." Er legte den Kopf schief und beschleunigte seine Schritte. „Komm jetzt. Wir sollten unser romantisches Dinner nicht warten lassen."
Da waren wir wohl einer Meinung, denn mein Magen knurrte bestätigend.
Niemand hatte auch nur den Hauch einer verdammten Ahnung, wie viele Kalorien man aufgrund von Sex-Marathons verbrennen konnte. Marcus war mein persönliches Fitnesscenter.
Aber ich würde mich nicht beschweren. Meiner Figur tat er nämlich ziemlich gut.
Und meinem Herzen auch.

-

Me. That. Was.
Okay, das reicht.
Bleibt geschmeidig.
Le Mel.

Break The RulesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt