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Verdammt, war Jura langweilig! Wie hielt Dad das nur aus? Oder Nate? Natürlich war ich nicht live bei einem Fall dabei gewesen, aber ich hatte den Papierkram gesehen. Und dieses Erlebnis ist... Nun ja, ernüchternd gewesen. Ich würde durchdrehen. Eigentlich war ich bereits am Durchdrehen, und ich war nur einen Tag Anwältin.

Aber der Beruf passte zu Lee.

„Abend, Baby." Nate begrüßte mich übertrieben enthusiastisch und legte sich so auf mein Bett, dass sein Kopf auf meinem Bauch ruhte. Geistesabwesend fuhr ich ihm durch das Haar und ließ den heutigen Tag Revue passieren, während er irgendetwas erzählte.
Ich hörte es nicht.
Was er bemerkte.
„Verdammt, Jess, jetzt lass deine Tagträume Tagträume sein und hör mir zu. Es gibt genau jetzt Essen, und ich habe dir gerade höchst detailliert von dem Dessert, das Vanessa gezaubert hat, berichtet, aber du hast mir nicht zugehört", sagte er nach einem Blick auf die Uhr. Gespielt Schmollend. Wie niedlich. „Oh, was ich euch noch sagen wollte: Morgen würde ich euch gerne zu einem Essen mitnehmen", verkündete Dad, als ich meinen Teller mit Salat füllte. Nicht schon wieder. „Tut mir leid, Schatz, aber ich kann nicht...", sagte Rachel und machte einen auf geknickt. Als ob.
„Sicher? Marcus würde euch gerne alle sehen, aber das versteht er sicherlich..."
Nein. Nein. Nein. Nein. Nicht schon wieder. Nein. Nein. Ich weigere mich. Nein.
„Marcus? Oh, mein Termin lässt sich bestimmt verschieben."
Rachel klang auf einmal sehr begeistert. Sie wollte etwas von Lee!
Nicht mit mir. Du kannst dir nicht meinen Vater und dann noch einen verdammt attraktiven Anwalt schnappen, Herzchen. Da mach ich Terror.
Außerdem war sie viel zu alt für ihn.
Ich nicht.
Was?
Ich wollte nichts von ihm! Aber ich würde auch nicht zulassen, dass meine Stiefmutter ihn bekam. Er war verheiratet, meine Güte! Und sie auch!
Ich nicht.
Was?
Nate unterbrach meine Gedanken. „Wirklich? Wie cool!" Ach ja, seine Lee - Besessenheit. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er nicht doch schwul war.
Noch jemand, den ich ausschalten müsste.
Was?
Gut, ich war definitiv neben der Spur. Missmutig starrte ich auf meinen Teller. Der Appetit war mir vergangen.
„Mir geht es nicht so gut, ich lege mich wohl besser hin", murmelte ich leise und stand auf.

***

Wir waren zu früh. Natürlich waren wir zu früh. Ungeduldig wippte ich mit dem Bein auf und ab. Leah, die mir gegenüber saß, bemerkte es nicht. Sie erzählte seelenruhig von ihrem Arbeitstag. War sie schon immer so langweilig gewesen?
Wenn sie nicht bald aufhört schlafe ich ein.
Verdammt, Marcus, das ist deine Frau! Die du liebst!
Liebte ich sie?
Hatte ich sie jemals geliebt?
Mein Vater liebte sie. Der Grund, warum ich sie geheiratet habe. Und der finanzielle Bankrott der Brauerei ihres Vaters. Der Dads Lieblingsschnaps herstellte.
Nein, ich liebte sie nicht und hatte sie nie geliebt.
Oder?
Leah fixierte plötzlich einen Punkt hinter meine Schulter. Ich drehte mich um. Robert und Company stolzierte in das edle Restaurant. Seine Frau lief neben ihm, die Kinder hinter den beiden. Jessica lachte über irgendetwas, das Nathaniel sagte, und ich konnte aus zwanzig Metern Entfernung sehen, dass ihre Augen strahlten.
Am liebsten würde ich ihr das verdammte blaue Kleid ausziehen.
Reiß dich zusammen, Lee!
Robert gab mir zur Begrüßung die Hand, Rachel umarmte mich - etwas länger als nötig. Die Kleine musterte mich abschätzig, setzte sich dann ohne ein Wort hin. Nathaniel grüßte mich freundlich. Doch am meisten fiel mir Jessicas Ignoranz auf.
Sie ignorierte mich tatsächlich.
Im Bett kann sie das nicht mehr.
Verdammt, Lee!
Ich schüttelte den Kopf und setzte mich. Sie war erst siebzehn, verdammt nochmal! Außerdem war ihr Vater ein Arbeitskollege von mir. Ein guter Bekannter, ein lockerer Freund.
Und du bist verheiratet.Die Bedienung kam. Eine schlanke, blonde Kellnerin, die mich interessiert musterte. Sie konnte den Blick nahezu gar nicht von mir abwenden. Wie ich dieses Verhalten hasste. Konnte man denn nicht mal in Ruhe Essen bestellen? Ich war kurz davor, sie freundlich darauf hinzuweisen, dass sie den Blick von meinen Lippen nehmen könne, da sie sie eh nie auf den ihren spüren würde, als mir Jessicas Blick auffiel.
Sie musterte Blondie mit kaum verhohlener Abscheu, sah immer wieder von ihr zu mir. Sie war eifersüchtig.
Yes.
Die Kellnerin verschwand wieder, nicht ohne mir noch einen weiteren Blick zuzuwerfen. Somit kehrte auch Jessicas Ruhe wieder zurück. Sie strich sich das Kleid glatt und beugte sich über ihr Handy, das sie auf ihrem Schoß drapiert hatte. Was ungefähr die gleiche Wirkung hatte wie Beyoncé, die auf einem Elefanten durch den Central Park ritt. Es fiel auf.
Die nächsten fünf Minuten brachte ich damit zu, sie unauffällig zu mustern. Immer wieder schob sie sich eine widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr, ab und an schmunzelte sie über etwas, das mir nicht bekannt war.
Wie es wohl mit ihren One - Night - Stands aussah?
Verdammte Scheiße!
Ich war kurz davor, mich selbst zu ohrfeigen, damit ich aufhörte, mir die Kleine in meinem Bett vorzustellen. Doch da wurde sie von Leah in ein Gespräch über Abendkleider verwickelt. Ihr Handy landete auf dem Tisch. Sie war abgelenkt, sah nicht unter den Tisch. Vorsichtig spähte ich zu Nathaniel, der mit Robert über Autos diskutierte. Rachel, an Jessicas anderer Seite saß, diskutierte mit den beiden.
„Nichts geht über einen Jaguar", sagte ich und beschloss, mich in die Auto - Diskussion einzuklinken. Gleichzeitig wanderte mein Fuß Jessicas Bein hinauf.
Sie erstarrte, drehte sich langsam zu mir und sah mich böse an.
Selbst mit einem Todesblick sah sie noch scharf aus.
Wortlos stand sie auf und verschwand in Richtung Toilette.
Ups.
Robert lenkte mich ab. „Nein, Lamborghini ist die beste Marke! Schnell, elegant,..." „... und ziemlich teuer, ergänzte ich, während die Bedienung von vorhin lächelnd unsere Getränke abstellten. Ein alkoholfreies Weizen für mich und Robert, Cola für Nathaniel, Orangensaft für Rachel und Chloé. Und Litschisaft für Jessica. Wer trank denn bitte Lischtisaft?!
Das Objekt meiner heimlichen Begierde stieß wieder zu uns. Und verdammt, jetzt wollte ich ihr das blaue Kleid, das etwas hochgerutscht war, noch schneller ausziehen.
Bevor ich mich für meine Gedanken rügen konnte saß sie auch schon, und es war nur noch ihr herzförmiger Ausschnitt zu sehen, der allerdings zum größten Teil von ihren Haaren verdeckt würde.
Mein Fuß ging sofort wieder auf Wanderschaft, es machte durchaus Spaß, sie damit zu necken.
Sie tat, als bemerke sie es nicht. Und das ziemlich gut. Fröhlich plapperte sie mit ihrem Stiefbruder über die Beziehung eines Brandons.
Doch Rachel sah mich unverwandt an. Zu meinem Entsetzen erregt. Willig. Hatte ich ihr Bein erwischt? Ich beschloss, es herauszufinden und bewegte meinen Fuß etwas nach links, berührte irgendein anderes Bein.
Jessica warf mir ihren Todesblick zu.
Fuck.
Mit bemüht ruhiger Miene stellte ich mein Bein wieder auf den Boden, wo es hingehörte, und verteidigte meinen Standpunkt bei der Auto - Diskussion. Vielleicht würde Rachel es vergessen.
Falsch gedacht. Als unser Essen gebracht wurde spürte ich einen Fuß an meinem Bein, Rachels Blick auf mir. High Heels. Jessica trug Ballerinas.
Und die Frau meines Arbeitskollegen flirtete nun mit mir.

Break The RulesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt