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Mein Blick fiel auf Rachel, die meinen, beziehungsweise unseren Gegenüber verträumt ansah. Das war doch einfach nicht zu fassen! Ausgerechnet Rachel, die gefühlskalte Hexe, die meinen Dad nur wegen seines Gelds geheiratet hatte, machte Marcus Lee schöne Augen! Ohne lang zu überlegen, versetzte ich ihr unter dem Tisch einen heftigen Tritt, sodass sie überrascht aufschrie. Entgeistert wandte sie sich von Marcus ab und fauchte mich an. „Es tut mir so leid!", stammelte ich erschrocken und riss gespielt entschuldigend die Augen auf. „Ich bin ja so ungeschickt!" „Das bist du in der Tat", zischte sie mit schmerzverzerrten Gesicht und rieb sich das Bein. „Und halte mich ja nicht für blöd genug, zu glauben, das sei ein Unfall gewesen", fügte sie leiser hinzu, sodass niemand außer uns davon Wind bekam. Ich hob den Blick und fand mich in Lees Augen wieder, mit denen er mich in unverhohlenem Amüsement über den Tisch hinweg musterte. Mein Handy vibrierte genau im richtigen Moment, sodass ich mich entschuldigte und aufstand um auf die Toilette zu gehen. „Schon wieder?", fragte Nate misstrauisch. „Hast du neuerdings eine Blasenschwäche oder so?" In diesem Augenblick hasste ich ihn so sehr, wie ich nie zuvor jemanden gehasst hatte. „Nein, du Idiot. Ich muss kurz telefonieren." Ohne auf die Proteste meines Vaters, und die verhöhnenden Blicke meiner kleinen Stiefschwester zu achten, stöckelte ich in das menschenleere WC und atmete erleichtert auf. Ich öffnete WhatsApp und las die Nachrichten, die ich innerhalb dieser Stunde bereits verpasst hatte. Hauptsächlich ging es dabei um eine Party, die unsere Klassenkameradin Margaret Benson am Samstag bei sich zu Hause geben würde, weil ihre Eltern übers Wochenende verreisten. „Gehst du hin?", fragte Emma und schickte ein paar Herzchen hinterher. „Natürlich erst, wenn du mit Mr. Ich flirte dich zu Tode fertig bist." Laut seufzte ich auf und begann eine Antwort zu tippen. Hätte ich ihr bloß nichts von diesem erneuten Essen gesagt! „Langsam wird's langweilig, Em. Wirklich. Ich denke, ich werde zur Party gehen. Ach und wo wir schon dabei sind: Könntest du mir ein Alibi liefern, von hier zu verschwinden?" „Was? Wieso? Mich würden keine zehn Pferde von dort wegschleifen können!" Ich verdrehte die Augen. „Es ist eine Katastrophe, Emma. Rachel flirtet mit Lee, Dad und Nate reden mit ihm und Chloé stopft sich mit Essen voll, während ich mich zu Tode langweile. Bitte!" „Du bist wirklich nicht mehr zu retten. Aber okay, von mir aus: Sag ihnen, dass ich dich unbedingt brauche und komm her. Das Lokal ist nicht weit von mir entfernt, du solltest mich finden können." Dankbar schickte ich ihr gefühlt dreitausend Kuss-Emojis, bevor ich aus der Toilette trat und zu unserem Tisch zurückeilte. Dort hatte sich rein gar nichts verändert. Rachel lamentierte immer noch, aufgrund ihres verletzten Beines und die Männer unterhielten sich weiterhin über diverse Autos, deren Namen ich nie zuvor gehört hatte. Nur Marcus ließ seinen Blick zu mir wandern, wobei mir auffiel, dass er einen Arm um seine wunderhübsche Frau gelegt hatte, die verzweifelt versuchte etwas zum Gespräch beizutragen. Einerseits hielt ich sie für erbärmlich, im Schatten ihres Mannes, doch andererseits war sie unverkennbar die glücklichste Frau auf dieser Welt. Kaum jemand würde nicht mit ihr tauschen wollen. Mich eingeschlossen. Frustriert schritt ich zu meinem Vater, der erst zu mir aufblickte, als ich bereits über ihm stand. „Dad, es gibt ein Problem bei Emma...", begann ich unsicher. „Ein Problem? Was für ein Problem?", fragte er besorgt, ganz der Vater, und sah mich abwartend an. Ich spürte, wie sich alle Augen auf mich richteten und errötete. „Du weißt schon, so...so...Mädchenprobleme halt", stotterte ich peinlich berührt und sah aus den Augenwinkeln Leah's herzliches Lächeln. „Lass sie gehen, Robert", bat sie meinen Vater zwinkernd. „Sie muss Emma jetzt beistehen." Mein Vater wirkte immer noch nicht ganz überzeugt, nickte schließlich aber. „Okay. Soll ich dich hinfahren? Es ist nicht weit von hier..." „Nein, nein, nein, nein! Ich...ich will euer Essen nicht ruinieren. Ich rufe dich an, sobald ich bei ihr bin, in Ordnung?" Dad zuckte mit den Schultern und ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke." „Eis hilft!", rief mir Leah hinterher, als ich den Ausgang des Lokals ansteuerte. „Und Adele!" Beim Klang ihrer Stimme zuckte ich zusammen. Eigentlich müsste ich diese Frau hassen. Ich wünschte mir sogar, es wäre so. Aber nichts dergleichen war der Fall: Sie war die netteste steinreiche Person, die ich jemals kennengelernt hatte.

„Wann bist du da?" Eine neue Nachricht von Emma ließ den Bildschirm aufleuchten. „In ungefähr 15 Minuten." Mir war kalt in meinem eng anliegenden Abendkleid, und das dünne Jäckchen, das gerade mal meine Schultern bedeckte, spendete nicht wirklich viel Wärme, wenn ich ehrlich war. Zum Glück habe ich die bequemen Ballerinas angezogen, dachte ich zufrieden und strich mit den Fingern geistesabwesend über die mit glitzernden Steinchen besetzte Hülle meines iPhones. Sie fühlten sich ungewohnt kalt an. Unter einer Straßenlaterne, kam ich kurz zum Stehen und wippte auf meinen Fußballen vor und zurück. Ich bezweifelte zwar, dass mir dadurch wärmer werden könnte aber einen Versuch war es wert. Ich löste meinen Zopf, sodass meine Haare nun in sanften Wellen auf meine Schultern herabfielen. Schon besser. „Jessica." Ich fuhr vor Schreck zusammen und drehte mich in die Richtung, aus der die Stimme kam. Nein, das glaube ich einfach nicht. Marcus. „Was...? Ich meine...Sie...Wieso...?", stammelte ich nervös, während sich ein Grinsen auf seinem Gesicht bildete. „Was möchtest du mir sagen?", stichelte er lachend und trat näher an mich heran. Im dämmrigen Licht der Straßenlaterne schienen seine braunen Augen noch dunkler zu sein. Ich schluckte scharf und biss mir erregt auf die Unterlippe, worauf ich wieder versuchte, mich mit aller Kraft einzukriegen. „Was machen Sie hier?" „Ich wollte nach dir schauen." „Ha. Ha. Wie witzig. Und das hat mein Vater Ihnen abgekauft?"„Nein", er setzte eine geheimnisvolle Miene auf. „Ich habe ihnen allen erzählt, dass ich noch ein sehr wichtiges Telefonat führen muss." Ungläubig schüttelte ich den Kopf und wandte mich zum Gehen. „Ihr ständiges Stalking geht mir langsam gehörig auf die Nerven, Lee", verkündete ich mit scharfer Stimme. Er holte mich binnen Sekunden wieder ein und versperrte mir den Weg. „Gehen Sie mir aus dem Weg. Sofort." „Weißt du eigentlich wie scharf du bist, wenn du dich so...dominant verhältst?" Mir blieb die Luft weg. Er fand mich also...dominant?Und vor allen Dingen...scharf?„Was wollen Sie von mir?" Ich war überaus misstrauisch. „Was glaubst du denn?", fragte er zurück und legte den Kopf schief. „Mich nerven?" Er lachte auf. Ich liebte dieses Geräusch. „So könnte man es auch nennen. Aber eigentlich.." Er streckte eine Hand nach mir aus, strich mir eine Haarsträhne hinter das rechte Ohr und sah mir tief in die Augen. Mein Körper zitterte. „Aber eigentlich was?", hauchte ich mit bebender Stimme, was meine Beunruhigung verriet. Er schenkte mir ein kleines Lächeln, bei dem seine schneeweißen Zähne zum Vorschein kamen. „Eigentlich will ich das hier schon seit geraumer Zeit tun", antwortete er leise und gab mir keine Zeit mehr, über seine Worte nachzudenken. Als seine warmen, weichen Lippen auf meine trafen, kam es mir so vor, als würde ich daneben stehen und zusehen. Es war so unrealistisch. Schier unmöglich. Mein Herzschlag verdoppelte seine Geschwindigkeit, mein Körper, der bis vor wenigen Sekunden noch komplett erstarrt war, passte sich nun Marcus an. Ich erwiderte den Kuss, während ich mit meiner rechten Hand leicht an seinen Haaren zog, damit spielte. Das Blut rauschte mir in den Ohren. Ich, Jessica White, küsste ihn, Marcus Lee. Und es fühlte sich einfach perfekt an. Von der Kälte, die ich gerade eben noch empfunden hatte, war nichts mehr übrig. Mir war heiß. Unglaublich heiß. Plötzlich hob Marcus mich scheinbar mühelos an, worauf ich reflexartig die Beine um seine Hüfte schlang. Er stöhnte leise in den Kuss und flüsterte mir ein heiseres „Du bist perfekt" ins Ohr. Eine zarte Gänsehaut breitete sich über meinen gesamten Körper aus. Ich will ihn. Ich will ihn so sehr. Mittlerweile hatte der Kuss nichts mehr mit einem Kuss gemein, wir verschlangen uns gegenseitig, wollten uns niemals wieder loslassen. Und ich ließ es zu, trotz all der Befürchtungen und Ängste ließ ich es zu. Was blieb mir auch anderes übrig? Mein Körper sehnte sich nach seinen Berührungen. „Oh mein Gott", flüsterte ich in die Stille, als Marcus mich vorsichtig wieder abstellte. Meine Hand wanderte wie von selbst zu meinen Lippen, die sich unfassbar rau und geschwollen anfühlten. „Das war phantastisch, Jessica." Er suchte meinen Blick. „Ich..."„Nein!", rief ich dazwischen. Ich wollte nicht hören, wie er sein Bedauern aussprach, wollte nicht hören, was er mir zu sagen hatte. „Hör mal, du.." „Ich will nichts hören, Lee. Es...es hätte nicht passieren dürfen. Du...du hast eine Frau...und jetzt?" Ich richtete eilig mein Kleid, das bei der heftigen Knutscherei um einige Zentimeter nach oben gerutscht war. Dann nahm ich meine Tasche, die zu Boden gefallen sein musste und entfernte mich von ihm. Traurig sah er mich an. „Etwas gutes hat es ja", bemerkte Marcus mit einem gequälten Lächeln. „Und das wäre?" Meine Frustration schlug in Wut um. „Du hast endlich begonnen mich zu Duzen." Kopfschüttelnd und total benebelt wich ich ein paar Schritte zurück, stolperte über meine eigenen Füße und fiel hin. Verdammt. Tränen liefen mir über die Wangen, als ich mich aufrappelte. „Jessica! Ist alles okay?" Er musterte mich besorgt und streckte mir eine Hand entgegen, die ich nicht weiter beachtete. Ich ignorierte meinen schmerzenden Hintern und sah ein letztes Mal in Marcus' schönes Gesicht. „Leb wohl", flüsterte ich und machte mich daran, zu verschwinden.

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Ich bin so stolz auf dieses Chap ^^
Mel xxx

Break The RulesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt