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„Zwei heiße Schokoladen zum hier trinken und zwei Cappuccino zum Mitnehmen, bitte." Cara lehnte sich so weit über den Tresen, dass der (zugegebenermaßen sehr attraktive) Kerl hinter der Kasse durch ihren Ausschnitt vermutlich bis zu ihren Socken sehen konnte. Er schluckte schwer, tippte jedoch nach einer Sekunde des Starrens die Bestellung ein.
„Das macht dann zehn Dollar fünfundneunzig", gab er mit ausdrucksloser Miene von sich, stierte dabei allerdings erneut in Caras Ausschnitt, die wiederrum triumphierend lächelte. Das Hardrockcafé war ihr absolutes Lieblingscafé, allein wegen dem hübschen Kellner, mit dem sie jedes Mal flirtete.
Schweigend reichte ich Caras Crush meine Kreditkarte und tippte meine PIN ein.
Das Lesegerät gab einen Ton von sich, der nichts Gutes verlauten ließ.
„Tut mir leid, Miss, aber Ihre Karte scheint nicht zu funktionieren."
Was?
„Das kann gar nicht sein. Heute Morgen hatte ich definitiv noch...", ich hielt mich zurück, schließlich musste nicht das ganze Lokal wissen, wie viel ich auf meinem Konto hatte.
„... Geld drauf", setzte ich etwas leiser fort, da mich ein leiser Verdacht beschlichen hatte.
Hatte Dad mein Konto gesperrt, weil er nicht mit meiner... Partnerauswahl zufrieden war?
Mit einem entschuldigenden Lächeln gab mit der Kellner die Karte zurück und nahm stattdessen Emmas, dessen Karte ohne weitere Probleme angenommen wurde.
Während wir gemeinsam auf unsere Getränke warteten, checkte ich mein Handy. Ich hatte eine neue Nachricht von Marcus, die ich sofort öffnete. Unter seiner Bestellung – Cappuccino ohne Zucker, aber mit Milch – poppte eine neue Sprechblase auf, die mir mitteilte, dass er vor dem Lokal auf mich wartete. Lächelnd schickte ich einen Kusssmiley zurück, froh darüber, dass er trotz des Wutausbruchs meines Vaters bei mir blieb, zu mir hielt.
Anschließend öffnete ich Dads Nachricht.
‚Hab dein Konto gesperrt. Wollen wir mal sehen, wie lange du noch bei diesem Pädo bleibst, wenn du kein Geld von mir bekommst.'
Fassungslos starrte ich mein Handy an. Er hatte also wirklich mein Konto gesperrt. Somit blieben mir noch drei Dollar und fünf Cent, die seit Monaten in meinem Geldbeutel versauerten. Und das alles nur, weil ich jemanden liebte.
„Ach du Scheiße. Emma, komm her", stieß Cara hinter zusammengebissenen Zähnen hervor, nachdem sie mir über die Schulter geguckt hatte. Und auch Emma stieß Flüche aus, für die sie sicherlich in die Hölle gekommen wäre, hätte sie da nicht schon einen Ehrenplatz.
„Das kann er doch nicht machen!", schimpfte sie, als ihr die Ausdrücke ausgegangen waren.
„Doch, kann er", flüsterte ich tonlos und war mehr als nur ein bisschen dankbar, dass unsere Heißgetränke fertig waren. Schnell gab ich ein Päckchen Milch in einen Pappbecher und zwei Päckchen Zucker in den anderen, drückte bei meinem Becher eine dieser lustigen Wölbungen ein. Mit einem leisen „Wir sehen uns" verabschiedete ich mich von meinen zwei besten Freundinnen, die mir beide ein aufmunterndes Lächeln schenkten.
Dennoch fühlte ich mich elend, als ich auf die Straße trat. Beinahe augenblicklich erkannte ich Marcus' Wagen, der unmittelbar vor dem Eingang geparkt hatte. Ich trat vor das Fenster der Beifahrerseite, und er beugte sich herüber, um mir die Tür zu öffnen.
Schweigend reichte ich ihm seinen Becher, schnallte mich an. Doch er fuhr nicht los.
„Es tut mir Leid", sagte er schließlich und trank einen kleinen Schluck des Kaffees.
Mir wurde schlecht, als ich auf meinen eigenen Cappuccino sah. Mein Gehirn malte sich die schlimmsten Szenarien aus.
Es tut mir Leid, aber mir ist klar geworden, dass ich mein Leben doch mehr liebe und es nicht für dich riskieren will.
Es tut mir Leid, aber das zwischen uns funktioniert nicht, weil dein Vater mich töten will.
Es tut mir Leid, aber ich will meinen Job nicht verlieren.
Es tut mir Leid, aber es ist aus.

Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle. Das wars. Es ist aus.
„Was?", fragte ich dennoch, mit dünner, brüchiger Stimme, die beinahe versagte.
„Dass ich dich da rein gezogen habe."
Los, sag es. Sag, dass es aus ist. Sag, dass mein wundervoller Vater alles zerstört hat.
„Ich meine, wäre ich nicht gewesen, dann hätte Robert niemals einen Wutausbruch dieses Kalibers bekommen. Und du hättest es nicht abbekommen." Er lachte verbittert auf, trank einen weiteren Schluck.
Ich wünschte mir inbrünstig, dass in meinem heißen Becher hochprozentiger Alkohol gewesen wäre. Dann hätte ich sagen können, was ich sagen wollte. Dass ich ihn liebte und er mich verdammt nochmal nicht einfach fallen lassen sollte.
„Und das Problem ist...", setzte er fort.
Dass das eigentlich ziemlich umsonst war, weil du für mich eh nur ein Zeitvertreib warst.
Mein Herz zog sich zusammen.
So unsicher kannte ich mich gar nicht.
„... dass ich es nicht anders machen würde, wenn ich die Wahl gehabt hätte." Er sah mich an. „Weil ich dich liebe. Ich liebe dich, Jess."
Ich schluckte schwer, verlor mich in seinen Augen. Mein Herz klopfte wie wild, mein Puls schoss in die Höhe, meine Augen füllten sich mit Tränen des Glückes.
Innerhalb weniger Sekunden hatte er die Gedanken der letzten paar Minuten vollkommen zunichte gemacht. Innerhalb weniger Sekunden hatte er den Verrat von Nate, den Wutausbruch meines Vaters in den Schatten gestellt. Und das mit nur vier Wörtern.
Ich liebe dich, Jess.
Geistesgegenwärtig stellte ich meinen Becher in die Halterung in der Konsole, dann lehnte ich mich so weit zu ihm, wie es der Gurt zuließ und küsste ihn.
Der Kuss blieb so zärtlich wie noch nie, selbst dann noch, als Marcus mich abschnallte und auf seinen Schoß zog. Es war mir in diesem Moment sowas von egal, wer uns sehen konnte, ich fühlte mich schlichtweg wohl.
Seufzend löste ich mich von ihm, lehnte mich etwas zurück, wobei mir das Lenkrad in den Rücken drückte.
„Können wir nicht einfach woanders hin und irgendetwas Normales machen?", schlug ich leise vor, sah meinen Freund einfach nur an.
„Alles, was du willst." Dann begann er zu grinsen. „Wir könnten shoppen gehen. Ich würde dich nur zu gern in Dessous sehen."
Ich wollte gerade lächelnd einwilligen, als mir etwas einfiel. Mein freudiges Lächeln verblasste.
„Dad hat mein Konto gesperrt."
Eine Sekunde lang konnte ich Wut in Marcus' Augen sehen, die jedoch schnell verschwand. „Ja und?", fragte er. „Ich habe Geld genug, falls es dir nicht aufgefallen ist."
„Marcus..."
„Nein, keine Widerrede. Wir gehen jetzt shoppen, und wenn ich dich an den Haaren von einem Laden in den anderen schleppen muss", beharrte er stur, und gegen meinen Willen musste ich lachen.
„Ich dachte, Männer hassen es, mit ihren Freundinnen shoppen zu gehen."
„Männer hassen das nur, wenn sie langweilige Dinge wie Hüte oder Socken kaufen müssen. Niemand sagt etwas gegen Shorts, Tops, Kleider oder Unterwäsche."
„Es ist März."
„Und deshalb kauft man keine Unterwäsche?"
Seufzend kletterte ich zurück auf meinen Platz und schnallte mich wieder an.
„Okay, Mr. Lee, wollen wir mal sehen, wie schnell Ihnen langweilig wird."
Mit einem anzüglichen Grinsen führ der attraktive Mann neben mir los.

„Also ich weiß nicht. Blümchen oder Bananen?", fragte ich gespielt verzweifelt und hielt zwei verschiedene Paare Kuschelsocken hoch. Die einen waren schwarz mit wundervollen pinken Blumen, die anderen Blau mit Bananen.
Marcus schenkte mir einen amüsierten Blick. „Wir kaufen einfach beide. Wie findest du das?"
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich auf die große Gap – Tasche in seiner Hand. Zwar hatte ich versucht, ihm den dämlichen Gentleman auszutreiben und mich das Zeug tragen zu lassen, doch er hatte darauf genauso bestanden wie auf die schwarze Jogginghose, die ich hier im H&M anprobiert hatte.
„Und den Hut?", stichelte ich belustigt.
„Nein, den nicht. Ich mag mein Mädchen lieber in Jogginghose und T – Shirt, ein Hut lässt dich so formell aussehen."
„Gegen meine Abendkleider hattest du auch nichts", beschwerte ich mich gespielt schmollend und sah mich um.
„Die haben ja auch hervorragend deinen Körper betont."
Geschmeichelt über das Kompliment lächelte ich ihn an, dann erblickte ich die Unterwäsche – Abteilung. In den letzten zwei Stunden hatte ich mich damit abgefunden, dass Marcus für mich zahlte – was jetzt auch nicht gerade eine wahnsinnig schlimme Situation war.
„Was hältst du davon?" Ich hielt einen ziemlich unsexy, hautfarbenen BH hoch, woraufhin mein Freund das Gesicht verzog.
„Ugh, nein. Mir gefällst du besser ohne BH."

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