32

5.1K 193 8
                                    

***
„Oh, mein Gott", rief Jess aus, als sie das Foyer meines Wochenendhauses betrat. Staunend sah sie sich um, musterte jeden einzelnen Winkel.
Und wie üblich konnte ich nicht anders, als sie einfach nur anzusehen. Selbst mit vor Verblüffung weit geöffnetem Mund und riesigen Augen war sie das schönste Wesen, das mir jemals untergekommen war.
Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich meine Autoschlüssel in eine kristallene Schüssel auf dem rustikalen, aber eleganten Sideboard ablegte. Kleine Lichtflecken tanzten über das Ebenholz, brachten den Glanz, den ich einem verdammt teuren Öl zu verdanken hatte, zur Geltung.
„Wie viel verdienst du eigentlich, Marcus? Hier könnte man die amerikanische Armee mitsamt dem Präsidenten und dem gesamten Secret Service unterbringen! Das muss doch bestimmt ein Vermögen gekostet haben!"
Meine Mundwinkel wanderten noch ein Stück höher, und ich drehte mich wieder vollends zu meiner Freundin.
„Und ich habe zwei davon."
Jess' Augen weiteten sich noch ein weiteres Stück, ungläubig.
„Nie im Leben."
„Ich schwöre auf den Whirlpool."
„Du hast einen Whirlpool?" Ihr ganzes Gesicht strahlte vor kindlicher Freude. „Ich will ihn selbst finden, ja?"
Eine Weile betrachtete ich sie einfach nur, wie sie in einfachen Jeans und einem Pullover durch das gesamte Foyer hoppste und wahllos Türen öffnete. Jedes Mal, wenn sie sich enttäuscht umdrehte, wirbelten ihre weichen Haare auf, fielen zerzaust wieder auf ihre Schultern.
Schließlich betrat sie das offene, gemütlich eingerichtete Wohnzimmer und verschwand somit aus meiner Sichtweite.
Mir passte das gar nicht.
Als ich ebenfalls eintrat fand ich sie vor der Fensterfront. Mit dem Rücken zu mir stand sie unmittelbar vor der äußeren, verglasten Wand des Gebäudes, von wo aus man einen wundervollen Blick auf ein Wäldchen hatte, das sich über etwa drei Kilometer erstreckte. In weiter Ferne konnte man die höchsten Gebäude Seattles ausmachen, vage Umrisse des Ufos, Bürogebäude, Banken. Die Großstadt war so weit weg und doch so nah, einer der Gründe, warum ich diesen Ort so sehr liebte.
Unbemerkt hatte ich mich genähert, schlang die Arme um Jess' Taille.
Sie stieß einen spitzen Schrei aus und fuhr in meinen Armen zu mir herum.
„Bist du noch bei Sinnen, Idiot? Du kannst mich doch nicht einfach so erschrecken!"
„Also erstens gibt es wesentlich besser Schimpfwörter als ‚Idiot', Dummerchen, und zweitens solltest du nicht so laut schreien, sonst denken die Nachbarn noch, ich würde hier hilflose Frauen foltern."
„Du hast Nachbarn?"
Ich lachte.
„Nein."
„Also hast du mich angelogen?"
„Nein."
„Du hast mich also angelogen."
„Nein."
„Ich fasse es nicht. Du hast mich angelogen!"
„Nein."
„Warum zur Hölle lügst du mich..."
Seufzend legte ich meine Lippen auf ihre, um ihr sinnloses Gerede zu unterbrechen. Augenblicklich erwiderte sie den Kuss, und dies mit einer Leidenschaft, die mich beinahe überraschte.
Beinahe.
„Wir sollten deine neuen Sachen testen, findest du nicht?", fragte ich etwas atemlos und nicht wenig erregt, nachdem ich mich von ihr gelöst hatte.
„Du meinst die Jogginghose? Oh, cool, was sehen wir uns denn an?" Jess funkelte mich spitzbübisch an, bevor sie meinen Armen entschlüpfte und zurück ins Foyer flitzte.
„Ich will erst den Whirlpool finden!"
„Das kannst du auch in Unterwäsche!", rief ich ihr hinterher, doch meine geliebte Nervensäge war bereits über die Treppe nach oben verschwunden. Seufzend schnappte ich mir die gefühlt tausend Taschen, die direkt hinter der Tür standen, und verfluchte die Ausbuchtung in meiner Hose, die ich dem verdammten Kuss zu verdanken hatte. Wäre Jess ein wenig mehr wie Leah, dann läge sie bereits nackt in dem vermaledeiten Whirlpool, und ich könnte meinem Problem Abhilfe schaffen. Dummerweise musste ich mich gerade in die Sorte Frau verlieben, die einen eigenen Kopf hatte. Und Jess hatte zu hundertundzehn Prozent einen eigenen Kopf.Ich entdeckte ihren niedlichen Hintern im Türrahmen zu einem der Schlafzimmer, das, das ich für uns auserwählt hatte. Vorsichtig schob ich mich an ihr vorbei, legte die Einkaufstüten auf die fliederfarbene Decke des Ebenholzbettes, drehte mich zu dem Mädchen um, das mit wirren Haaren und heruntergerutschtem Pulli an der Tür stand.
Innerhalb von zwei Schritten war ich bei ihr und küsste sie so heftig, dass selbst mir Hören und Sehen verging. Vage und mit außerordentlicher Genugtuung spürte ich, wie Jess sich immer mehr in meine Arme fallen ließ, so als könnten ihre Beine sie nicht mehr tragen, weil ein ziemlich heißer Typ gerade dabei war, ihr das Hirn aus dem Schädel zu küssen.
Nur, dass der Kuss auch auf mich Wirkung zeigte.
„Ich will den Whirlpool noch finden", hauchte meine Freundin gegen meine Lippen, nachdem sie ein Stück von mir abgerückt war. Ich senkte meinen Mund erneut auf ihren.
„Scheiß auf den Whirlpool."
„Nein, ich will ihn finden", murmelte sie zwischen zwei Küssen, und schließlich gab ich auf.
„Gegenüberliegende Seite, zweite Tür."
Noch einmal legte ich meine Lippen auf ihre, sanft nur.
Sie starrte mich bitterböse an.
„Du hast es verraten."
„Ja, habe ich."
„Warum? Ich wollte es von alleine finden! Von alleine, Marcus! Allein!" Schimpfend machte sie auf dem Absatz kehrt, stapfte auf die von mir beschriebene Tür zu und riss sie auf.
Ihre Wut verpuffte sofort.
„Oh, da ist ja wirklich ein Whirlpool!" Mit einem breiten Lächeln, das mich an ein niedliches Kind denken lies, das gerade Schokolade bekommen hatte, drehte sie sich um. Man könnte fast annehmen, sie hätte noch nie einen Whirlpool gesehen.
„Können wir reingehen?"
„Unter einer Bedingung", sagte ich, noch immer im Türrahmen des Schlafzimmers.
„Die wäre?"
Mit einer ziemlich eindeutigen Bewegung bedeutete ich ihr, mir zu folgen, und verschwand in dem Inneren des Zimmers, wo ich in einer der Taschen kramte.
„Du benutzt das als Bikini." Ich warf ihr einen so gut wie durchsichtigen BH mit weißer Spitze und das dazu passende Höschen zu.
„Echt jetzt?"
„Echt jetzt."
Mit Genugtuung sah ich zu, wie sie sich quälend langsam auszog, bis sie nichts außer der schlichten schwarzen Unterwäsche, die sie heute Morgen angezogen hatte, anhatte.
Und genau da klingelte mein Handy, als wären wir in einem Hollywoodfilm. Und genau wie in einem dieser verdammten Filmen war es Leah, die anrief. Meine Frau. Die ich gerade betrog. Ohne Hintergedanken.
„Leah, Liebes, Hi!", meldete ich mich, verdrehte jedoch genervt die Augen.
Jess lachte lautlos auf.
„Ich wollte nur mal fragen, wo du bist. Zuhause schon mal nicht." In der Stimme meiner (momentan noch) Ehefrau schwang ein leiser Vorwurf mit, der mir nicht gefiel. Ich war ein eigenständiger Mensch und konnte unabhängig von ihr mein Leben auskosten, das hatte sie rein gar nichts anzugehen.
„Ja, ich wollte es dir eigentlich noch sagen." Nein, wollte ich nicht. „Ich bin in dem Häuschen bei dem Wald, ein bisschen entspannen."
Bei dem Wort ‚Häuschen' verdrehte Jessica die Augen und legte den Kopf schief, fuhr aber dennoch damit fort, die Unterwäsche loszuwerden.
In diesem Moment wollte ich sie so sehr, dass es beinahe schmerzte.
„Ach so, na dann. Brauchst du noch irgendwas?"
Mit einem Blick auf meine Freundin schüttelte ich den Kopf. Nein, nein, ich brauchte nichts.
„Nein, danke, ich habe bereits alles, was ich will", antwortete ich meiner Frau und sah dabei das Mädchen mir gegenüber so intensiv an, dass es rot wurde.
„Okay, wie du meinst. Ich wünsche dir viel Spaß!" Mit diesen Worten legte Leah auf.

-

Leas Werk, I suppose. 

Viel Spaß damit. ;3

Mel xxx

Break The RulesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt