Kapitel 52 - Verwüstung

5K 429 21
                                    

»Danke, dass du mich mit nimmst«, bedankt sich Kim, während sie die Beifahrertür schloss. »Kein Problem, ist ja kein Umweg.« Ich machte eine wegwerfende Handbewegung und fuhr langsam von ihrem Hof runter.

Letzte Nacht konnte ich nicht wirklich gut schlafen – ein Beweis dafür, dass mein Kopf viel zu voll war. Es waren zu viele Probleme auf einmal, sodass ich Ewigkeiten gebraucht hatte, um endlich einzuschlafen. Aber selbst danach wachte ich immer wieder mal mitten in der Nacht auf. Zwischen Aufwachen und wieder Einschlafen hatte ich viel zu viel Zeit, um nachzudenken, wo ich dann zu der Frage kam, wie Hazel wohl aussieht und ob sie noch immer so war wie damals – oder so, wie alle von ihr erzählt hatten.

»Sag mal, geht es dir gut? Du hast riesige Augenringe unter den Augen«, bemerkte das Mädchen neben mir und musterte mich.

Verdammt, ich hätte mir vielleicht mehr Mühe beim Abdecken geben sollen.

»Ja, alles gut. Ich hab nur schlecht geschlafen.« Die Hälfte von der Aussage stimmte sogar. Ob wirklich alles gut war, war fraglich.

Ich wusste noch immer nicht, ob Lydia ihre Klappe halten würde oder ob sie trotzdem zu Jason lief und Petze spielte. Konnte genauso gut sein, dass sie mir nicht glaubte, dass Harry die Probleme bekommen würde, nicht ich. Obwohl ich eigentlich selbst nicht wusste, was stimmte.

Kim seufzte neben mir laut auf. »Es ist merkwürdig«, murmelte sie leise und sah aus dem Fenster. Ich runzelte die Stirn und warf einen kurzen Blick auf sie, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder der Straße widmete. »Was?«

»Na, dass Hazel heute wieder da ist. Ich bin es gewohnt, dass sie nicht mehr da ist. Und jetzt ist sie einfach wieder auf der selben Schule.« Ich wollte jetzt echt nicht über Hazel reden – sie war schon oft genug in meinen Gedanken, obwohl ich sie nicht einmal kannte.

»Sag mal, hast du zufällig gesehen, ob Amy wieder mit ihren Freunden abhängt?«, wechselte ich also das Thema und bog auf den Schulparkplatz. »Ja, mit dem Tennisclub, oder was auch immer das da ist. Wieso fragst du?«

»Ach, nur so«, winkte ich ab und schaltete den Motor aus, als ich einen Platz fand.

Ich wollte nicht unbedingt zugeben, dass ich mir ein wenig Sorgen gemacht hatte. Es hätte sein können, dass ihre Freunde sie nach der Sache nicht mehr als Freundin gesehen hätten. Aber es schien, als hätte sie in diesem Club richtige Freunde gefunden, die nicht so sind.

Lydia wäre so gewesen.

»Robin, kommst du?« Kims Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich aufschrecken. Sie war schon ausgestiegen und sah ins Innere des Wagens. »Ja..«, murmelte ich leise und schnallte mich ab.

Sie wartete auf mich, während ich ausstieg und meine Tasche nahm. »Wir können jetzt – « Ich stoppte, als ich sah, wie Kim mit gerunzelter Stirn in eine Richtung blickte und mich nicht beachte. »Kim?«

»Lass uns nachsehen, was da los ist«, sagte sie nur und setzte sich in Bewegung. Verwirrt folgte ich ihrem Blick und folgte ihr sofort, als ich den Streifenwagen vor dem Haupteingang erblickte.

Was zur..?

Viele Schüler standen auf dem Hof verteilt und schienen genauso wenig zu wissen, was los war. Kim fragte eine Schülerin neben uns, ob sie wisse, was hier los war, doch sie verneinte. Währenddessen beobachtete ich, wie der Direktor mit einer Beamtin sprach und wild mit den Armen spekulierte. Was war passiert?

»Darf man ins Gebäude rein?«, fragte ich das Mädchen neben Kim. »Ja, irgendwie müssen wir ja in den Unterricht kommen.« Als würde sie ihre Aussage damit bekräftigen, nickte sie mehrmals.

Ich antwortete nichts mehr drauf, sondern ging Richtung Schulgebäude. »Robin, warte!«, rief Kim mir hinterher und erschien im nächsten Moment neben mir. »Ich komme mit.«

Unauffällig folgten wir einen zweiten Beamten, der durch die Flure ging. »Interessant, wie der Tag schon anfängt. Hazel ist zurück und die Polizei kommt an.« Ich lachte auf, obwohl ich gerade gar kein Verlangen dazu hatte. Aber es stimmte einfach.

Wir näherten uns dem Büro des Rektors und das altbekannte schlechte Gefühl in meinem Bauch machte sich breiter als vorher.

Vor dem Büro standen ebenfalls mehrere gaffende Schüler, die in den Raum rein sahen und miteinander tuschelten. Der Beamte schlüpfte unter das gelbe Absperrband und betrat den Raum und verschwand somit aus meinem Blickfeld. Ich stellte mir so hin, dass ich in das Büro gucken konnte, ohne zu nah dran zu stehen, dass es auffallen würde.

»Scheiße«, murmelte Kim leise neben mir. Sie hatte ebenfalls freien Blick auf das Büro des Rektors.

Oder von dem, was übrig war.

Jemand schien das Büro komplett verwüstet zu haben und hatte eindeutig Spaß dabei gehabt. Papiere und Bilderrahmen, die vorher wohl an der Wand gehängt haben müssten, lagen auf dem Boden verteilt herum, das Leder des großen Lederstuhls wurde zerstört und mit roter Sprühfarbe die Wand mit verschiedenen Wörtern und Bildern ›verziert‹. Allerdings stand noch ein Satz an der Wand, den ich aber leider nicht ganz lesen konnte.

Als ich von weitem die laute Stimme des Rektors hören konnte, drehte ich mein Kopf in die Richtung. »Das ist unerhört! Einbruch und Sachbeschädigung an meiner Schule! Ich will, dass man den Schuldigen erwischt!« Er sprach auf die Beamtin ein und spekulierte dabei weiter mit seinen Händen. Sein Gesicht war rot vor Wut und wenn ich sein Büro ansah, konnte ich verstehen, wieso.

Aber es war nicht Jason... Na ja. Glaubte ich zumindest.

Damals hatte er mir im Café etwas anderes erzählt, als er mir verriet, was er tun würde, wenn ich mich nicht an den Deal halten würde. Allerdings konnte es auch genau so gut sein, dass er mich verarscht hatte. Wäre nicht einmal unwahrscheinlich.

Es klingelte zur ersten Stunde, aber keiner der Schüler rührte sich, sondern gaffte weiter. Auch Kim und ich. Der Rektor bemerkte es und wurde noch röter im Gesicht – und somit wütender. »Habt ihr keinen Unterricht?! Ab in eure Klassen!« Es dauerte einen Moment, bis die ersten Schüler sich in Bewegung setzten. Ich blieb aber an Ort und Stelle stehen, sah weiter das verwüstete Büro an. »Robin, komm. Sonst wird der alte wütend.« Kim zog mich an meinem Arm mit und ich folgte nur widerwillig. Ich blickte nochmal zurück zum Büro, wobei etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Oder eher jemand.

Unsere Blicke trafen sich und ein Mundwinkel von ihr hob sich kaum merklich, bis sie sich umdrehte und ging. Dabei ließ sie – wie immer eigentlich – die Haare fliegen.

Mein Magen verkrampfte sich. Hatte sie...?

»Robin!«, riss Kim mich nun schon zum dritten Mal aus meinen Gedanken. »Sorry«, murmelte ich und begann selbst schneller zu gehen.

Wie hatte sie das nur geschafft..?


*

Ich bin so stolz auf mich selbst: Seit langem wieder zwei Kapitel in zwei Tagen. xD

x

COLORS » Harry Styles | #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt