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Es ging eine Weile bis Kaylin merkte, was hier gespielt wurde. Hinter dem Pfarrer stand Fíli, der den vor Angst zitternden Mann mit einer Waffe bedrohte und ihm einen Zettel hinhielt. Kaylins ganzer Gefühlshaushalt schwappte über, die negativen Gefühle wurden von Freude und Überraschung abgelöst. Es war ein wenig Beherrschung erforderlich, dem Piraten nicht um den Hals zu fallen. 

"Ihr schon wieder. Verhaftet ihn!", schrie Beckett wutentbrannt. 

"Seid Ihr sicher? Und tut nicht so überrascht, Ihr habt sicherlich geahnt, dass ich dahinterstecke. Wortwörtlich", sagte Fíli, stiess den Pfarrer weg, der sogleich das Weite suchte und packte stattdessen Beckett. Die Pistole wurde an seine Schläfe gedrückt. "Niemand macht einen weiteren Schritt, oder man kann von aussen her bestens erkennen, dass unser guter Cutler hier nichts im Kopf hat" Die Soldaten erstarrten, bloss Mercer versuchte nach vorne zu gelangen. "Mercer, ich dachte Euer Vorname wäre Ian und nicht niemand. Ich sagte, niemand macht einen weiteren Schritt." 

"Ihr traut Euch ohnehin nicht, zu schiessen" Fíli beugte sich etwas weiter zu Beckett hinunter.

"Wetten doch? Aber nur weil ich viele Gründe dafür habe. Wegen Euch verlor ich meine Familie. Beinah hättet Ihr mich getötet, ohne dass ich Euch etwas antat. Euer Gehilfe war nicht besonders nett zu mir, genauso wenig wie Ihr. Ihr beleidigt mich jedes Mal, wenn wir uns sehen. Und Ihr habt diejenige geschlagen die ich liebe." Der Pirat richtete sich wieder auf. "Was die Anwesenden hier angeht, ich erleichtere Euch um Schmuck und Wertgegenstände. Nur da fällt mir ein, ich kann ich nicht weg, da ich den Lord bedrohen muss... Milady, wenn Ihr so freundlich wärt, die Runde zu machen?" Kaylin deutete eine Verneigung an. 

"Wie Ihr wünscht, Sir. Auch wenn es mir gleichgültig wäre, wenn Ihr schiesst." 

"Ihr habt es gehört, bitte gebt alle Euren Schmuck und das Geld der Lady." Leichtfüssig sprang Kaylin vom Podest, auf welchem sie und Beckett standen. Bereitwillig gaben die Gäste ihre Wertgegenstände her, offenbar waren sie in Panik. Wahrscheinlich war sie momentan die Einzige, die nicht verängstigt sondern erfreut war. Als sie dachte, dass alle etwas gegeben hatten, ging sie wieder zurück zu Fíli und Beckett. "Es tut mir leid Euch bereits wieder verlassen zu müssen, aber ich muss weiter. Beckett, da Ihr keine Wertgegenstände an Euch tragt, sehe ich mich gezwungen Eure Braut mitzunehmen." Von unten empörte sich Mercer:

"Allen Schmuck und die Braut. Darf's vielleicht sonst noch was sein?" Der Pirat grinste schief.

"Ja, ein Stück Kuchen wäre nett. Oder besser, ich nehm' gleich den ganzen"

"Wir haben keinen Kuchen", gestand einer der Uniformierten in einer hinteren Reihe. 

"Kein Kuchen? Was ist das denn für eine Hochzeit? Nur gut, dass ich hier wegkomme. Miss, Ihr müsst mich wohl oder übel begleiten" Beinah hätte Kaylin über das ganze Gesicht gestrahlt und bemühte sich um eine neutrale Miene. Bis sie am Ende des Platzes angekommen waren, hielt Fíli den Bräutigam immer noch fest und hatte das Schiesseisen auf ihn gerichtet. Mit Kaylin im Schlepptau wollte er nicht wieder über die Mauer springen, wie er es das letzte Mal tat, stattdessen plante er durch die Stadt zu entfliehen. Als er das offene Tor der Festung Fort Charles erreichte, gab er einen letzten Befehl durch. "Alle legen sich bäuchlings auf den Boden, Hände hinter den Kopf und nicht bewegen." Er wartete eine Weile, bis alle in der Position waren. "Das Tor!", rief er an Kaylin gewandt, welche den Wink verstand und die Mechanik um das Falltor zu schliessen in Gang setzte. Bevor das Tor die Mitte erreicht hatte, schubste Fíli Beckett ins Innere des Hofes und feuerte einen Schuss in die Luft ab. "Keiner rührt sich!" Im nächsten Moment packte er Kaylins Hand und sah zu, dass sie so schnell wie möglich nicht mehr in Schussreichweite waren. Nur zu kurz darauf hörte Kaylin Beckett einen Befehl bellen, man solle doch schiessen und sie verfolgen. Fast hatten die beiden den halben Weg zum Hafen hinter sich, als sie ein paar Uniformierte ausmachen konnten, die mit grosser Wahrscheinlichkeit nach ihnen Ausschau hielten. Ehe sie gesehen wurden, zog Fíli Kaylin hinter eine Ecke. "So fallen wir zu stark auf. Besonders Ihr." Er nahm seinen Kapuzenumhang und hing ihn um die Schultern der Frau. "Zieht die Kapuze über, vielleicht kommen wir so durch." Sie setzten den Weg wieder fort, doch es kam, wie es kommen musste und die Wachen bemerkten sie. 

Descendants of the SeaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt