Montag, ihr erster Schultag. Der Unterricht begann um 8.30h, ganz anders als in normalen Schulen.
In den ersten beiden Stunden hatte sie Geschichte. An dieser Schule gab es zwei Geschichtskurse, der erste beschäftigte sich mit dem 19,20 und 21 Jahrhundert, der zweite mit den Jahrhunderten zuvor. Sie hatte sich für den zweiten Geschichtskurs entschieden, bei einem Herrn Coco.
Danach hatte sie zwei Stunden Religion.
Sie hätte auch Philosophie nehmen können, aber sie fand das Fach ätzend und außerdem hatte sie nie Religionsunterricht gehabt. Sie war neugierig, was man dort alles lernen konnte. Sie war nicht getauft und noch nie mit der Religionslehre in Kontakt gekommen. Sie wusste, es gab mehrere Religionen und manche besaßen Bücher aus denen man predigte. Inwiefern diese Bücher der Menschheit helfen sollte, wusste sie nicht. Sie hatte von verschiedenen Gläubigen gehört, dass die Bibel, der Koran und die Tora die einzigen richtigen Glaubensrichtungen wären. Wie weit diese Bücher, in der Not helfen sollte, war allerdings ein Rätsel.
Die 5. Stunde war Englisch und die letzte Stunde Kunst.
Sie liebte die Kunst. Man konnte mit einem einzigen Pinselstrich alles ausdrücken. Ihre eigenen künstlerischen Fähigkeiten waren allerdings beschränkt. Einmal hatte sie einen Delfin gemalt, der allerdings aussah wie ein Nilpferd ohne Beine.
Der Unterricht begann jeden Tag um 8:30 und ging bis 14:15, außer mittwochs. Mittwochs hatte sie Sport oder Schwimmen. Die Sportkurse wechselten alle 3 Wochen, wie in der Grundschule.
Mit der Schultasche, einem Raumplan und einem Kaffee to go aus dem Speisesaal, schlenderte sie durch die Schulgänge.
Das Gebäude war alt. Die Flure waren lang, die Decken hoch und überall roch es nach Minze. Jede 3 Meter gab es eine neue Tür. Sie lief an dem Kunstraum vorbei, an dem Musikraum, an dem Religionsraum. Nirgends war der Geschichtsraum beschildert. Verwirrt sah Vera auf den Plan. Geschichtsraum- O.44.
Vera blieb stehen und sah sich um, an den Türen klebte der Buchstabe M. U, M, O?
Was soll der Scheiß denn?
''Kann ich dir helfen?'' ein Mädchen, ca. 15 Jahre alt, stand vor ihr. ''Ähm... Ja, könntest du mit sagen wo ich O.44 finde?'' das Mädchen nickte und erklärte: ''U steht für Untergeschoss, M für Mittelgeschoss und O für Obergeschoss. Wir sind jetzt hier.'' Sie zeigte mit einem Finger auf den Religionsraum. ''Du musst hier hin, also genau eine Etage höher.'' Sie zeigte auf den Geschichtsraum. ''Ok, danke.''
Als sie endlich vor dem Raum stand, saß der Lehrer schon am Pult. Verzweifelt sah sie auf die Uhr, es war 8:28h. Behutsam klopfte sie am Rahmen und der Lehrer sah auf. ''Guten Morgen, ich bin Vera Proi. Sind sie Herr Coco?'' Herr Coco nickte und kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu. Er war ziemlich klein und dick. Seine Haar, das dringend geschnitten werden müsste, hing ihm in fettigen Strähnen ins Gesicht.
''Guten Morgen. Ich bin der Geschichtslehrer Coco.'' Herr Coco hatte ein freundliches und einladendes Lächeln, auch wenn der Rest an ihm nicht wirklich einladend war. Sein Bauch wurde von dem weiß-grünen Hemd stark betont und sein Hosenknopf schien sich jeden Moment zu verabschieden. ''Komm herein. Wir warten noch ein paar Minuten, dann müsste der Rest der Klasse auch eintrudeln.''
In dem Raum saßen drei Schüler, die tief über der Schullektüre gebeugt waren. Streber. Na toll.
Schweigend setzte sie sich an die linke Seite des Raumes. Der Raum war groß und man hatte einen Zeitstrahl auf die Wand gemalt, der jedes Jahrhundert und seine wichtigsten Ereignisse zeigte. Die Tische waren als klassische Lehrerzentrierung angeordnet. Die Schülertische waren in Reihen angeordnet, sodass man kaum die Möglichkeit hatte zu quatschen.
Plötzlich stand Lea vor ihr ''Ich wusste gar nicht, dass du den Kurs gewählt hast.''
''Die anderen Zeitalter hatte ich auf der alten Schule'', erklärte Vera. Lea deutete auf den leeren Stuhl neben Vera. ''Setz dich, der ist frei.''
''Guten Morgen, meine Lieben. Bevor wir anfangen, möchte ich euch die neue Schülerin vorstellen. Vera Proi.'' Herr Coco wies Vera an aufzustehen. Sie hasste es, wenn jeder sie anstarrte, nur weil sie die Neue war. Angespannt richtete sie sich auf und knetete nervös ihre Finger. ''Erzähl etwas von dir'' rief ein Junge aus der rechten Ecke. ''Ich bin Vera, 18 Jahre alt und komme aus Glinde.'' Ihr Blick wanderte über die Schüler, versuchte ein bekanntes Gesicht zu finden und sah Pia und Kevin. Sie saßen in der Mitte des Raumes. Pia winkte zaghaft. Gekonnt ignorierte sie Kevins Grinsen und setzte sich wieder.
''So, dann schlagt bitte die Seite 4 auf und wir fangen an.'' Man hörte das Geraschel von losen Blättern, die in den Taschen waren und das Blättern in Büchern. Hin und wieder ertönte ein genervtes Stöhnen, als sie das Thema der heutigen Stunde sahen. Sie schlug die vierte Seite auf. Französische Revolution 1789-1799. Das Thema war ihr nicht unbekannt. Damals in der 9ten Klasse musste sie ein Referat über das Thema halten.
''Kev guckt dich schon die ganze Zeit an'' flüsterte Lea. Vorsichtig lugte sie nach oben und sah Kevin, der sie beobachtete. ''Ich sehs.'' ''Warum reagierst du dann nicht?'' Vera sah zu Lea, die sich auf ihrem Stuhl zurück lehnte und sie neugierig musterte. Vera nahm ein Blatt und schrieb:
-Ich weiß nicht. Irgendwie benimmt er sich komisch, als wäre ich sein Eigentum. Das geht hier ziemlich schnell. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll und Aaron ist auch nicht viel besser.- Sie schob das Blatt zu Lea, die es las und zurück schrieb.
-Aber was hat Aaron dir getan?- Der Brief ging zu Vera zurück.
-In einem Moment ist er echt nett, dann wieder so zurückhaltend und unnahbar. Er verhält sich auch nicht grade normal.- Und trotzdem geht er mir nicht aus dem Kopf. Lea sah sie an und zog beide Augenbrauen hoch, sie hatte mit gelesen.
-Aber du magst ihn? Außerdem habe ich gehört, dass ihr eine Verbindung teilt.-
Vera holte tief Luft. War es so offensichtlich? Man konnte doch nicht sehen, wie dieses unnatürliche Band existierte, oder doch? Ja, ich mag Aaron, aber irgendwas verschweigt er.
Will nicht drüber reden. kritzelte sie auf das Blatt und reichte es Lea, sie nickte. Den Rest der Stunde versuchte sie zuzuhören, aber sie konnte sich nicht konzentrieren.
Die Schulklingel ertönte. Vera packte ihre Materialien ein. Lea wartete an der Tür und Vera wollte gerade zu ihr, als Kevin vor ihr auftauchte.
''Hey, du hast mich nicht gegrüßt. Ist zwischen uns alles gut?'' Kevin lehnte lässig an ihrem Tisch. Er trug Jeans und ein weißes Shirt, dass seine Oberarmmuskel betonte.
Vera schulterte ihren Rucksack. ''Ich hab das Gefühl du gehst mir aus dem Weg, Vera.'' Nervös strich er sich die Haare nach hinten. Seine Ozean blauen Augen durchbohrten sie. ''Um ehrlich zu sein.. Ich will im Moment nichts mit dir zu tun haben'', sie wollte an ihm vorbei, doch er baute sich vor ihr auf, als wäre er eine Mauer ''was ist los?'' ''Nichts. Lass mich bitte durch, Kevin.'' Er machte den Weg frei und sie stürmte aus dem Raum, gefolgt von Lea.
''Wow. Knall hart die Braut'', witzelte Lea, doch Vera zuckte nur die Achseln.
Auf dem Hof gesellten sich Luise und Nina zu ihnen. Sie setzten sich auf eine Bank und genossen die 15 minütige Pause.
''Ey, ihr hättet sehen müssen, wie Vera Kevin abserviert hat. Das war der Hammer!'' Lea war vollkommen aus dem Häuschen und berichtete, wie Vera Kevin behandelt hatte. ''Ich hab ihn nicht abserviert. Ich wollte nur nicht mit ihm reden'', mischte Vera sich schließlich ein. ''Mag sein, aber Kevin sah aus, als hättest du seinen Heiratsantrag abgelehnt.'' ''Das hätte ich echt gern gesehen'', verschmitzt grinste Luise. ''So schlimm war es nicht. Wie oft denn noch'', genervt bis sie in ihr Butterbrot.
Sie spürte das bekannte Kribbeln auf ihrer Haut. Aaron war hier irgendwo. Suchend sah sie sich um.
''Vera? Können wir kurz reden?'' Vor Schreck zuckte sie zusammen und verschluckte sich an einem Brotkrümmel. Hustend wand sie sich um und sah ihn. Aaron stand hinter ihr. Ihr Herz machte einen Satz und die gewohnte Wärme breitete sich in ihr aus. ''Allein?'' fragte er. Hilfesuchend sah sie zu Luise, die nur eine Handbewegung machte, die sagen sollte: Vera geh zu ihm.
''Was ist denn los?''
''Lass uns kurz weg gehen'', er führte sie zu einer großen Eiche.
''Ich hab gehört, du willst dich von mir fernhalten?'' Vera verdrehte die Augen. Wer ist die Petze?! Nur Luise und Pia wussten von ihren Plänen. ''Wer hat das gesagt?'' wollte sie wissen, doch er schüttelte den Kopf. ''Das ist egal. Stimmt es?'' Nein! Ich will nur bei dir sein! Schrie eine Stimme in ihr, krampfhaft unterdrückte sie diese nervige Stimme. Sie sah weg ''Ja.'' ''Ich glaub dir nicht.'' Nervös knetete sie ihre Finger, sah an ihm vorbei und versuchte ihm nicht in die Augen zu sehen, sonst wäre ihre Selbstbeherrschung am Ende. Sie würde sich in seine Arme werfen und 'nein' sagen.
''Sieh mich an'', er hob ihr Kinn an und sie musste ihm in die Augen sehen. ''Und jetzt sag mir, dass du nichts mit mir zu tun haben willst.'' Vera hatte das Gefühl sich in seinen Augen zu verlieren. Sie waren schwarz und funkelten, wie Onyx. Sie wollte ihm sagen, dass sie seine Nähe nicht wollte, doch sie konnte nicht. Die Worte wollten nicht über ihre Lippen. Es wäre eine Lüge.
''Du kannst es nicht, oder?'' Hoffnung flammte in seinen Augen auf. Aaron hatte Recht, sie konnte ihm nicht sagen was sie wollte. Sie wusste es selber nicht. ''Aaron..'' setzte sie an ''bitte nicht.'' Tränen schossen ihr in die Augen und sie wich vor ihm zurück. Er ließ die Hand sinken und steckte sie in die Hosentasche. Heftig blinzelnd sah sie weg. Sie räusperte sich ''lass mir Zeit.'' Er wollte ihr über die Wange streichen, ließ die Hand jedoch sinken. ''Ich lass dir die Zeit, aber stoß mich nicht weg.'' In seiner Stimme schwang Trauer und Verletzlichkeit mit. ''Ok'' stammelte sie.
Die Schulklingel ertönte. Die Pause war vorbei.
''Was ist los?'' fragte Luise, als Vera zurück war. ''Jetzt nicht.'' Verständnisvoll nickte Luise, nahm sie in den Arm und strich ihr übers Haar. ''Lass uns zu Reli gehen'' Luise bot ihr ihren Arm an und Vera hakte sich unter.
Herr Futz war ein typischer Religionslehrer. Dicke Hornbrille, kleine rundliche braune Augen, graue Haare und mitten auf dem Kopf eine kahle Stelle. Er war groß, schlaksig und in schwarz gekleidet.
Als das Gemurmel verstummte, begrüßte er jeden einzelnen mit einem Lächeln. ''Guten Morgen'' murmelten die Schüler. ''Heute beschäftigen wir uns mit dem Engelsstreit. Es wird um Himmel und Hölle gehen'' erklärte er.
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Vom Engel geküsst
ParanormalVera, 18Jahre alt, muss das Shadow and Light Internat besuchen. Verschlossen, wie sie ist, freundet sie sich nur langsam mit anderen an. Als sie dann 6Jugendlichen begegnet ist die Katastrophe schon im vollem Gang. Eigenartige Dinge geschehen. Träu...