"Schau mich an." Hörte ich Lincoln sagen. Ich drehte mich um und erschrak ein bisschen. Seine Augen leuchteten genau wie bei Caydon zuvor und er hatte auch Flügel, die aus seinem nackten Rücken kamen.
"Das ist..." Ich fand keine Worte dafür. Ich ging zu ihm hin und ganz langsam berührte ich die Flügel. Die Federn waren weich. Und es war echt.
"Wie ein kleines Kind." Ich konnte Tasyas Augen Verdrehen förmlich hören.
Auf einmal lösten sich die Flügel unter meiner Berührung langsam in Luft auf. Doch auf Lincolns Rücken konnte man keine einzige Spur davon erkennen.
"Es ist echt. Und es ist ein Geheimnis, das du unter keinen Umständen weiter erzählen darfst." Sagte Lincoln zu mir, als er sich so gedreht hatte, dass er mich ansehen konnte. Für einen Moment war ich kurz abwesend. Vor mir stand mein halb-nackter Mathelehrer. Und er sah auch noch gut aus.
"Ich...werds niemandem sagen. Es würde mir sowieso niemand glauben." Sagte ich schließlich. Lincoln nahm sein T-Shirt vom Sofa und zog es sich wieder über. Auch Caydon hatte sich inzwischen wieder was angezogen.
"Aber...ich versteh das nicht ganz. Wie könnt ihr...Engel sein und vor allem, müsstet ihr nicht im...Himmel sein?" Fragte ich. Ich hätte niemals gedacht, dass ich sowas mal in meinem im Leben jemand fragen würde.
"Wir leben normalerweise auch im Himmel. Allerdings sind die ganzen Dinge, die du bisher über Engel geglaubt hast, nicht wahr." Meinte Mr. Houson.
"Das hab ich mir inzwischen auch schon gedacht..." Murmelte ich. "Aber wie können Sie hier sein?"
"Erstens mal, kannst du mich Davin nennen." Er lächelte mich an. "Zweitens: Wenn wir Engel 17 Jahre alt sind, haben wir die Möglichkeit, für zwei Wochen bis ein Monat runter auf die Erde zu gehen." Erklärte er mir. Ich versuchte das alles zu verarbeiten.
"Also sowas wie die Rumspringa für die Amish?" Fragte ich zögernd. Caydon lachte leise.
"Ja, genau." Davin lächelte. "Und wie die Amish müssen wir uns dann entscheiden, wie wir unser restliches Leben verbringen. Ob wir zurück in Himmel gehen, oder auf der Erde bleiben. Dann aber für immer." Sagte Davin. Ich sah ihn mit großen Augen an und dann zu Lincoln.
"Und ihr habt euch damals dafür entschieden, hier auf der Erde zu bleiben?" Fragte ich die beiden. Lincoln nickte.
"Ja." Sagte Davin. Ich schaute darauf zu Tasya und Caydon.
"Und...ihr seid also grad dabei, rauszufinden, ob ihr hier bleiben wollt, oder zurück in...Himmel geht?" Wollte ich wissen.
Tasya lachte lustlos auf. "Seh ich so aus, als würde ich auch nur einen Tag freiwillig hier runter kommen? Es ist schrecklich hier. Alle so normal und langweilig. Und die Menschen sind die allerschlimmsten."
"Ja, manchmal ist echt ätzend, aber Tasya übertreibt." Meinte Caydon und grinste leicht. Ich war verwirrt.
"Die beiden sind nicht freiwillig hier, um rauszufinden, ob sie vielleicht ein Leben hier unten wollen." Half mir Davon schnell zu verstehen. Ich sah wieder ihn an.
"Wenn man im Himmel...was anstellt, wird man als Strafe auf die Erde geschickt." Erklärte er weiter. Ich runzelte die Stirn. "Wie wenn man zum Beispiel hier ins Gefängnis kommt?"
Davin nickte zustimmend.
"Und warum ist die Erde so eine Strafe?" Fragte ich dann. Ich wusste ja nicht wie es im Himmel war, aber ein so schlimmer Ort schien mir die Erde dann auch wieder nicht zu sein.
"Hab ich doch grad gesagt, die Menschen nerven, es ist einfach langweilig." Meinte Tasya.
"Nicht viele von uns entscheiden sich nach ihrem 17. Lebensjahr auf der Erde zu bleiben, Davin und ich sind eine der wenigen. Der Himmel ist einfach ihr Zuhause, und da ist die Erde für viele wirklich einfach wie ein Gefängnis." Erklärte mir Lincoln.
"Oke." Sagte ich zögernd. Mein Kopf brummte. Das war echt so viel, aber ich wollte trotzdem alles wissen. Jetzt gab es eh kein Zurück mehr.
"Und selbst wenn ihr euch entscheidet, nicht mehr zurück in den Himmel zu gehen," Ich sah Lincoln und Davin an, "dann behaltet ihr trotzdem eure Flügel?"
"Ja, und unsere Kräfte. Das ist einfach ein Teil von uns, es kann nicht einfach entfernt werden. Allerdings benutzen wir sie nie. Zumindest versuchen wir es." Davin warf Caydon einen scharfen Blick zu.
"Was für Kräfte?" Fragte ich verwirrt.
"Kräfte, die uns nicht so langweilig wie euch machen." Mischte sich Tasya ein. Sehr hilfreich.
"Heilung, Unsichtbarkeit, Telepathie und Manipulation des Wetters." Sagte Caydon. Ich sah ihn geschockt an.
"Was?" Fragte er.
"Das ist gruselig!"
Caydon grinste darauf leicht. Er tat so als hätte er mir gesagt was es bei ihm heute Abend zu essen gab, und nicht was für außerirdische Kräfte er hatte.
"Telepathie funktioniert aber nur unter Engeln. Und wir können andere Engel spüren, wenn sie in der Nähe sind." Meinte Davin. Ich erinnerte mich an gestern, wie Lincoln Caydon im Unterricht angesehen hatte. Er hatte wohl gleich gespürt, das er auch ein...Engel war. Gott war das komisch allein nur darüber nachzudenken.
Noch vor ein paar Stunden war mein Leben noch normal gewesen und nun stellte sich heraus, das meine Nachbarn und mein Mathelehrer Engel waren!
"Willst du was trinken?" Fragte Davin mich. Mein Mund fühlte sich tatsächlich trocken an. Ich nickte.
"Ich hol was." Meinte Caydon und verschwand in die Küche. Ich atmete tief durch und strich mir eine Strähne hinters Ohr.
"Warum erzählt ihr mir das überhaupt alles? Ich mein, ich soll es ja niemandem sagen, ihr müsst mir ganz schön vertrauen." Sagte ich.
"Ich vertrau dir nicht." Meinte Tasya. Sie lehnte immer noch an der Wand, spielte an dem Nagellack an ihrem Finger rum. Inzwischen hatte ich gelernt sie zu ignorieren, genau wie es anscheinend auch die anderen taten.
"Caydon und Tasya wohnen für die Zeit, die sie hier bleiben müssen, bei mir, da sie ja als glaubwürdige Menschen rüber kommen müssen." Meinte Davin. "Ich sollte dafür sorgen, dass nichts passiert. Aber nun ist was passiert, was wir nicht mehr rückgängig machen und auch nicht einfach ignorieren können." Fügte er hinzu und etwas Angst stieg in mir hoch.
Caydon kam gerade zurück und gab mir das Glas in die Hand. Ich sah hinein.
"Was ist das?" Ich war hier bei Engeln im Haus, wer wusste schon was die tranken.
Caydon sah mich etwas überrascht an, dann kam er auf einmal näher.
"Wir nennen es...Wasser." Sagte er in einer geheimnisvollen Stimme. Dann grinste er amüsiert.
Das war peinlich. Schnell nahm ich einen großen Schluck und hoffte, dass die anderen es einfach ignorierten.
"Um auf das wichtige zurückzukommen," Meinte Davin und ich sah zu ihm. "wir müssen schnellstmöglich dafür sorgen, das deine Male verschwinden, und dich solange du sie hast nicht aus dem Auge verlieren."
"Was für Male?" Ich sah an mir runter, doch konnte nichts außergewöhnlich erkennen.
"Was bedeuten sie überhaupt?" Fragte Caydon und sah an meinen Hals und Arme. Auch die anderen schauten die Stellen genau an, an denen meine Kleider nicht mein Körper bedeckten.
Es war unangenehm.
"Was für Male? Von was redet ihr?" Fragte ich etwas panisch.
"Als Caydon dir das Leben gerettet hat, hat er gegen ein Gesetzt verstoßen. Engel dürfen nicht so weit in das Leben der Menschen eingreifen." Erklärte mir Lincoln.
"Du bist nun mit Caydon verbunden..." Sagte Davin.
"Was?!" Machten Caydon und ich gleichzeitig erschrocken.
"Du trägst jetzt Male an dir, die aber nur Engel sehen können. Es ist das Zeichen, dass du mit einem verbunden bist." Sagte Davin. Nun verstand ich, warum sie mich so ansahen.
"Und wie lang bleibt das so?" Fragte Tasya, die plötzlich wieder ganz aufmerksam war.
"Das ist immer unterschiedlich. Und deshalb hab ich gesagt wir müssen sie ab sofort im Auge behalten." Davin sah Tasya und dann Caydon an. "Ihr habt auch gar nicht im Unterricht aufgepasst, oder?" Es klang etwas genervt.
Ich blendete aus, dass es im Himmel anscheinend auch eine Schule gab, was völlig verrückt war.
"Warum müsst ihr mich im Auge behalten?" Fragte ich stattdessen. Ich hatte irgendwie kein gutes Gefühl.
"Die Male können für dich gefährlich werden." Meinte Lincoln. Ich hatte es ja geahnt.
"Auf einer Skala von eins bis Australien, von wie gefährlich sprechen wir?" Hakte ich vorsichtig nach. Ich war mir nicht mal sicher ob ich die Antwort hören wollte.
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Angels and Demons (M.)
Fantasy"Ich komm heute Mittag vielleicht kurz nach Hause." Meinte mein Dad. "Okay. Was ist mit Amy?" Ich schlüpfte in meine Chucks, als Dads Freundin die Treppen runter kam. "Ich muss wahrscheinlich durcharbeiten." Antwortete sie für sich selbst. Das war...