Kapitel 4

46 2 1
                                    

Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass Caydon in dem gleichen Mathekurs wie ich war? Und nein, das war keine Aufgabe von Mr. Asher, sondern diese Frage ging mir durch den Kopf, als Caydon plötzlich im Zimmer auftauchte, in dem ich in der sechsten Stunde Mathe hatte, und sich dann direkt hinter mich setzte. Ich versuchte allerdings nicht weiter an ihn zu denken, sondern ging nochmal schnell den Aufschrieb vom Tag zuvor durch, um wenigstens irgendwas zu wissen, wenn Mr. Asher mich was fragte.
Er kam ins Zimmer, wie immer seine Kleidung perfekt aufeinander angestimmt. Die Farben des Gürtels fanden sich in den Socken wieder. Und das war kein Zufall, er lief immer so rum. Die Jungs hielten ihn für schwul, viele Mädchen wurden zu sehr davon abgeschreckt, dass er Mathe unterrichtete. Rose und ich fanden ihn aber ganz süß.
"Hey Leute." Begrüßte er uns wie immer lässig. Er hatte schwarze Haare, einen Dreitagebart und blaugraue Augen, mit denen er den Raum abscannte. Sein Blick blieb etwas länger an jemand hinter mir hängen. Caydon saß dort, erinnerte ich mich wieder. Ich redete mir ein, dass Mr. Asher nur überrascht war, ein neues Gesicht zu sehn, aber eigentlich lag da für einen kurzen Moment noch etwas anderes in seinem Blick. Er schien mit Gedanken kurz ganz woanders zu sein.
Doch dann fokussierte sich sein Blick wieder und er lächelte in die Klasse.
"Alter! Ich sag doch der ist schwul! Hast gesehn wie er grad den neuen angeguckt hat?" Hörte ich Jared Fynn zuzischen. Am liebsten hätte ich die Augen verdreht.

Der Unterricht verlief wie immer. Ich verstand nur die Hälfte und als ich zwei mal aufgerufen wurde, konnte ich einmal gar nicht antworten und das andere Mal lag ich komplett falsch.
Nach Stundenende bitte Mr. Asher mich zu ihm nach vorne.
Ich packte extra langsam meine Sachen ein, damit ich mit ihm vor so wenig anderen Leuten wie möglich reden musste.
"Livya?" Meinte er.
„Ja." Ich ging zu ihm nach vorne, inzwischen waren nur noch drei andere mit im Zimmer.
"Ich hab gemerkt, dass du unser neues Thema noch nicht richtig verstanden hast." Sagte er, seine blaugrauen Augen lagen auf mir.
"Ja...es geht." Meinte ich ausweichend. Nun waren wir fast alleine, nur Caydon bemerkte ich noch, der schräg hinter mir stand. Ich sah zu ihm. Mit seinen Armen vor der Brust verschränkt stand er abwartend da.
"Du weißt, wenn du irgendwelche Fragen hast, kannst du mich jederzeit fragen." Erinnerte mich Mr. Asher und lächelte mich an.
"Ja, danke."
"Hast du irgendwelche Fragen?" Wollte er wissen.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein."
Ich war froh, dass er nicht mit Nachhilfe kam.
"Okay, dann wünsch ich dir noch einen schönen Tag." Meinte Mr. Asher.
"Ihnen auch." Ich schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln und wollte gehn.
Als ich an Caydon vorbei lief, begegneten sich unsere Blicke. Ein Grinsen spielte um seine Lippen. Na super, der neue fand Belustigung an meinem Nichtkönnen von Mathe.
Als ich an der Zimmertüre war, warf ich nochmal einen Blick zurück. Caydon und Mr. Asher standen nun nah beieinander und redeten bereits miteinander, aber so leise, das ich kein Wort verstand. Sie wirkten irgendwie, als kannten sie sich schon länger als eine Stunde. Aber hatte Caydon nicht vorhin erzählt, er sei gestern erst nach Edona gezogen?
Ich war so in Gedanken, dass ich nicht richtig auf den Weg achtete und plötzlich gegen jemand prallte. Meine Tasche fiel zu Boden.
"Oh, sorry!" Sagte jemand. Ich sah hoch und guckte in ein bekanntes Gesicht. Es war Brann, der in meinem Erdkundekurs war.
"War meine Schuld." Meinte ich und hob meine Tasche auf.
"Du bist Liv, oder?" Fragte Brann lächelnd. Um seine Mundwinkel erschienen kleine Grübchen.
"Ja, und du Brann?" Ich lächelte auch und er nickte. Wir hatten bisher noch nie miteinander geredet. Ich hatte ihn immer nur gut von meinem Platz aus sehen können, da er schräg gegenüber vor mir saß. Er hatte braune Haare und schokoladenbraune Augen mit kleinen Sprenkeln darin, die mir erst jetzt auffielen, wo er so nah stand.
"Liv!" Hörte ich plötzlich meine Freundin rufen und ich entdeckte sie ein paar Meter entfernt stehen. Branns Blick folgte mir dorthin.
"Ich muss weiter." Meinte ich zu ihm.
"Ja, klar. Wir sehn uns in Erdkunde morgen." Er schenkte mir nochmal ein Lächeln und ich ging zu Rose.
"War das grad Brann?" Fragte sie mich.
"Ja." Antwortete ich. "Du siehst aus als wär irgendwas...?"
"Ähm ja, da gibts n kleines Problem. Ich hab grad meine Tage bekommen und nichts dabei."
"Wir haben jetzt eh aus." Erinnerte ich sie.
"Ich weiß, aber ich bin nicht mit dem Auto da. Du musst mich mitnehmen." Meinte Rose.
"Was hast du überhaupt dabei?" Ärgerte ich sie und musste ein Lachen unterdrücken. Rose brummte irgendwas unverständliches.
"Können wir gehn?" Fragte sie dann.
"Ja" Ich grinste.

Angels and Demons (M.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt