Kapitel 41

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In Mathe passierte an dem gleichen Tag schon wieder etwas. Ich hörte Lincoln zu, während ich auf meinem Block rumkritzelte, als ich plötzlich sah, wie meine Fingerspitzen sich schwarz verfärbten. Fast bis zur Hälfte der Finger schlängelte es sich hoch. Als hätte ich damit in Ruß gelangt.
Ich unterdrückte ein entsetztes Aufatmen, und schnell tat ich meine Hände unter den Tisch in meinen Schoß. Ich guckte mich unauffällig um, sah auch zu Lincoln. Aber niemand schien es aufgefallen zu sein. Zum Glück.
Nach etwa fünf Minuten schaute ich vorsichtig auf meine Finger. Es war wieder verschwunden, sie waren wieder in ihrer normalen Farbe.
Doch als alle anderen sich gerade auf das Blatt vor ihnen konzentrierten, guckte Lincoln auf einmal zu mir. Mit seinem Blick fragte er mich, ob alles in Ordnung war. Wahrscheinlich war mein Blick immer noch ein bisschen verängstigt von all dem.
Ich nickte ihm zu und versuchte ein Lächeln. Er wusste auch davon, aber ich musste ihn ja nicht hier in der Schule, im Matheunterricht, damit konfrontieren, dass es immer schlimmer wurde.

"Wir müssen reden. Komm in die Bibliothek." Hörte ich Caydon mir leise ins Ohr raunen, als er an mir vorbei aus dem Klassenzimmer lief, als die Mathestunde rum war. Ich hatte nicht einmal Zeit was darauf zu sagen.
Ich packte meine Sachen zusammen und lief dann zu der kleinen Bibliothek im hinteren Teil des Schulhauses.
Auch wenn ich Bücher und lesen über alles liebte, war ich hier nicht oft drin. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich mich nicht auch noch in der Schule verkriechen wollte, sondern die Pausen lieber mit Rose und seit neustem auch mit Aria verbrachte.
Ich schaute mich in der Bibliothek um, in der ich einen Jungen und ein Mädchen entdeckte, die beide in ein Buch vertieft waren.
Ich fragte mich, ob ich Caydon falsch verstanden hatte, und er doch nicht hier drin war, da lief ich in den letzten Gang zwischen den Bücherregalen und fand ihn.
Ich sah ihn heute zum ersten mal richtig. Als er vorhin an mir vorbei zu seinem Platz hinter mir gelaufen war, hatte ich nur kurz aufgeschaut und dann wieder meinen Blick gesenkt. Ich war in letzter Zeit noch viel mehr in Gedanken gewesen als sonst, das war auch Rose aufgefallen, als sie deletzt bei mir gewesen war.
Caydon lehnte an dem Schrank, in der Hand ein dickes Buch, dessen Hinterseite er stirnrunzelnd betrachtete. Als er mich bemerkte, schaute er auf.
Ich musterte sein Gesicht. "Du siehst..."
"Heiß aus. Ich weiß." Zwinkerte er mir zu.
Ich verdrehte die Augen. "Müde, wollte ich eigentlich sagen."
Seine Augen wirkten erschöpft, so wie ich mich selbst fühlte. Ich war wieder gesund, aber seit ich wusste, was mit mir passierte - dass ich zu einem verdammten Dämon wurde - konnte ich nicht mehr gut schlafen.
"Wir müssen reden." Wiederholte jetzt Caydon nur nochmal das, was er mir am Unterrichtende schon gesagt hatte.
"Über was?" Fragte ich. Caydon stellte das Buch zurück, das er zuvor in der Hand gehalten hatte.
"Was gerade mit deinen Händen in Mathe passiert ist." Sagte er.
"Du hast es gesehen?" Wollte ich wissen. Dann hatte es vielleicht doch noch jemand anderes auch gesehen...
"Ja, zum Glück niemand anderes." Meinte er, als könnte er meine Gedanken lesen. "Aber du musst besser damit aufpassen."
Ich runzelte die Stirn. "Ist das dein Ernst? Ich kann das nicht kontrollieren, falls es dir noch nicht aufgefallen ist."
"Doch, kannst du." Widersprach Caydon mir.
"Ach ja? Davon merk ich aber nichts." Sagte ich ein wenig angepisst. Er redete mit mir, als sollte ich das alles wissen.
Caydon hob eine Augenbraue. "Du hast noch nicht gemerkt, dass du es mit deinen Gedanken beeinflussen kannst?"
"Ähm nein. Ich bin nicht so erfahren damit, kommt nicht so oft vor, dass ich zu einem Dämon werd." Sagte ich. Caydon grinste auf einmal.
"Was?" Fragte ich provoziert.
"Nichts." Caydon schüttelte immer noch grinsend den Kopf. "Sorry, ich vergess manchmal, dass du dich mit dem ganzen Zeug nicht so auskennst."
Jetzt war ich überrascht. "Du entschuldigst dich?"
"Machen wir kein so großes Ding draus."
Nun musste ich grinsen.
"Also, du meinst ich kann das mit meinen Gedanken beeinflussen?" Fragte ich dann.
Caydon verschränkte die Arme vor der Brust. Eine typische Geste von ihm, hatte ich inzwischen rausbekommen. Er trug heute ein etwas enger anliegendes Langarm Shirt und ich sah dadurch ein wenig seine Muskeln an den Armen. Schnell sah ich wieder weg.
"Ja, kannst du dich noch dran erinnern, als ich dir erzählt hab, dass wir Engel lernen unsere Kräfte zu kontrollieren?" Meinte Caydon.
Ich nickte. "Ja."
"Das machen auch Dämonen. Sie können sie Anfangs auch nicht so gut kontrollieren und sie sind schwächer, mit ein bisschen Übung ändert sich das aber." Erklärte er.
"Ich will dieses Dämonenzeugs aber eh so schnell wieder loskriegen wie es geht." Entgegnete ich. Davin hatte gemeint, wir würden bald zur Brann können. Ich wusste nicht mal, auf was er eigentlich bestimmtes wartete.
"Aber du musst es wenigstens ein bisschen in Griff bekommen, du musst auf deine Gedanken achten. Wenn sowas passiert, versucht du es zu stoppen. Versuch es damit, fest dran zu denken, dass es wieder verschwindet, okay?
Was wäre passiert, wenn jemand heute deine schwarzen Finger gesehen hätte?" Fragte Caydon.
Ich überlegte. Diese Gedanken waren mir auch schon durch den Kopf geschossen, als ich meine Hände in meinem Schoß versteckt und gehofft hatte, dass niemand mich darauf ansprechen würde.
"Ich hätte gesagt, dass ich Farbe beim Wandstreichen abbekommen hab." Sagte ich schließlich, ein bisschen stolz darauf, dass ich auf so eine gute Idee gekommen war.
Caydons beide Augenbrauen gingen nach oben. "Du hättest den Leuten also erzählt, dass du deine Wände schwarz streichst?"
Ich zuckte unberührt die Schultern. "Kann doch sein."
"Und wenn die Farbe dann plötzlich verschwindet?" Meinte Caydon.
Ich seufzte und gab auf, er musste es an meinem Gesichtsausdruck sehen, denn er grinste.
"Ist doch jetzt auch egal." Brummte ich. "Ich bin echt schon vorsichtig genug, glaub mir."
"Du hast also nicht mehr vor, im Alleingang zu der Scheune zu gehn?" Fragte Caydon.
"Nein." Ich hatte ja selbst eingesehen, dass das viel zu gefährlich war.
"Ich hab nicht vor zu sterben. Und vor allem will ich nicht, dass jemand anderes wegen mir in Gefahr gerät. Nicht mein Dad, Amy und Rose, noch ihr...Engel." Meinte ich und merkte erst in dem Moment, dass ich wirklich auch davor Angst hatte.
Um Caydons Mundwinkel spielte auf einmal ein kleines Lächeln. Er hob die Hand und strich mir eine Strähne hinters Ohr, die mir ins Gesicht gefallen war. Seine Fingerspitzen berührten dabei meine Schläfe, und er nahm seine Hand auch nicht gleich weg, sondern lies sie dort ruhen. Meine Haut fühlte sich fast schon elektrisiert unter seiner Berührung an. Ich sah in seine dunkelgrünen Augen.
"Kannst du damit aufhören?" Meine Stimme war leise, und erst jetzt merkte ich, das ich bis dahin meinen Atem angehalten hatte.
"Dann musst du auch damit aufhören." Meinte Caydon.
"Mit was?" Fragte ich verwirrt.
"Dinge zu sagen, die mich dazu bringen dich küssen zu wollen."
Bei seinen Worten spürte ich plötzlich Schmetterlinge in meinem Bauch. Ich war kurz sprachlos, was Caydon zum lächeln brachte.
Doch ich versuchte mich zusammenzureißen.
"Du kannst diese Spielchen mit jemand anderem spielen. Tasya stellt sich dafür bestimmt zur Verfügung." Sagte ich und brachte ein wenig mehr Abstand zwischen uns.
"Was für Spielchen?" Meinte Caydon.
"Das...was du da sagst, kannst du ja wohl kaum ernst meinen."
"Warum nicht?" Caydon klang ernst, doch ich versuchte mich nicht davon beirren zu lassen. Er war ein Engel, er würde in ein paar Tagen wieder zurück in den Himmel gehen, und ich war ein Menschenmädchen, dass ihm nur Ärger brachte. Ich wollte niemandem zu nah kommen, für den das alles nur ein Spiel war. Und schon von Anfang an, hatte er mich so behandelt.
"Egal." Meinte ich auf seine Frage. Dann fiel mir was ein. "Hast du es eigentlich jemals bereut, dass du mich damals nicht einfach den Abhang runter fallen lassen hast?"
Caydon runzelte dir Stirn. "Wie kommst du auf sowas?" Fragte er.
Ich sagte nichts darauf, sah ihn nur an.
Caydon hielt dem Blick stand. "Ich habs nie bereut. Kein einziges Mal."
Auf einmal gab mein Handy ein Ton von sich, der eine neue Nachricht ankündigte. Caydon unterbrach zuerst den Augenkontakt und schaute zu meinem Handy, das in meiner Hosentasche steckte.
"Da will jemand was von dir." Meinte er und ich holte mein Handy raus. Unter Beobachtung von Caydon, las ich Roses Nachricht: "Wo bist du? Bin in der Cafeteria."
Ich steckte mein Handy wieder ein, Caydon sah mich fragend an.
"Rose, sie fragt wo ich bleib." Erklärte ich.
"Na dann sollten wir jetzt wohl gehn."

42.
Gerade als wir in die Cafeteria liefen, kam Tasya auf einmal zu uns.
"Wir müssen reden." Meinte sie. Als sie sah, dass ich mich auch angesprochen fühlte, schenkte sie mir einen genervten Blick. "Caydon und ich, nicht du. Du kannst abhauen." Fügte sie hinzu.
"Oh, wie nett von dir." Sagte ich zuckersüß und ging dann, um mir was zu Essen zu holen.
Danach setzte ich mich zu Rose, Aria und Tommy an den Tisch.
"Hi, wo warst du?" Erkundigte sich Rose. Ich merkte sofort, was für eine gute Laune sie hatte. Sie grinste von einem Ohr zum andern.
"In der Bibliothek." Sagte ich und erwartete eine Frage darauf, was ich dort gemacht hätte, aber es kam nichts.
Mir fiel auf, dass Aria, die neben Rose saß, auch die ganze Zeit ein Lächeln auf den Lippen hatte. Ohhhh ich ahnte was.
Ich versuchte nicht auch noch zu grinsen und begann zu essen.
Dabei fiel mein Blick auf Caydon und Tasya. Sie standen immer noch beieinander und unterhielten sich. Ich fragte mich echt, warum sie nicht einfach das Beste daraus machte, dass sie jetzt auf der Erde war.
Nein, sie musste ja jeden und besonders mich hassen. Und ich hatte auch aufgehört zu hoffen, dass sie sich vielleicht zumindest ein bisschen ändern würde. Daran war nicht zu denken.
Ich fragte mich, was sie gerade zu Caydon sagte...
"Wen versuchst du da gerade zu Tode zu starren?" Fragte plötzlich Tommy, drehte sich um und folgte meinem Blick. Die anderen machten es ihm nach.
"Ich versuch niemand Tod zu starren!" Sagte ich schnell. Ohman, hatte ich Tasya wirklich so lang angeguckt?
Als Caydon gerade von Tasya weglief und in unsere Richtung kam, drehte sich Tommy wieder zu mir.
"Ist das die, auf die du eifersüchtig bist?" Wollte er wissen. Er erinnerte sich noch daran, wie Caydon deletzt behauptet hatte, ich wäre eifersüchtig auf jemand.
"Nein!" Sagte ich.
"Wer ist auf wen eifersüchtig?" Hakte Caydon nach, als er bei uns am Tisch war und wohl noch Tommys Frage gehört haben musste.
"Niemand." Brummte ich und spieß eine Nudel auf.
"Tommy hat gefragt ob Liv auf Tasya eifersüchtig ist."
Ich funkelte Rose mit einem Blick an, der heißen sollte: Musste das jetzt sein?
"Tasya ist Caydons Cousine." Erklärte Aria Tommy, und Caydon setzte sich zu uns.
"Naja, wer weiß, dass muss Livya ja nicht von Eifersucht abhalten." Meinte Caydon mit einem belustigten Grinsen.
Sie redeten, als wär ich nicht mit am Tisch.
"Ich bin nicht eifersüchtig, okay? Selbst wenn es jetzt seine Cousine ist oder nicht." Stellte ich klar.
Caydon lachte ein bisschen vor sich hin und unterm Tisch stampfte ich ihn auf den Fuß. Als ich seinem Blick begegnete merkte ich aber, dass es ihm kein bisschen weh getan hatte. Zu schade.
"Willst du nichts essen?" Fragte Rose Caydon. Er hatte sich nichts geholt.
"Nein. Ich hab mir heut morgen Pancakes gemacht." Er zwinkerte ihr zu.
„Wow, Ich hätte nicht gedacht, dass Typen sich überhaupt was selbst machen, außer n Fleisch anbraten." Sagte Rose und musste lachen. "Wie haben sie geschmeckt?" Wollte sie wissen.
"Frag Livya." Sagte Caydon.
Ich hielt mit dem essen inne. Schaute dann langsam nach oben, zu den andern.
"Warum Livya?" Fragte Aria und sah genau so verwirrt wie Rose aus. Caydon grinste amüsiert und innerlich verfluchte ich ihn.
"Das ist ne längere Geschichte." Murmelte ich.
"So lang ist sie gar nicht." Bemerkte Caydon und grinste belustigt.
Rose runzelte verwirrt die Stirn und sah mich an. "Du warst heute morgen bei Caydon?"
"Nein." Sagte ich. "Deletzt war er kurz bei mir."
"Und da habt ihr Pancakes gegessen?" So langsam kam Roses Grinsen wieder.
"Nicht nur das." Meinte Caydon und hätte es nicht zweideutiger klingen lassen können.
Auch wenn ich natürlich selbst wusste, dass nichts auf diese Weise passiert war, die Caydon da gerade andeutete, wurde ich rot.
Rose sah mich überrascht an und wackelte dann mit den Augenbrauen.
"Er labert nur mal wieder scheiße." Sagte ich schnell und schenkte Caydon einen wütenden Blick. Dabei fühlten sich meine Wangen aber immer noch warm an. Ich hasste ihn.

"Ich muss dir was sagen." Platzte es aus Rose heraus, sobald sie und ich eine viertel Stunde später allein auf den Weg zu unseren Kursen waren. "Gestern war Aria bei mir und wir haben uns geküsst." Erzählte sie mir mit einem breiten Grinsend.
"Ich wusste es!" Ich musste lächeln. „Ihr seid echt so süß zusammen."
Rose wurde rot, und das wurde sie so gut wie nie.
"Und was ist mit dir? Gibst du endlich zu, dass da was zwischen dir und Caydon ist?" Wechselte sie das Thema. Sie selbst sprach nicht gern über sowas, wenn es dabei um sie selbst ging, aber bei mir konnte sie nicht genug kriegen.
Ich seufzte. "Da gibts nichts zum zugeben."
"Ihr beide seht aus, als hättet ihr die Nacht gemeinsam durchgemacht."
Ich sah sie etwas erschrocken an. "Rose!"
Sie lachte.
"Ich hab keine Ahnung warum er so müde aussieht, aber du weißt, dass es bei mir an den vielen Arbeiten liegt, die ich grad schreib." Sagte ich und wünschte mir, es würde wirklich so sein. Ich wünschte, es würde am Stress der Arbeiten liegen.
"Wenn du meinst." Sie lächelte mir noch einmal zu und verschwand dann in dem Zimmer, in dem sie gleich ihren Kurs hatte.

Angels and Demons (M.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt