Kapitel 37

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Auf einmal klingelte es an der Haustür. Verwirrt öffnete ich die Augen, die ich geschlossen hatte, auch wenn ich nicht einschlafen konnte. Ein wenig genervt schlug ich die Decke über mir weg und stand auf. Langsam lief ich zu Tür, da meine Beine, so wie auch alles andere an mir, schmerzte.
Caydon war es, der mir entgegenblickte, als ich die Tür öffnete.
Ich seufzte nur, er sah etwas überrascht aus, wahrscheinlich über meinen Anblick.
"Was ist mit dir los?" Fragte er.
"Mir gehts gut." Ich wollte einfach nur allein sein. Das alles war grad einfach ein bisschen viel. Was ich gestern in der Scheune gesehen hatte, meine Grippe und dann auch noch der Brief meiner Mom.
"Du siehst aber nicht gut aus." Sagte Caydon.
"Dann hör auf zu schauen."
Das brachte ihn ein bisschen zum lächeln.
"Was willst du hier?" Fragte ich erschöpft.
"Ich hab deinem Dad gesagt, dass ich nach dir seh." Antwortete er zu meiner Überraschung. Dann ging er an mir vorbei ins Wohnzimmer.
Ich schloss die Tür. "Du hast mit meinem Dad gesprochen?"
"Ja. Er kam bei uns vorbei und hat gefragt, ob Davin oder ich vielleicht nachher kurz bei dir vorbeischauen können."
"Und das nimmst du natürlich ganz ernst." Sagte ich.
Doch plötzlich fing der Raum sich an zu drehen und ich setzte mich schnell auf die Couch.
"Du siehst wirklich nicht gut aus..." Meinte Caydon wieder und kam zu mir.
"Ist das die Art wie Engel Komplimente machen?"
Caydon ignorierte es. "Leg dich hin."
"Ich kann sowieso nicht schlafen." Sagte ich, legte mich aber hin und deckte mich wieder zu.
"Trotzdem, das ist besser als wenn du rumstehst und mich versuchst wieder aus dem Haus zu drängen." Meinte er und setzte sich auch auf die Couch. Die Situation war komisch.
"Seit wann kennst du und mein Dad euch denn so gut?" Wollte ich wissen. Mein Dad hatte ja schließlich ihn und Davin gebeten nach mir zu sehen.
"Wir sind uns ein paar mal begegnet." Meinte Caydon.
"Und er mag dich?"
"Das klingt als wär das was ganz Abnormales." Caydon grinste.
Ich schnaubte nur leise. Dann war es still im Raum, Caydon schien es sich auf der Couch bequem gemacht zu haben.
"Du willst jetzt hier einfach hocken, und mich dabei beobachten, wie ich dran lieg?" Fragte ich.
"Über das beobachten bin ich mir noch nicht ganz sicher, das wär wohl ein bisschen unheimlich." Erwiderte er.
"Du solltest nicht mal hier sein." Sagte ich.
"Livya, hör auf so zu tun, als würde es dich wirklich stören."
Ich sah ihn empört an und funkelte ihn dann wütend an. "Bist du eigentlich immer so? Auch im Himmel?"
"Falls du freundlich und fürsorglich meinst, ja." Er grinste mich schräg an. Ich sah ihn nur ungläubig an und seufzte dann.
Während ich mich versuchte einfach weiter auszuruhen, sah ich wie Caydon sein Handy rausholte und daran irgendwas machte.
"Habt ihr das auch im Himmel - Handys?" Fragte ich neugierig.
"Nein." Caydon sah von dem Handy zu mir. "Wir können uns mit Telepathie verständigen, sowas brauchen wir nicht."
"Das heißt...ihr redet auch nie richtig miteinander? Ist es ganz still im Himmel?"
Caydon lachte ein bisschen über meine Vorstellung. Es war ein echtes Lachen und der Klang davon machte etwas mit meinem Bauch, das sich eindeutig besser anfühlte als die Bauchschmerzen, die ich zuvor gehabt hatte.
"Nein, wir reden auch ganz normal miteinander, vor allem weil die Telepathie nur unter zwei Engen gleichzeitig funktioniert." Erklärte er mir. "In der Schule ist es auch verboten. Aber naja, ob sich wirklich viele dran halten ist die andere Frage." Caydon grinste.
"Ihr habt also auch eine Schule? Was lernt ihr da? Die gleichen Dinge wie wir?"
"Einige Fächer sind ziemlich ähnlich, da wir ja auch die Möglichkeit haben auf die Erde zu können, und dann nicht auffallen sollen. Wir werden aber auch in unseren Fähigkeiten unterrichtet. Die sind nicht von Anfang an so stark wie sie mal werden können. Und bei manchen sind sie generell stärker als bei anderen." Erzählte Caydon.
"Wie sind sie bei dir?" Fragte ich.
"Was glaubst du?" Er hob eine Augenbraue und sah mich vielsagend an.
"Natürlich sind deine stark, was hab ich mir nur gedacht." Ich schüttelte über ihn den Kopf. Dann kam mir aber direkt eine neue Frage in den Sinn.
"Habt ihr im Himmel wie wir Freunde und...Beziehungen?"
"Fragst du mich grad, ob ich eine Freundin hab?"
Ohmaaaan. "Nein, ich mein im Allgemeinen." Obwohl es mich tatsächlich interessieren würde...
Caydon grinste. "Wir haben genau so Freunde und Beziehungen wie ihr. Ich hab aber keine Freundin." Er zwinkerte mir zu und ich konnte nicht ganz verhindern, dass ich zumindest ein bisschen rot wurde.
Caydon legte darauf grinsend seine Füße hoch und machte es sich noch gemütlicher. Dabei fiel sein Blick anscheinend auf den Brief, der auf dem Couchtisch vor ihm lag.
"Seid ihr Menschen nicht schon viel zu modern, um euch noch Briefe zu schreiben?" Meinte Caydon.
"Du hast keine Ahnung davon." Meine Mom besaß in den Kliniken kein Handy und kein Computer. All die Jahre hatten wir uns Briefe geschrieben und keine Sms oder Emails. Und irgendwie fand ich es auch persönlicher.
"Warum plötzlich so eingeschnappt?" Fragte Caydon mich.
"Bin ich nicht." Sagte ich.
Caydon beugte sich nach vorne und nahm den Brief in die Hand. "Wer hat dir den geschrieben?"
Ich setzte mich ruckartig auf und bereute es sofort, da mein Schädel brummte. Trotzdem nahm ich ihm den Brief weg. "Lass das."
"Von wem ist der?" Fragte er nochmal.
Ich sagte nichts.
Caydon hob eine Augenbraue. "Ein Brieffreund?" Er musste grinsen.
"Nein. Von meiner Mom." Ich hatte keine Ahnung, warum ich ihm das überhaupt sagte.
Caydons Gesichtsausdruck veränderte sich. Er schien überrascht.
"Davin hat mir ein bisschen davon erzählt." Meinte er dann. Na toll.
"Du hast sie schon lang nicht mehr gesehn, oder?" Wollte er wissen.
Ich zögerte. "Seit ungefähr fünf Jahren."
Caydons Blick fiel wieder auf den Brief in meinen Händen. "Willst du mir sagen, was drin steht?"
Vielleicht war es die Art, wie er es sagte, oder die Tatsache, dass ich einfach mit irgendjemand darüber reden wollte, aber ich hielt ihm den Brief hin.
Caydon faltete das Papier auseinander und ich beobachtete ihn, wie er es sich durchlas.
Dabei fragte ich mich, ob es wirklich das Richtige war ihn das lesen zu lassen. Doch als er fertig war, gab er keinen blöden Kommentar ab.
Er gab mir den Brief zurück. "Glaubst du ihr, dass sie es jetzt wirklich schafft?" Fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung...das hat sie einfach schon so oft gesagt und mich dann wieder enttäuscht."
"Du willst dich also nicht mit ihr treffen?"
Bevor Caydon gekommen war, hatte ich schon die ganze Zeit darüber nachgedacht.
"Doch...vielleicht schon. Ich glaub ich will einfach noch ein bisschen abwarten, ob sie nicht doch wieder rückfällig wird." Erklärte ich. "Ich vermisse sie ja auch..."
Erst kurz nachdem ich es ausgesprochen hatte, merkte ich, dass ich es wirklich laut gesagt hatte. Ich sah zu Caydon.
"Kann ich verstehen." Sagte er auf einmal.
"Vermisst du deine Eltern, seit du auf der Erde bist?" Wollte ich wissen.
"Nein, aber ich hab inzwischen gemerkt, dass ihr Menschen eine viel stärkere Bindung zu eurer Familie habt." Meinte er.
Es war immer noch komisch zu hören, wie Caydon von uns als 'ihr Menschen' sprach. Es gab kurze Momente, in denen ich nämlich schon fast vergaß, dass er ein Engel war.
"Bist du froh, wenn du wieder zurück kannst?" Fragte ich.
"Wahrscheinlich nicht so arg wie Tasya." Er grinste. Aber das war keine richtige Antwort. Trotzdem beließ ich es dabei.
Ganz plötzlich wurde es mir nämlich richtig warm. Ich deckte mich auf. Am liebsten hätte ich mich jetzt kalt abgeduscht. Warum musste man auch solche Hitze und Kältewellen haben, wenn man krank war?
"Was ist los?" Fragte Caydon.
"Mir ist warm." Eher heiß. Ich legte mich hin. Caydon kam näher zu mir und plötzlich legte er seine Hand an meine Stirn.
"Du glühst ja." Sagte er und klang ein wenig erschrocken. "Du solltest dich jetzt echt ausruhen. Versuch zu schlafen."
"Ja...du kannst dann aber gehn."
"Ist gut." Er dachte nicht daran zu gehn, er lehnte sich nur wieder in der Couch zurück.
Es hatte wohl keine Sinn. Ich drehte mein Gesicht von ihm weg.
"Können Engel eigentlich auch krank werden?" Fragte ich.
"Psst. Schlaf jetzt."
"Können sie?" Murmelte ich.
"Nein."
Oh, ich wünschte ich wär auch einer. Aber so funktionierte es wohl nicht, und ich musste wie ein Mensch warten bis ich wieder gesund war. Und ausruhen und schlafen war da echt die beste Methode. Ich schloss meine Augen.
Erst dachte ich es wäre ganz ruhig im Zimmer, aber jetzt wo Caydon und ich nicht mehr miteinander redeten, merkte ich, dass es draußen angefangen hatte zu regnen. Ich hörte die Regentropfen an den Fenstern, das leise Ticken der Uhr und die Geräusche, wenn sich Caydon manchmal ein wenig auf der Couch bewegte. Es war beruhigend und ich schlief tatsächlich irgendwann ein.

Angels and Demons (M.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt