Kapitel 28

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Weinend warf ich mich auf mein Bett. In meinen Armen hielt ich immer noch das Buch umklammert. Als wäre es mein rettender Anker drückte ich es fest an meinen Oberkörper. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu schluchzen.

Ich spürte wie Astrums Schmerz immer mehr zu nahm und über mich überging. Ich weinte nicht wegen den Schmerzen, sondern weil ich der Grund war, das er überhaupt Schmerzen verspüren musste. Er hatte das alles nicht verdient. Er hatte keine Gefährtin verdient, die ihn durch diese Hölle gehen ließ!

Was ist passiert?, hörte ich Anna Marias sanfte Stimme in meinem Kopf.

„Er war da!", schluchzte ich, „Er hat mich gesehen. Er sah so schrecklich aus! Ich wollte zu ihm rennen und ihm sagen wie leid mir alles tut und das ich gerne seine Kinder bekomme und ihm das nie wieder antun werde. Ihn nie wieder verlassen werde, aber ich konnte einfach nicht. Ich muss erst mein Leben wieder in den Griff bekommen und meine Feinde besiegen, ansonsten können wir nie glücklich zusammen sein!"

Vorsichtig strich Anna Maria über meinen Rücken. Wenn man über ihr Aussehen hinweg sah, dann merkte man, dass sie nicht nur eine Anführerin, sondern auch eine Mutter war. Sie kümmerte sich rührend um jeden der es brauchte.

Wir müssen weiter machen. Ich weiß das ist jetzt schwer, aber umso schneller du deine Dämonen besiegt hast, umso schneller kommst du wieder zurück zu Astrum.

Mit diesen Worten erhob sie sich wieder von meinem Bett und verließ mein Zimmer. Und wieder einmal hatte sie Recht. Ich konnte nicht schon wieder mit dem Selbstmitleid beginnen.

Schnell setzte ich mich auf, wischte mir die Tränen weg und schlug das Buch auf. Ich blätterte ein wenig durch das Zauberbuch. Es stand so viel darin. Nicht nur Zaubersprüche, sondern auch die Geschichte der Hexen und alle möglichen Steine und Pflanzen mit ihren Bedeutungen und ihren Verwendungsarten. Ich fühlte mich kurz wie in meinem persönlichen Himmel.

Ich fing ganz vorne an mit der Geschichte Hexen. Lulila und Makaras hatten immer dafür gesorgt, dass ich entweder nichts oder nur Lügen über unsere Geschichte erfahre. Sie hatten Angst, dass ich ansonsten meinen wahren Kräfte und meine wahre Bestimmung entdecke und sie zum Fall bringen würde. Im Endeffekt hatten sie sich selbst zum Fall gebracht oder eben Kele und Kolika. Früher gab es keine Hexer nur Hexen. Es waren zwei Schwestern gewesen, die ihre Familie verloren hatten und sich irgendwie beschützen wollten. Sie gingen einen Bund mit dem Teufel ein. Dadurch entstanden die Hexen. Der Teufel hatte sie verpflichtet nach dem Tod der beiden nur ihm in der Hölle zu dienen. Sie willigten ein. Die Schwestern lebten friedlich zusammen, aber als sich die eine verliebte und heiratete, wurde die andere eifersüchtig. Sie fühlte sich verlassen und wollte auch die reine Liebe erfahren, die ihre Schwester hatte. Durch ihren Zauber entstanden Seelengefährten. Aber das reichte ihr noch nicht, obwohl sie jetzt auch ihre Liebe gefunden hatte. Sie wurde immer neidischer auf ihre Schwester und wollte nicht nur dasselbe wie sie sondern noch mehr. Sie wollte ihrer Schwester die Liebe wegnehmen. Mit diesem Plan verfluchte sie den Mann ihrer Schwester und tötet ihn damit. Ihre Schwester war am Boden zerstört. Vor lauter Trauer brachte sie sich selbst um. Aber da sie ihrer Schwester noch vor ihrem Tod vergab, kam sie nicht in die Hölle sondern in den Himmel. Das war der Moment in dem schwarze und weiße Hexen entstanden. Die weißen sind gut und wenden keine verbotene Magie an und kommen meistens auch in den Himmel. Die schwarzen dagegen müssen nicht böse sein, aber sie werden immer in die Hölle gehen, da sie sich der verbotenen Magie bemächtigen.

Ich war so vertieft in das Buch, dass ich nicht bemerkte wie schnell die Zeit verging.

„Luna, es ist Zeit etwas zu essen!", meinte Nora zaghaft als sie in mein Zimmer kam. Ich schwebte mit meinem Buch einen Meter über meinem Bett und sah sie nur fragend an.

„Es gibt Abendessen."

„Ich habe keinen Hunger", antwortete ich kurzangebunden und konzentrierte mich wieder auf das Buch.

Ich versuchte jedes Wort in mich aufzusaugen. Nichts sollte vergessen werden. Jeden Spruch, jede Geschichte, jede Erklärung machte ich zu meiner eigenen. Das Lesen dieses Buches machte ich zu meiner Meditation.

Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wie oft Nora, Anna Maria oder jemand anderes vorbeigekommen war um mich zum Essen zu bewegen oder nur um mich aus meinem Zimmer zu bekomme. Der Mittelpunkt meines Lebens bestand aus diesem Buch. Ich hatte das Gefühl als wäre das Buch ein Teil von mir und es würde mir einen Teil meiner Geschichte, meines Individuums zurückgeben. Es versuchte mir etwas Wichtiges zu erzählen. Etwas das ich unbedingt wissen musste, für meinen weiteren Weg.

Und ganz plötzlich fand ich was ich suchte. Dieses einen Puzzelteil, was mir gefehlt hatte.

Es war eine Geschichte. Die Geschichte von einer schwarzen Hexer Familie und ihrem Pakt mit Dämonen.

Die Familie hatte drei Söhne und eine Tochter. Die Tochter war schon von der Geburt an sehr mächtig und es gab Vampire, die sich ihrer bemächtigen wollten. Ihre Eltern liebten all ihre Kinder über alles und um sie zu schützen wollten die Eltern einen Pakt mit einem Dämon eingehen. Natürlich wussten die Eltern, das sie, wenn sie einen Pakt mit einem Dämon eingehen würden, sie ihre Seelen an eben diesen abtreten müssten, aber für ihre über alles geliebten Kinder würden sie dies tun.

Wie es in den Hexenbüchern beschrieben wurde, riefen sie um Mitternacht an einer Weggablung einen Dämon. Als dieser kam, trugen die Eltern ihr Anliegen vor – den Schutz für ihre vier Kinder und vor allen Dingen für ihre Tochter. Der Dämon erkannte aber die Macht, die in dem kleinen Mädchen steckte und wollte die Macht des Kindes für sich haben. Anstatt den Eltern zu helfen, wollte er sie ebenfalls vernichten, um an das Mädchen zu kommen. Die Eltern kämpften mit dem Dämon und verloren. Sie starben, um ihre Kinder zu beschützen. Aber der Dämon war auch nicht unverwundet davon gekommen. Die Eltern hatten ihn geschwächt. Als der Dämon dem Mädchen ihre Macht entreißen wollte, halfen ihr ihre Brüder. Ihr ältester Bruder bezwang den Dämon, so dass sich dieser zurück in die Hölle flüchten musste. Aber noch bevor der Dämon in Hölle zurückkehrte riss er den ältesten Bruder mit sich in die Unterwelt und schwor zurückzukehren, um das Mädchen mit ihrer Macht in die Finger zu bekommen.

Es waren nur noch die drei jüngsten Geschwister der Familie übrig geblieben. Die Brüder wollten ihrer Schwester helfen und veränderten ihre Erinnerungen. Danach verschlossen sie mit Hilfe von anderen Hexen und Hexern einen Teil ihrer Macht vor ihr, damit sie nicht mehr in einer so großen Gefahr schweben würde. Sie verkauften sich als schwache Waisen, um erwachsen zu werden.

Aber der Dämon versuchte immer weiter an das Mädchen und ihre Macht zu kommen. Er holte sich andere Dämonen und Kreaturen der Unterwelt dazu, um sie zu bekommen. Er bemächtigte sich über ihren älteren Bruder, um mit eben diesem in ihren Geist einzudringen und sie zu Fall zu bringen. Ihre Brüder konnten ihr immer helfen, aber irgendwann müsste das Mädchen dem Dämon allein gegenüber treten, um ihre Familie zu rächen, ihren Bruder zu retten und um ihre Macht zu behalten.

Dies war nicht irgendeine Geschichte. Dies war meine Geschichte!

Die dunkle HexeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt