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"Wie? Keinen Absender?", frage ich.
Mesut reißt den Brief auf und liest ihn.
"Solche Schweine!", zischt er, lässt den Brief fallen und verschwindet nach oben.
Mario hebt den Brief auf und liest: "Mesut... Sie gehört nun nicht mehr zu dir. Sie gehört nie zu dir! Du überweist auf folgendes Konto jeden Monat eine hohe Summe. Außerdem schickst du sie weg. In ein paar Tagen siehst du sie wieder, nur für ein paar Stunden, dann muss sie verschwinden..."
"Warum? Die spinnen doch? Wir müssen die Polizei einschalten und zusammen eine Anzeige gegen unbekannt stellen!", meine ich und gehe Mesut hinterher.

"Könnten Sie sich vorstellen, wer Ihnen diesen Brief geschrieben hat?", ein Polizist steht vor Mesut und sieht ihn an.
"Keine Ahnung, vielleicht meine Ex, sie hat mir schonmal andere Briefe geschrieben oder...", Mesut reibt sich über die Schläfen, "Oder jemanden, den sie beauftragt hat"
"Geben Sie uns bitte die Kontaktdaten", sagt der Polizist und geht mit Mesut mit.
"Kann man nicht ihr Handy orten?", frage ich den zweiten Polizisten. Er nickt nur und verschwindet dann ebenfalls.

Kurz nachdem die Polizisten verschwunden sind, stehen wir drei wieder im Wohnzimmer und schweigen uns an.
Mesut ist der Erste der die Stille bricht: "Wenn die Polizei sie nicht orten kann, dann werde ich spätestens heute Abend  nach Isabel suchen und wenn ich ganz London umkrempeln muss", sagt er und starrt dabei aus dem Fenster.
Ich kenne Mesut gar nicht so, er ist so in Sorge um Isabel, dass seine Miene ganz kalt und dennoch verletzlich wirkt.
Mario seufzt und setzt sich auf die Couch.
"Denkst du echt, dass es deine Ex war?"
"Warum kann eigentlich nur deine Ex-Freundin durchdrehen? Meine ist vielleicht auch zu sowas in der Lage?", Mesut schüttelt den Kopf.
"Ich frage doch nur"
"Du fragst also nur. Du denkst, dass ich über reagiere, ist doch so!", Mesut zieht Mario von der Couch auf die Beine, "Komm schon Mario! Sag doch einfach, dass du mich für verrückt hältst!" 
"Mesut!", sage ich und schaue ihn an, doch er schaut weiterhin Mario an.
"Du weißt ganz genau, dass ich genauso reagieren würde, wie du! Ich will nur nicht, dass du in deinem Hass durchdrehst!", Mario schlägt Mesuts Hand weg und kommt zu mir. Er sieht mich an und dreht sich dann wieder zu Mesut um: "Ich komme heute Abend mit!"

Am späten Nachmittag hat sich die Polizei immer noch nicht gemeldet. Mesut sitzt im Flur auf der Treppe und starrt die Haustür an.
Ich stehe in der Küche und koche und eine Kleinigkeit. Die Jungs wollen gleich los gehen und müssen zumindest etwas gegessen haben.
Mario sitzt vor mir an der Küchentheke und sucht an seinem Handy irgendwelche Sachen bei GoogleMaps.
Dann klingelt es auf einmal an der Tür. Mario und ich sehen uns gleichzeitig an, dann laufen wir in den Flur.
Mesut steht vor der Tür, die Klinke in der Hand.
Ganz langsam öffnet er die Tür.
"Hey! Du bist Mesut richtig?"
"Samu?", rufe ich und sehe ihn fragend an.
"Was will der denn hier?", stöhnt Mario.
"Ich war hier auf einem Musikevent. Kann ich reinkommen?", er sieht zu mir, dann zu Mario und schließlich zu Mesut, der ihn einfach nur anstarrt.
Samu kommt rein und sieht Mesut an.
"Alles okay?", fragt er. Mesut schüttelt den Kopf und knallt die Tür hinter Samu zu.
Mario stellt sich vor mich und hält Samu die Hand hin. Die beiden begrüßen sich und sehen sich kurz an. Es wirkt etwas hölzern, aber zum Glück reißen sie sich zusammen.
Dann kommt Samu auf mich zu und ich begrüße ihn mit einer Umarmung.

Eine halbe Stunde später, wir haben inzwischen gegessen, stehen Mesut und Mario im Flur rüsten sich mit Taschenlampen und Wasserflaschen aus.
"Soll ich mitkommen?", fragt Samu.
"Nein, aber... Danke!", meint Mesut, öffnet die Tür und verschwindet nach draußen.
Mario dreht sich noch einmal zu Samu um, dann sagt er: "Pass gut auf sie auf!"
"Immer!"

Drei Stunden später, es ist mittlerweile dunkel draußen, haben wir noch nichts von Mesut und Mario gehört.
Ich will sie gerade anrufen, da klopft es an der Tür.
Ich renne zur Tür und öffne sie ruckartig, doch weder Isabel noch die Jungs stehen vor mir.
Ein Polizist sieht mich mit ernstem Blick an.
"Wo ist Herr Özil?"
"Weg, aber mit mir können sie auch reden!"
"Ich denke, dass ist nur für Herrn Özil bestimmt. Wann ist er wieder zurück?"
"Ich kann ihn anrufen, Moment bitte. Kommen Sie herein", ich gehe ins Wohnzimmer und hole mein Handy.
Der Polizist folgt mir und sieht Samu skeptisch an.
Ich wähle Mesuts Nummer und warte, bis er abnimmt.
"Ist was passiert?", fragt er direkt.
"Nein, du musst nur zurückkommen, die Polizei ist hier"

Wenig später stehen Mario und Mesut wieder im Wohnzimmer.
Während der Polizist mit Mesut in sein Büro geht, sitzen Mario, Samu und ich auf der Couch.
"Tut mir leid, dass ich hier so ungelegen reingeplatzt bin", sagt Samu leise.
"Schon gut... Konntest du ja nicht ahnen", meine ich und lächle ihn an.
"Wir haben die gesamten Nebenstraßen in der Nähe des Pubs abgeklappert und waren in den Geschäften und an den Türen. Auch den Inhaber des Pubs haben wir Zuhause besucht, aber keiner hat sie gesehen...", berichtet Mario, um wieder auf das eigentlich Thema zu lenken.
"Das konnten sie auch nicht...", meint plötzlich Mesut, der den Raum betritt. "Was meinst du?", frage ich stirnrunzelnd.
"Sie wurde definitiv entführt und der Briefschreiber hat sich wieder gemeldet! Sie ist in irgendeiner Wohnung eingesperrt, aber in der entgegengesetzten Richtung, als dort, wo wir gesucht haben", erklärt Mesut und wirkt irgendwie etwas ruhiger, mit dem Wissen, wo Isabel ist.
"Woher...?"
"Videobotschaft..."
"Geht es ihr gut?"
"Nein, wie soll es einem denn gut gehen, wenn man entführt wurde?", sagt Mesut und sieht mich traurig an.
"Ich meine natürlich, gesundheitlich, ob es ihr den Umständen entsprechend gut geht..."
Mesut nickt.
"Wann will die Polizei sie holen?"
"Sie sind auf dem Weg..."

Wenig später sitzen auch wir in Mesuts Auto und rasen durch die Stadt.
Samu, der die ganze Zeit dabei ist, ist ebenso angespannt, wie der Rest von uns.

Als wir vor der besagten Wohnung stehen, heißt es warten...

Liebe bekommt keinen ElfmeterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt