Kaptiel 13

1.9K 88 7
                                    

-Samus Sicht-

Bestimmt klopfte ich noch einmal an ihre Türe... Doch es bestätigte sich nur was ich schon wusste: sie war nicht da. Ein ungutes Gefühl breitete sich langsam in meinem Magen aus. Ich holte mein Handy raus und versuchte sie zu erreichen. Ein tuten ertöhnte dann... Mailbox. Ich versuchte es ein, zwei, drei mal... Beim vierten mal hörte ich etwas... Ich drückte mein Ohr gegen die Türe. Ja, das war ihr Handy, es klingelte. 'Oh nein! Hoffentlich hatte sie sich nichts angetan!' Voller Sorge um sie rannte ich runter zur Rezeption. "Ist sie da?", fragte ich besorgt die Frau die da saß. Langsam sah sie von ihrer Zeitung auf. "Wer?"-"na die junge Frau aus Zimmer 223! Frau Malina Sanders!" Kritisch musterte mich die Dame über den Rand ihres roten Brillengestells. "Sind sie irgendwie verwandt mit ihr?"-"ähm nein... Doch, schon... Also, ich bin ihr... Ihr Freund", erwiderte ich. Ihr Freund? Das war mir selber neu... Aber es stimmte. Irgendwie. Sie musterte mich weiterhin mit zusammengekniffenen Augen und zog eine Augenbraue hoch "wir geben leider keine Informationen über Kunden raus...", sagte sie schließlich etwas kühl und blickte wieder auf ihre Zeitung. Langsam wurde ich ziemlich genervt. "Bitte! Ich muss wissen ob sie da ist! Können sie mir nicht einfach einen Schlüssel geben? Ich... Ich mache mir wahnsinnige sorgen um sie... Sie ist einfach weg gerannt und jetzt finde ich sie nicht mehr! Ich habe solche Angst um sie..." Irgendwas in meiner Stimme musste sie wohl umgestimmt haben, denn sie sah wieder auf und etwas weiches lag in ihrem Blick. "Sie machen sich wohl wirkliche Sorgen? Also gut.. Aber nur ausnahmsweise!", ermahnte sie mich noch  mit erhobenem Zeigefinger. Schnell rannte ich wieder hoch und schloss auf. Alles war dunkel. "Mali?", rief ich. Keine Antwort. Ich machte Licht an. Ihre Jeans und ihr Top waren, wie in Eile, in eine Ecke geschmissen worden. Und da lag auch ihr Handy. Wo war sie denn? Ich suchte nochmal alles ab, aber fand nichts. Ich ging runter, bedankte mich bei der Dame, stieg in mein Auto und fuhr los.

Ich war in Gedanken so mit ihr beschäftigt, jeder einzelne meiner Gedanken kreiste nur noch um sie. Ich erinnerte mich an vergangene Nacht: Ihr lockiges, zerzaustes Haar, ihre vollen Lippen die begierig die meinen küssten, ihre Hände, die hungrig über meinen Körper gestrichen waren... Ich erinnerte mich an den fiebrigen Glanz ihre Augen, ihre geröteten Wangen und vor allem an ihren süßlichen Duft... Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass mir meine Augen sogar vortäuschten sie stünde dort vorne.... Ich schüttelte den Kopf... Moment mal! DAS WAR MALI! Mit quietschenden Reifen hielt ich an. Erschrocken drehte sie sich um. Ihre Augen waren Angstgeweitet, ihr schönes Haar war total zerzaust, ich konnte sogar ein paar Blätter darin erkennen, und ihre Sporthose war dreckig. Ihre Augen waren gerötet und etwas geschwollen. Hatte sie geweint? Erschrocken stieg ich aus und rief "sweetie"! Ich wusste nicht ob sie mich erkannte, ihr Blick war ziemlich wirr und unklar. Plötzlich brach sie zusammen und weinte. Ihr zierlicher Körper erbebte unter unkontrollierbaren Schluchzern.

Was zur Hölle war nur mit ihr passiert?

RÜCKBLICK

-Malis Sicht-

Langsam lief ich weiter. Ich war ziemlich erschöpft. Meine ganze Kraft war durch das joggen aus meinen Körper gezogen worden. Noch nie war ich so lange durch gejoggt. Wut und Trauer hatten mir aber irgendwie die Kraft gegeben einfach weiterzulaufen. Jetzt bereute ich das... Ich hätte mich einfach hier hinlegen und schlafen können. Es half aber alles nichts, ich musste irgendwie zurück wenn ich die Nacht nicht unter freiem Himmel verbringen wollte. Ich hörte Geräusche hinter mir und drehte mich um, um zu schauen was es war: ein schwarzes Auto. Es fuhr an mir vorbei, hielt kurze zeit später aber an. Das Fenster wurde runter gelassen. Drinnen saß ein Mann. Etwa Mitte dreißig, hatte ein nettes Gesicht und schwarzes mittellanges Haar. Er fragte etwas. Verwirrt schaute ich ihn an. Ich konnte ja kein Finnisch. "Sorry I... I can't speak finish", stotterte ich. Wieso redete ich denn mit diesem Typen? Und wieso hatte er denn gehalten? Wahrscheinlich wollte er nur nach dem Weg fragen. 'Ha da fragt er ja genau die richtige..', dachte ich trocken und spielte somit die Situation vor mir selber runter... Er lächelte und fragte mit etwas gebrochenem Englisch:"should I take you with me?"-"äh... Why?", fragte ich etwas überrumpelt. "Don't know... You seemed a bit lost. Where do you have to go?"-"into the city.."-"well that's exactly my way", erwiderte er und grinste nur noch breiter. Mir wurde wieder bewusst wie müde ich war und dass ich mich ziemlich nach einer Dusche sehnte... Aber dazu musste ich irgendwie wieder zurück in die Stadt  gelangen. 'Was ist dir denn liebe? Noch stundenlang Laufen zu müssen oder schnell und komfortabel dein Ziel zu erreichen..?', fragte mich eine kleine innere Stimme. Also nickte ich kurz, stieg in das Auto ein und ignorierte das flaue Gefühl in meinem Magen...

Ich versuchte die aufkeimende Angst irgendwie zu verdrängen... Bloß nicht dran denken was alles passieren könnte. 'Ja, KÖNNTE, also beruhige dich mal, der sieht nicht so aus, als würde er jemanden was zu Leide tun...', redete ich mir, mit einem Seitenblick auf ihn, ein. "So äh.. What's your name?" Ich versuchte meine Unsicherheit -und diese Stille- zu überspielen. Kurz sah er mich mit einem komischen Lächeln an und antwortete: "Elias" Schweigen. Ok... Langsam konnte ich den Knoten in meinem Magen nicht mehr ignorieren. Ich räusperte mich. "Ok you... You can let me out here. I know th.. The way now.." Er reagierte nicht. Vielleicht hatte er mich ja auch gar nicht gehört. Nervös Strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht. "Hello? Did you hear what I just said?" Immer noch keine Reaktion. 'Ok.... Ganz ruhig bleiben... Nicht überreagieren', schoss es durch meinen Kopf. Ich atmete tief ein um mich zu beruhigen. Er hielt an. Erleichtert atmete ich aus 'er hatte mich also doch gehört!' Gerade wollte ich meine Hand auf die Tür legen als ich etwas auf meinem Oberschenkel spürte... Geschockt sah ich zur Seite. Elias beugte sich zu mir rüber und seine Hand wanderte weiter hoch. Er raunte mir irgendwas auf Finnisch in mein Ohr. Die Haare auf meinem Nacken stellten sich auf. Ich war starr vor Angst, konnte mich nicht bewegen. Grob faste seine andere Hand nach meinem Kinn und drehte mein Gesicht, fast gewaltsam, in seine Richtung. Mein Herz pochte wie wild gegen meine Rippen, ich hatte das Gefühl sie würden gleich auseinander brechen.  Endlich konnte ich mich aus der Schockstarre lösen. Ich schlug seine Hände weg, griff verzweifelt nach der Tür. Ein Glück! Sie war offen! Ich stolperte aus dem Auto. Sackte erstmals ein, doch als er mir was hinterher rief, rappelte ich mich schnell auf und rannte...  Das Adrenalin schoss nur so durch meine Adern und gab mir die Kraft um zu rennen... Als ich kaum noch Luft bekam, versteckte ich mich hinter einem Busch und hoffte einfach nur, dass er nicht gesehen hatte wohin ich mich verkrochen hatte. Dahinten am Ende der Straße konnte ich das Schild sehen, dass in Richtung Stadt wies. Ich traute mich aber noch nicht aus meinem Versteck raus... Noch nicht... Ich schloss die Augen und kauerte mich zusammen. Wie konnte man so viel Pech an einem Tag haben?! War ein Unglück denn nicht schon genug? 'Bist ja selber schuld', sagte eine bissige Stimme in mir, 'was steigst du auch zu wildfremden Menschen ins Auto?' Mein Herz wurde noch schwerer (falls das überhaupt noch möglich war), meine Kehle war zu geschnürt. Leise kullerten Tränen meine Wange hinunter... Das war einfach zu viel. Ich presste meine Augen auf meine Knie, versuchte mich irgendwie wieder zu beruhigen.

-----

Ich fuhr erschrocken auf. Ich musste vor Erschöpfung eingeknickt sein. Mühsam kam ich wieder zum stehen und stöhnte... Mein ganzer Körper Tat weh. Ich spürte jeden einzelnen Knochen und Muskel. Mein Gesicht brannte von dem Salz der Tränen. Meine Sporthose war dreckig vom Boden auf dem ich gelegen hatte. Ich lief Richtung Stadt und kam endlich an. Ich war so erleichtert, dass ich fast schon wieder anfing zu heulen... 'Reis dich zusammen!', befahl ich mir. Es war schon fast dunkel, wie ich nun bemerkte und sah auf meine Armbanduhr: es war 19:43 Uhr. Ich versuchte mich zu orientieren um zu meinem Hotel zurück zu finden. Schaffte es aber nicht. Ich kam mir so alleine vor. So hilflos. Ich war erschöpft und wollte nur noch Schlafen... Plötzlich hörte ich quietschende Reifen hinter mir, geschockt fuhr ich herum, bereit mich zu wehren, falls es der schwarze Volvo sein würde.  Mental war ich zumindest bereit dazu, nur mein Körper wollte nicht mehr ganz so wie ich wollte: ich fing an zu zittern, und spürte wieder diesen Klos im Hals. Die Tür ging auf. "Sweetie!" Verfolgte mich diese wunderbare tiefe Stimme jetzt auch noch? Hörte ich sie überall und in jedem? Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich einfach nicht mehr konnte... Meine Nerven lagen Blank, mein Körper hatte keinen Funken Energie mehr und ich spürte wie ich zusammen sackte...

Behind blue eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt