~kein Rückblick mehr-
-Malis Sicht-"Tja und dann sind wir am nächsten Tag losgefahren. Etwas später als geplant, aber wir haben ziemlich lange geschlafen...", endete Selina.
Mit offenem Mund starrte ich die beiden an. Musste erst mal verdauen, was sie mir gerade erzählt hatten. Das hieß also, ohne Selinas Hilfe säßen Samu und ich jetzt nicht hier in dem selben Raum?
Ich hatte also alles ihr zu verdanken... Ohne großen Umschweif stand ich auf und fiel ihr beinahe heulend in die Arme. Immer wieder flüsterte ich "danke, danke, danke" und drückte sie dabei fest an mich.
"Hab ich doch gerne gemacht, meine süße.", erwiderte sie und ich konnte das Lächeln in ihrer Stimme hören.
"Don't want to interrupt you, but earlier you said something about Lukas....?", hakte Samu vorsichtig nach.
Seufzend ließ ich von Selina ab und sah ihn besorgt an. Seine Augen schimmerten.... Irgendwie merkwürdig, war er eifersüchtig?
Oder wütend? Besorgt? Ich konnte ihn nicht interpretieren, also setzte ich mich wieder hin und begann zu erzählen.
Ich begann bei Helsinki, erzählte von dem Abend an dem Selina und ich ihn das erste mal als Lukas kennen gelernt hatten, und schloss mit meinem gestrigen Traum.
"Ich habe Angst davor, dass er hier her kommt.", fügte ich dann noch leise hinzu und sah auf meine Hände hinab. Samus Kiefer mahlten, seine Hände waren zu Fäusten geballt, sein gesamter Körper war angespannt, als würde er gleich los rennen wollen. Ein harter Glanz lag in seinen Augen, jagten mir etwas Furcht ein.
Auch Selina schien geschockt: immer wieder strich sie sich über ihre Haare, blinzelte verwirrt, bevor sie wütend ausspuckte:
"dieses... Miese Arsch! Die ganze zeit wusste ich, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte! Aber das er so durchtrieben ist...?!"
"Mali, wenn er kommt, I'll protect you ok? You are save here, I promise!" Dankbar lächelte ich Samu an, es lag nun ein besorgter, aber warmer Ausdruck in seinen Augen. Ich war froh darüber, dass er versuchte mir die Angst zu nehmen. Dennoch war sie immer noch da, ganz weit hinten, bereit jeder zeit wieder hervor zu springen, mich zu packen und zu lähmen.Stille erfüllte den Raum, jeder hing seinen eigenen Gedanken hinter her.
Erschrocken zuckten wir alle zusammen, als jemand klingelte. Wer war das? Ich sah die anderen beiden an, fragte ob sie jemanden erwarteten, doch auch sie schienen nicht zu wissen wer es sein könnte.
Langsam stand ich auf. Ich hatte so eine Vorahnung. Ich spürte wie sich mein Atem beschleunigte, mein Herz raste, das Blut rauschte laut in meinen Ohren. Kurz bevor ich die Türe öffnete, versuchte ich mich nochmals zu sammeln: Ich schloss die Augen, atmete tief ein und aus, schluckte mehrmals, mein Mund war wie ausgedörrt.
Ok, das half alles nicht wirklich viel. Zögernd öffnete ich die Türe, linste vorsichtig durch den kleinen Spalt.Scheiße! Da stand Elias!
Keuchend atmete ich aus, ich hätte am liebsten meine Beine in die Hand genommen und wäre weit weit Weg gerannt.
Weit weg von diesen dunklen, stechenden Augen, weit weg von den leicht zynisch verzogenen Lippen. Weit weg von Elias. Weit weg von Lukas.
"Mali, i-ich wollte mich entschuldigen!" Hinter seinem Rücken holte er einen großen Strauß roter Rosen hervor. "Äh.. Danke?", stammelte ich. Ich war noch viel zu verwirrt von meinen ganzen Gedanken und Gefühlen.
Er trat ein, drückte mir den Strauß in die Hand, sagte die ganze zeit wie leid es ihm tue und dass er das alles nie gewollt hatte. In dem Moment als er das Wohnzimmer betrat, blieb er erstarrt stehen, starrte finster Richtung Samu und Selina. Zischend holte er Luft, drehte sich ruhig zu mir und lächelte gekniffen.
"Was macht der hier?", fragte er leise. Zu leise...
"Äh..." Oh ich besaß mal wieder einen umwerfenden Wortschatz. Schnell ging ich ins Wohnzimmer, stellte mich zwischen Elias und die Couch auf der Samu und Selina saßen. Hilfe suchend sah ich Samu an, dessen Gesicht versteinert war, seine Augen glänzten kalt und hart.
"Other question: why are you here?", knurrte er leise.
"Weil... Mali mich um eine Chance gebeten hat, die ich ihr gerne geben würde", erwiderte er genau so leise. Bestürzt sah ich ihn an. Was? Was redet er da nur. Mein Gehirn war mit den ganzen Informationen noch zu überfordert, als das ich mein Sprachzentrum vernünftig hätte einsetzen können.
Stattdessen schüttelte ich hilflos mit dem Kopf, da Samu und Selina mich beide überrascht und nicht gerade erfreut ansahen.
"Ich- ich hab ihm das nie gesagt! Wirklich... Selina?", sagte ich bestürzt, als ich endlich meine Fähigkeit zu sprechen wieder erlangt hatte. Selina hob abwehrend die Hände und schüttelte heftig den Kopf.
"Nein Mali ich habe mit dem da doch nie geredet!", sagte sie mit einem nicken Richtung Elias.
"Nein, du hast es mir selber gesagt, Mali..."
Mit hoch gezogenen Augenbrauen sah ich ihn an. Ich wusste ganz genau, dass ich es ihm nicht gesagt hatte! Lächelnd fuhr er fort:
"du redest im Schlaf..."
Was? Das war mir ja was ganz neues, meine Wangen wurden heiß, betreten sah ich auf die Rosen, die ich immer noch in meinen Händen hielt. Wieso zur Hölle war mir das jetzt so peinlich?
'Na weil du nicht weißt, was du ihm sonst noch so erzählt hast?', maulte mein Unterbewusstsein.
Als ich wieder aufschaute, sah ich, dass Samus Mundwinkel zuckten. Wieso lacht er? Oh je, habe ich etwa schon bei ihm im Schlaf geredet? Wieso hat mir das bitte nie jemand gesagt?!
"Du hast gesagt, du würdet mich brauchen..."
Augenblicklich wurde Samus Blick wieder finster.
Ja ich hatte ihn tatsächlich gebraucht... Damals... In einer anderen Welt, in der es Samu noch nicht gab. Da hatte ich aber nicht Elias gebraucht sondern-... Woher ich den Mut nahm, um Folgendes zu sagen, wusste ich auch nicht:
"Ja aber ich hatte Lukas gebraucht, und nicht...Elias."
Ich hörte wie Selina und Samu erschrocken Luft holten. Damit hatten sie nicht gerechnet, Elias aber auch nicht. Sein Gesicht wurde blass, seine Pupillen und seine Augen vergrößerten sich, seine Lippen formten ein stummes, überraschtes 'oh'.
In der nächsten Sekunde hatte er sich allerdings schon wieder gefasst, seine Lippen trugen wieder das zynische Lächeln, seine Augen wurden gefährlich klein.
Mann, dieser Typ war ganz schön wandelbar! In der einen Sekunde war er verunsichert, kalt oder zurückweisend, in der nächsten war er wieder sanft und einfühlsam.
Ich selbst war noch ziemlich geschockt von meiner Tat. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Was würde er jetzt tun?
"So, du hast also endlich kapiert wer ich bin?", fragte er, seine Stimme zitterte leicht. Ich versuchte mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen und sprach mit fester Stimme:
"ja! Und ich bin nicht gerade erfreut darüber. Woher kannst du überhaupt deutsch... Damals hast du englisch mit mir gesprochen...?"
Eine Frage die mich schon länger beschäftigte. Lässig zuckte er mit den Schultern.
"Ich bin halb Finne, halb deutscher. Hab als Kind in Deutschland gelebt, später in Finnland. Hätte ich es... 'Damals' -wie du es nennst- schon gewusst, hätte ich natürlich deutsch mit dir gesprochen.... Und mich noch mehr in dich verliebt.", fügte er noch schnell und leise hinzu. Wieso erzählte er mir das alles?Ich wusste nicht, ob Samu oder Selina letzteres gehört hatten.
Ich schluckte hart.
Mit zwei schnellen Schritten hatte Elias den Abstand zwischen uns überwunden und stand plötzlich vor mir. Erschrocken wich ich zurück, spürte aber augenblicklich die kalte, steinerne Wand in meinem Rücken. Seine Augen musterten mich eindringlich, seine Miene war ernst, undefinierbar und genauso hart wie die Wand hinter mir. Er hob seine Hand und Strich leicht über meine Wangenknochen, dann strich er mir eine Haarsträhne hinters Ohr, zwirbelte sie zwischen seinen Fingern.
Fest presste ich die Rosen gegen meinen Bauch, versuchte meine schnelle Atmung unter Kontrolle zu bringen.
Plötzlich lag eine Hand auf seiner Schulter und zog ihn grob von mir weg. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, mit weit aufgerissenen Augen beobachtete ich das Geschehen vor mir, die Angst lähmte mich mal wieder. Ein wutschnaubender Samu hatte sich bedrohlich vor Elias aufgebaut.
"You. Should. Go. Now!", presste er mühsam zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor.
Mein Puls raste, rauschte laut in meinen Ohren, mein Herz war auf 180. Ich war mal wieder nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Lähmende Angst war wieder in mir hoch gekocht, als Elias mir so nahe gekommen war. Es hatte mich an die Situation damals im Auto erinnert, ich hatte mich schon wieder so hilflos gefühlt, so klein.
Elias machte keine Anstalten zu gehen, scheinbar ruhig stand er vor Samu, lächelte ihn kalt an.
"Nein. Ich werde nicht gehen. Wieso sollte ich? Weil so ein dummer Finne das Glück hat, so eine wunderbare Frau wie Mali zu haben?!", spuckte er dann wütend aus. Mit offenem Mund starrte ich ihn an. Samus Kiefer malten, seine Augen waren verengt, jeder einzelne Muskel in seinem Körper war angespannt. Mich hätte es nicht gewundert, wenn sein Kopf rot angelaufen wäre und rauch aus seinen Ohren gekommen wäre.
Die Ader an seinem Hals pochte. Scheiße, er schien wirklich wütend zu sein. Selina schien den Ernst der Situation erfasst zu haben, stellte sich zögernd neben die beiden und legte beruhigend einen Hand auf Samus Arm.
"Samu...", flüsterte sie leise, wand sich dann Elias zu und legte ihm nahe, jetzt besser zu gehen. Dieser blitze sie wütend an.
"Wieso?! Ich lass mich von dem da doch nicht einschüchtern! Was kann ich dafür, dass diese Schlampe so einen schlechten Geschmack hat?" Schlampe? Meinte er etwa mich damit? Samu schnaufte wütend und schwer, sein Gesicht wurde noch finsterer, ein wütendes Grollen drang aus seiner Kehle und ehe ich mich versah lag Elias plötzlich auf dem Boden, stöhnte schmerzvoll auf und hielt sich die Nase aus der Blut floss. Samu sah verächtlich auf ihn hinab, rieb sie die Fingerknöchel und zischte wütend: "go! Never come back!"
Ein kleiner, noch denkfähiger Teil meines Hirns fragte sich, wieso wir ihn einfach gehen ließen.
Mühsam rappelte er sich auf, warf Samu einen vernichtenden Blick zu und nuschelte:
"das war nicht das letzte mal, dass wir uns gesehen haben, Malina Sanders."
"yeah, it was!", konterte Samu, packte ihm am Kragen und warf ihn förmlich hinaus. Ein eisiger Schauer durchfuhr mich.Meine Knie fingen an zu zittern, wurden ganz schwach, langsam Rutsche ich an der harten, kalten Wand hinab. Die Rosen fielen neben mir auf den Boden, wirkten so gebrechlich wie ich mich fühlte.
Ich fühlte mich taub, ausgelaugt, leer. Zu viel war heute auf mich eingeprasselt, Gefühls-Chaos pur, ich musste das alles erst noch verarbeiten. Meine Gefühle waren Achterbahn gefahren: erst der Schreck als ich erfahren hatte, wer Lukas wirklich war, dann die dauernde Anspannung und Angst, dann das plötzliche hoch meiner Gefühle, als ich Samu gesehen hatte: Das unbändige Glück, die Freude, die Erleichterung und vor allem: die tiefe Liebe zu ihm.
Dann, als Elias hier aufgekreuzt war, waren meinen Gefühle in rasantem Tempo nach unten gestürzt: die Verwirrung, dann abermals die Angst und der Schock, der immer noch tief in meinen Knochen saß.
Leise schniefte ich. Oh Gott, ich war so Müde! Ich konnte nicht mehr.
"Shh, sweetheart, I am here...", seine Stimme beruhigte mich, tröstend strichen seine Hände über meine Haare. Oh Samu, wie sehr ich ihn vermisst hatte! Meine Gefühle übermannten mich abermals, das taube Gefühl wurde ersetzt durch die starke Zuneigung die mich plötzlich durchfuhr. Wie ein Blitz schlug das Gefühl in mir ein, riss alle Mauern und Fassaden nieder.
Heiße Tränen schossen in meine Augen, bahnten sich einen Weg meine Wangen hinunter. Harte Schluchzer erschütterten meinen ausgelaugten Körper. Einem plötzlichem Impuls folgend schlang ich meine Arme um Samu, presste mein Gesicht an seine Brust. Zögernd schlossen sich seine Arme um mich. Sein unbeschreiblicher Duft stieg mir in die Nase. Er roch nach Shampoo, Rauch und Samu. Seine wärme drang durch sein Tshirt, lullte mich ein, das stetige Pochen seines Herzens beruhigte meinen hysterischen weinkrampf, umhüllte mich wie eine sanfte Melodie, nach der ich mich schon so lange gesehnt hatte. Oh Samu!"Müde..", nuschelte ich kraftlos. Ich merkte nur noch, wie seine starken Arme mich hoch hoben, er mich sanft ins Bett legte und mich fest an sich zog. Zum ersten mal seit langem, fühlte ich mich wieder sicher und geborgen.
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Behind blue eyes
FanfictionFreundschaft – Liebe! Zwei verschiedene Welten und doch so nah bei einander. Malina Sanders und Samu Haber sind seit langer Zeit befreundet, sind sich vertraut, kennen sich in und auswendig. Doch plötzlich sind da kleine Dinge, neue Gefühle, unbekan...