Kapitel 35

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Betrogen? Wie meinte sie das?

Verwirrt sah ich zwischen den beiden hin und her, doch sie lieferten sich immer noch einen stummen Blickduell den anscheinend keiner von beiden verlieren wollte.

Da sie mein hilfloses Gesicht deswegen nicht sehen konnten, versuchte ich es mit meiner Stimme, die allerdings brüchig klang. Außerdem schaffte es mein Hirn nicht Buchstaben und Worte aneinander zu reihen, da es mit der vorherigen Information noch komplett überfordert war. So war ich also nicht in der Lage mehr als einen erstickten Laut vorzubringen. Immerhin erfüllte er seinen Zweck, denn beide sahen mich nun fragend an. Allen Anschein nach funktionierte Selinas Gehirn gerade schneller als meines, denn sie wusste meine verwirrte, aufgeschmissen Miene sofort zu deuten:

"Du verstehst nicht was ich meine, oder? Naja wie sollst du auch? Denn dieser Typ", damit warf sie Lukas einen bitterbösen Blick zu, "hat Bilder von DIR auf seiner ach so tollen Kamera!!", nun warf sie seiner, an den Bauch gepressten, Kamera einen vernichtenden Blick zu.

"Und hast du vielleicht eine Ahnung was für Bilder da von dir drauf sind? Wie du hier im Wohnzimmer oder der Küche bist!", schnaufend atmete sie aus, gestikulierte ratlos mit den Händen in der Luft. Der Vorfall musste sie wirklich mitnehmen, denn sonst fand sie immer irgendwelche Worte. Fragend schaute ich Lukas an, doch der starrte verbissen auf die gegenüberliegende Wand. Ich wollte gerade etwas sagen, als Selina wohl wieder die Worte eingefallen waren, denn sie begann hysterisch weiter zu reden:

"Und weißt du was er noch für Bilder hat?! Das von dir und Samu in Helsinki...."

Den Rest der Worte hörte ich schon gar nicht mehr. Allein seinen Namen zu hören war jetzt zu viel! Die Narben meines verwundeten Herzens rissen auf, bluteten.

Bluteten heiße rote Tränen...! Stumm schrie mein Inneres auf, wand sich gequält unter den wiederaufgeflammten Schmerzen.

Ich sah zwar wie Selina wild mit ihren Händen rumfuchtelte, wie sie immer wieder wütende Blicke zu Lukas warf, wie sie aufgebracht ihre blonden Haare nach hinten schmiss, doch ich nahm keines ihrer Worte wahr.

Mein innerer Schmerz lähmte mich, betäubte mich, schloss meine Umwelt aus.

Ein schriller Ton löste meine Betäubung, langsam löste sich der Nebel auf meinen Ohren, brachte wieder Leben in meinen Körper. Verwirrt blickte ich mich um, sah dass es Selinas Handy gewesen sein musste von dem der schrille Ton gekommen war, denn sie telefonierte gerade.

Wüten bluffte sie ins Telefon:

"was? ... Nein ich hab gerade keine Zeit!" Grimmig starrte sie vor sich hin, während sie der Antwort zuhörten. Dann legte sie mit einem genervten Stöhnen auf, sah mich aus mitleidigen Augen an.

"Sorry süße ich muss gehen! Irgendwas ist passiert, die wollen aber nicht sagen was! Hat sich aber dringend angehört..", damit warf sie Lukas einen letzten vernichtenden Blick zu, drückte mir einen Kuss auf die Wange und rauschte hinaus.

Nach dem die Türe zugefallen war, standen Lukas und ich uns einige Minuten schweigend gegenüber. Das Schweigen war kalt, zog sich wie ein dunkler, beengender Schleier um uns. Er blickte immer noch starr gerade aus, presste seine Kamera an sich. Ich stand einfach nur da, hilflos und alleine. Nach und nach wurde mir bewusst was Selina gesagt hatte, was sie mir gerade eröffnet hatte.

"Stimmt das?", war meine einfache Frage. Seine braunen, fast schwarzen Augen sahen zu mir, es lag ein Ausdruck in ihnen, den ich nicht deuten konnte.

Wieder standen wir uns lange schweigend gegenüber, doch machte er keine Anstalten zu Antworten. Mir war sein schweigen Antwort genug. Enttäuscht schüttelte ich den Kopf, flüsterte leise:

"Lukas...? Wieso? Woher hast du diese Bilder von mir? Was soll das?"

Es waren Fragen über Fragen auf die er mir immer noch keine Antworten gab!

"Was waren das für Bilder mit..", hart musste ich schlucken um den Klos in meinem Hals weg zu bekommen und weiter sprechen zu können, "S..Samu...? Ich habe es nicht mehr verstanden..."

Wenn überhaupt möglich, verhärtete sich seine Körperhaltung noch mehr, er presste stärker seine Kiefer aufeinander, harte Linien durchfurchten seine Stirn.

"Nichts... Gar nichts war mit diesem... Samu!"

Er spieh den Namen förmlich aus, als sei er etwas scharfes das seine Zunge verbrannte, oder etwas ekliges was in würgen ließ.

Es verletze mich wie abwertend er Samus Namen aussprach, das hatte er nicht verdient! Pure Enttäuschung breitete sich in mir aus, weshalb ich nicht bemerkte, dass er auf meine Frage nicht wirklich geantwortet hatte.

"Geh... Bitte geh, Lukas!"

Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, ich ertrug seine Anwesenheit im Moment einfach nicht mehr!

Er bewegte sich keine Zentimeter, machte keine Anstalten zur Türe zu laufen. Mit schweren Schritten ging ich also selber auf die Türe zu und öffnete sie.

"Lukas...", wiederholte ich mit Nachdruck. Langsam kam er auf mich zu, Traurigkeit lag in seinen Augen, entschuldigend sah er mich an. "Mali es-" Abwehrend hob ich die Hände. "Nein Lukas! Nein nicht jetzt... Geh einfach..."

Mit hängenden Schultern verließ er meine Wohnung. Schnell schloss ich die Türe, glitt an ihr hinunter, stütze meinen Kopf auf meine Knie. Womit hatte ich das verdient? Suchte ich mir immer die falschen Freunde aus...?

Ihm hatte ich eine Chance geben wollen..?

Es war noch so viel zu klären, da lief erst einmal nichts mehr. Woher hatte er denn diese Bilder von mir? Hatte er sie selber gemacht?

Mein Bedürfnis jetzt Samus warme und ruhige Stimme zu hören war so groß, dass es körperlich schmerzte. Ich wollte seine starken Arme um

mich spüren, die Sicherheit die er mit gab, etwas, dass mir halt gab.

Doch er war nicht hier, war im entfernten Finnland. Und ich fand nirgends halt, ich fiel, fiel immer tiefer in ein großes, schwarzes Loch, welches mich zu verschlingen drohte. Ich konnte nicht mehr!

Die Möglichkeit mich bei Samu melden zu können war allerdings gleich null. Denn ich hatte seine Nummer nicht mehr, hatte sie irgendwann -im Prozess des "Vergessens"- gelöscht. Außerdem wusste ich nicht, ob er mich noch liebte, sich überhaupt noch an mich erinnerte. Er würde doch gar nichts mehr von mir wissen wollen, hatte bestimmt schon längst eine neue gefunden...

Erdrückende Verzweiflung mischte sich zu der Enttäuschung hinzu...

-Selina Sicht-

Fluchend kickte ich einen Stein zur Seite. Alles andere als Ladylike, aber irgendwie musste ich meiner Wut Luft lassen! Ich hatte Mali in solch einer Situation alleine lassen müssen, weil mich jemand im Krankenhaus angerufen hatte, nur um festzustellen, dass es ein Verwechslung gewesen war! Wie konnte sowas nur passieren!? Das schlimmste war, ich hatte Mali mit diesem durchtriebenem, falschen Hund zurück gelassen!

Besorgt schielte ich auf mein Handy und siehe da! Eine Nachricht von Mali. Aufgeregt öffnete ich sie:

'Selina... Ich kann mich nicht mehr wehren! Mein Herz braucht Samu, ICH brauche Samu...

Aber er mich bestimmt nicht mehr...'

Endlich... Endlich sie hatte es eingesehen! Was hatte ihr die Augen geöffnet? Doch anscheinend hatte sie keine großen Hoffnungen mehr.

Gut, dann würde ich eben ihr beider Schicksal in die Hand nehmen und Samu etwas in den Hintern treten! Ein grimmiges Lächeln Stahl sich auf meine Lippen. Es gab nur ein winzig kleines Problem: wie sollte ich Samu erreichen? Dieser verlogene Lukas hatte irgendwann mal Samus Nummer auf Malis Handy gelöscht.

Drecks Schwein!

Was musste er alles so kompliziert machen?

Abermals kickte ich einen Stein mit aller Kraft davon, als sei er der Schuldige der uns all die Probleme eingebrockt hatte.

Ok, gut, dann würde das eben recherchieren heißen! Entschlossenen Schrittes und voller Hoffnung machte ich mich auf den Weg nach Hause.

Behind blue eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt