Gefangen...

37 4 3
                                    

„Ich bin das Haus."

Kann das sein?
Bin ich mir sicher dass er mich nicht anlügt?
Ungläubig starre ich ihn an. Wieso hat er mir das nicht früher gesagt?
Ich merke wie eine Träne ausbricht.
„Stanley... Wieso hast du mir nichts gesagt?!" schreie ich und schlage ihn in den Arm. „Das ist nicht lustig!"
Ich sacke zu Boden und wische mir weinend die Tränen aus dem Gesicht.
Stanley geht vor mir in die Hocke und streichelt mir durch meine dunkelbraunen Haare. „Was soll daran lustig sein?" Er legt seinen Kopf schief, immernoch streichelnd. „Es ist wahr. Blöd, ist aber so." gibt Rivus im Hintergrund dazu. „Es tut mir leid." wimmere ich und schaue zu ihm rauf. Meine Sicht ist zwar immernoch verschwommen vor all den Tränen aber das wird wieder.
„Ist gut. Ich verzeihe dir." flüstert er in einer beruhigenden Stimmlage und zieh mich in eine enge Umarmung.
Dieser warme Körper. Er ist das Haus. All diese Sachen die ich in die Wände eingeritzt habe, all diese Sachen die ich durch den ganzen Raum geschmissen habe. Jetzt bereue ich es.

„So, ich glaube das Grauen wartet hinter dieser Tür. Wir werden eh sterben." stresst Rivus, hinkt zur Türe und legt seine Hand auf die Klinke.
Stanley löst sich langsam von mir und steht auf. „Nur kein Stress."
Er bietet mir seine Hand an, die ich auch annehme. Mit einem sanften Ruck, zieht er mich hoch.
„Der Countdown!" bittet Rivus und macht sich schon bereit, die Türe aufzuknallen. Wieso freut er sich denn so? Ich habe den Verdacht, dass Rivus etwas mit 'Er' zutun hat. Misstrauisch fange ich an, wie alle anderen, langsam von 3 zurückzuzählen.
Nach 'Eins' knallt Rivus gewaltsam die Türe auf.
Schnell, aus Neugier, schaue ich über Stanley's Schulter. In der Höhle ist wieder rotes Licht, da er Fackeln als Lichtquelle benutzt.
„Ah! Da seid ihr ja!" kommt aus der Höhle, doch kann ich nicht erkennen was oder wer es ist. „Rivus! Schön, dass du mich wieder besuchen kommst!"

WAS?!

Erschrocken schauen wir alle zu Rivus, der uns ein Lächeln zuwirft.
„Rivus was soll das?!" ruft Tatsuno aus und zittert vor Wut am ganzen Leibe.
„Hier bin ich zuhause." antwortet Rivus erfreut und tretet der Gestalt näher. „Darf ich mich vorstellen?"
Die Stimme kommt näher und endlich erkenne ich ihn. Aber...
Er sieht Stanley sehr ähnlich aus. Nur dass aus seinem Rücken tausende von dünnen, schwarzen, überlangen Spinnenbeine rausragen und er graue Haut hat. Seine Augen rot wie Blut. Sowas wie die dunkle Seite von Stanley...

Warte... Jetzt ergibt es langsam Sinn.

Ich verstecke mich ein wenig hinter Makoto, der dann blind meine Hand hält. „Wir sollten es hier in diesem Raum ein wenig gemütlicher machen. Nicht wahr?" meint die gegenteilige Person von Stanley. „Minnie! Bring den ganzen Rauch weg!" befehlt er. Er hat recht, die ganze Höhle ist mit weissen Wolken gefüllt. Zum Vorschein zur Stanley zwei's rechten Seite, erscheint eine magere Gestalt mit schwarzen ungepflegten Haaren und aderiger Haut. So hingekrümmt haltet sie ihn im festen Griff am Ärmel, als ob sie ihm nach Hilfe bittet. Doch er schüttelt sie ab und zeigt auf einen hölzernen Schalter an der linken Steinwand.
Minnie kriecht dorthin und legt ihr Gewicht auf den Schalter, um ihn runterzulegen. Mit solchen abgemagerten Ärmen hätte sie es wahrscheinlich kaum geschafft.
„Und jetzt verreise." befiehlt er erneut.
So langsam wie der Rauch weggesogen wird, erkenne ich hinter ihm auch einen erhöhten, roten, prächtigen Thron, aus Stein und Knochen gebaut. Links und rechts zwei kniende Frauen mit Insektenköpfen, an den Hälsen angekettet am Thron.
Kann es noch schrecklicher gehen? Wem fällt all dieses kranke Zeug eigentlich ein?! Da ist Tatsuno's Puppenwerkstatt angenehmender!
Die Frauen geben komisch quietschende Geräusche von sich.
Ich war so geschockt, dass ich nicht gemerkt habe dass ich hinter Makoto's Rücken zum Vorschein kam.
„Wer ist denn diese schöne Dame? Bist du ihr Geliebter?" fragt er Makoto.
Schnell schaut Makoto zu mir runter und schiebt mich wieder ein Stück zurück.
„Wer bist du? Wie heisst du überhaupt?" fragt er diese graue Person.
„Mein Name ist R und nun lasst sie mich bitte in meinen Händen haben."
gibt er zur Antwort und breitet seine Arme aus um mich zu empfangen.
„Nein. Sie hat sowas nicht verdient!"
R... Also haben sie den Namen schon immer erwähnt.
Ich schaue um mich rum und fange den Blick von Tatsuno auf, der mich ebenso gerade anschaut.
„Meine Herren." R nähert dich Makoto und zieht mich auf einmal mit einer seiner Spinnenbeine zu sich. Mit einem festen Aufprall werde ich gegen seinen Körper gepresst. R's Arme fest um mich, damit ich ja nicht fliehe.
Ich höre das Aufatmen von allen dreien. Rivus hingegen hat sich schon lange auf die dreistufige Treppe zum Thron gesetzt.
R fährt durch meine Haare. „So lebendig. So warm und... So weich."
„Ich weiss. Hab ich recht?" fragt Rivus grinsend aus der Ferne.
R's Körper ist so kalt und grob. Da kann ich schon einsehen wieso Stanley das Gegenteil ist.
Auf einmal hört er auf über meine Haare zu streichen und schaut auf.
„Stanley Bruder! Dass du gewusst hast, dass ich Leichen gut gebrauchen könnte! Danke dir vielmals, Bruderherz."
Sie sind Brüder?!
„Halt die Klappe R und lass sie los. Zudem bin ich nicht dein Bruder! Du bist nur die dunkle Seite von mir. Nichts anderes."
R drückt mich noch stärker zu sich, stärker als vorhin was mich schon fast erstickt hätte.
„Aber... Aber doch! Das bist du!" gibt er völlig verzweifelt von sich.
Stanley hingegen verdreht nur die Augen und wendet uns den Rücken zu.
„Wir wollen nur Unterschlupf suchen, klar? Würde es für 1-2 Monaten hinhauen?" fragt Tatsuno genervt von der ganzen Aktion und schaut abwechselnd zu mir und zu R.
„1-2? Hmm... Das sind schon viel. Wenn ihr das machen wollt, dann nur mit einem Deal."
Tatsuno zieht eine Augenbraue hoch, was zeigen soll: „Leg los."
„Ihr dürft so lange bleiben wie ihr wollt. Nur werdet ihr mir eure kleine Dame geben und ich werde sie zu einer Königin machen. Wie wärs damit?"
Als ich das gehört habe, versuche ich mich von ihm weg zustrengeln doch vergebens.
Ich will nicht für immer hier unten bleiben! R fährt seine Finger durch meine Haare und schaut mir dabei ins Gesicht. Wie widerlich...
„Das ist nicht möglich. Leiderweise."
antwortet Makoto gelassen auf den Deal.
Es herrscht Stille. Ich stosse R von mir weg und renne zu Makoto, der mich in die Arme nimmt. „Wenn das so ist." murmelt R verärgert und dreht sich um. "Ich hoffe ihr seid lecker genug um meinen Wächtern zu gefallen." Er bindet seine zwei insektenköpfigen Frauen los und diese stürmen direkt auf uns zu.
Makoto zieht seine Pistole hervor und schiesst der einen, mit dem Wespengesicht zwischen die Augen. Für die andere hatte er keine Kugel mehr. „Scheisse." flucht er und schmeisst der anderen die Pistole auf den Kopf, was die Gestalt dazu aber nicht verhindert, uns bei lebendigem Leibe zu verspeisen. Die andere krabbelt schnell zu ihrer Freundin.„Hey!!! Bist du völlig verrückt geworden?!" schreit Rivus, steht auf und richtet seinen Revolver, den er anscheinend irgendwann aus Makoto's Rucksack geklaut hat, auf ihn.
Jetzt dreht sich auch R um und sieht, wie seine kleine Dienerin verblutet.
„Nein. Rivus! Mach ihn schon kalt!"
Nicht lange dauert es und Rivus drückt ab. Ich kann es kaum glauben, wie so ein Mensch, einst hilfsbereit und nett, in Wirklichkeit ein Monstrum ist.
Die Kugel schiesst mit lautem Knall an meinem Ohr vorbei, direkt in Makoto's Schulter. Er torkelt rückwärts gegen die Wand und starrt dem lächelnden Rivus mit weit aufgerissenen Augen an. „Nein. Nein! Makoto!" schreie ich vor Verzweiflung und knie mich sofort vor ihm hin. Meine Arme wissen gar nicht wohin. Seine Wunde? Sein Gesicht? Tatsuno's Ärmel?
„Ach, Prinzesschen, mach dir keine Sorgen um ihn. Du hast ja immernoch mich." blufft R und endet seinen Satz mit einem schallendem Lachen.
„Du bist ein Monster!" schreie ich ihn aus Zorn an. Erschrocken dreht sich R um und schaut mich skeptisch an.
„Wie war das?"
„Sie sagte du seist ein Monster." wiederholt Stanley es für mich, während ich versuche, den vor Schmerz stöhnenden Makoto zu versorgen.
„Immerhin bin ich freundlich zu meinem Gästen." gibt R zurück und macht einen Schritt auf Stanley zu.
R pfeift kurz auf und befiehlt: „Daisy! Geh an deinen Platz zurück."
Die kleine Insektenvisage stellt sich neben den Thron wieder hin und lässt sich von Rivus anbinden.
„Erschiesst man also normalerweise einen Gast? Wie wäre es wenn du mal ein Buch darüber schreibst. Wie man Gäste richtig empfängt." Stanley macht ebenso einen Schritt näher. Der Abstand zwischen den beiden, füllt die ganze Höhle mit negativer Energie.
„Dolorea." flüstert Makoto schwach.
Schnell gebe ich ihm wieder meine Aufmerksamkeit.
„Hilf mir auf." gibt er schon stärker von sich und legt einen Arm um meine Schulter.
Vorsichtig helfe ich ihm hoch, worauf er sich schon mit einigen Schritten, R nähert. Es will sich wohl doch nicht einmischen?!
„Es wird Zeit.", fängt er an, „Dass wir wieder gehen."
Ich schaue rüber zu Tatsuno, der schweigend auf den Boden starrt. Was hat er denn? Er ist sowas von weggespaced.
„Sie bleibt hier!" fordert R die anderen auf und zeigt auf mich.
„Kommt überhaupt nicht in Frage." meint Tatsuno, der endlich aufschaut. Was hatte er denn so lange zum Überlegen gehabt?
„Doch! Ich will sie! Und ich werde sie auch kriegen! Also aus dem Weg." schreit er und schubst die anderen beiseite. Mit einem Ruck zieht er mich vom Boden hoch. Mit seinen Spinnenbeinen bildet er noch ein schützendes Gitter. Mein Körper fest an seinem gequetscht richtet er sich wieder den andern. „Aber lassen wir Gäste nunmal Gäste sein. Wenn ihr Rivus' Befehlungen nicht befolgt, könnt ihr euch sicher sein, dass eure kleine Freundin, Daisy's beste Partnerin wird und ich habe wieder zwei Wächterinnen. Schön nicht wahr?" Er lacht und schleift mich mit sich hinter den Thron. Ich höre wie Rivus die anderen anschreit: „Wer nicht folgt, der ist tot! Kommt mit."
Die Schritte werden immer leiser. Haben sie mich jetzt wirklich alleine gelassen?
R führt mich in einen kleineren Raum, der aussieht wie ein Schlafzimmer. Nur steinzeitmässig halt. Der Raum hat keine Türe. Das Bett ist einfach eine Erhöhung mit so manchen oriental aussehenden Kissen und Decken.
„Gefällt es dir?" fragt er mich freudig doch ich erwidere sein Lächeln nicht und schaue mich schweigend im Zimmer um. „Komm, setz dich zu mir." fordert er mich auf und legt sich ins 'Bett'.
Auf einmal fallen mir all diese Seile und schwarze Tücher auf. Neben den Sachen liegt eine ledrige Peitsche und eine Gasmaske.
Entweder ist er ein grausamer Perversling oder ich denke mir nur dreckige Sachen aus.
„Nein. Ich will mit den andern hier raus." murmle ich zitternd vor Angst und mache ein paar Schritte zurück, bis ich fast zur Wand gelange.
R's Lächeln verschwindet und er steht seufzend auf. „Soll ich dich zwingen?"
Ich schaue ihn mit weit geöffneten Augen an. „Wie? Was meinst du?" frage ich nervös und versuche mich zum Ausgang zu schleichen.
Er geht auf mich zu, was meine schleichenden Schritte schneller machen. Gerade als meine ausgestreckte Hand aus dem Ausang ragen konnte, zieht mich R grob am Arm und schmeisst mich auf das harte Bett. Mein Ellenbogen ist wund und rot vor Blut. Ich schaue verängstigt zu ihm auf. Der stechende, lustvolle Blick von R, lässt mir kalt den Rücken runter.
Er kommt näher, bis er sich über mich bückt. Seine Arme links und rechts von mir gestemmt, durchbohrt er mich mit seinem Blick. Sein Kopf kommt mir immer näher ans Ohr „So lange... Ist es her..." flüstert er und ich merke etwas warmes, feuchtes, dünnes an meinem rechten Ohr kitzeln. „Dass ich einer Frau dienen kann." 
Als er sich wieder aufrichtet und lustvoll in meine Augen schaut, merke ich, dass dieses Kitzeln von einer Schlangenzunge kam. Seiner Schlangenzunge.
Aber einer Frau zu dienen. Sollte es nicht eher umgekehrt sein?

___________________________

Hey :3
Dies ist wahrscheinlich das längste Kapitel 😂
Fast 2000 Wörter!
Ich hoffe dass ihr noch einigermassen mitkommt bei der Geschichte. ^^;
Ich bin mir am überlegen, eine weitere Geschichte nebenbei zu schreiben.
Wenn ihr Fragen habt oder Zusammenhänge sucht, dann stellt sie mir bitte und ich werde vielleicht ein Kapitel machen wo ich alles erkläre :)

Tschüüü~
~ Seraina

Dollphotographer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt