„Na komm, jetzt müssen wir los. Sonst wird uns dieser alte Mann noch umbringen." witzelt Makoto rum und stosst mich aus dem Zimmer.
Wir laufen zum Studio das von Rivus dekoriert wurde. Da treffen wir auf Stanley der eine schwarze Mundschutzmaske aus Stoff trägt und uns die Türe aufhält. Aber seine Haare sind heute komisch gerichtet. So... wuscheliger als sonst. Als wäre er gerade nach einem Heavy-Nap aufgestanden.
Trotzdem gehe ich weiter in das Studio und erschrecke. Vor mir steht ein Scheiterhauften mit einem 4 Meter grossen Kreuz aus Holz. Tatsuno will mich... verbrennen?
Ich schaue nach links und sehe Tatsuno wie er mit dem Feuerzeug spielt.
„Eine hübsche Hexe haben wir da." kommentiert er.
Makoto drückt mich zu sich und sagt nichts.
„Rivus, kreuzige sie." befiehlt Tatsuno.
Aber was...
Rivus schaut ihn überfordert an.
„Wir haben keine Schnüre." sagt er.
„Aber lange schwere Nägel." antwortet Tatsuno und steckt das Feuerzeug in seine Hosentasche.
Alle sind still.
Tatsuno schaut uns an als wartet er auf etwas.
„Was ist denn? Macht schon!!!"
Da nimmt mich Makoto in die Arme.
„Wir können ihr das nicht antun!" ruft er und drückt mich noch fester. Tatsuno reisst es den Geduldsfaden und er schreitet nahe zu Makoto.
„Und wieso nicht? Hast du etwa Gefühle für sie?" fragt er ihn und wartet auf eine Antwort.
Doch dann dreht er sich zu den anderen um und fragt sie ebenfalls.
„Habt ihr alle etwa Gefühle für eine jämmerliche Frau, die sich nicht einmal selbst wehren kann?!"
Stanley schaut suchend auf dem Boden und Rivus fasst sich an seinem ledrigen Halsband.
Wieder wendet sich Tatsuno zu Makoto der ihn stur anschaut.
„Dann machen wir es halt so." sagt Tatsuno ruhig und nimmt das Feuerzeug aus der Hosentasche.
Will er mich jetzt mit Makoto zusammen verbrennen?!
Auf Tatsuno's Gesicht zieht sich ein Grinsen. „Du kannst dich jetzt noch entscheiden." warnt er.
Er entfacht das kleine Flämmchen und kommt damit immer näher an meine Haare. Makoto jedoch versucht mich immer von ihm wegzudrehen.
Ich kann das nicht mehr. Es bricht mir das Herz...„Sie werden heute kommen."
Tatsuno schaut überrascht zurück zu Stanley und löscht das Flämmchen.
„Sie, die Polizisten und Truppen, werden heute kommen." verdeutlicht Stanley noch einmal. Eine Weile lang sind wir alle still. Doch der stechende Blick von Stanley ist immernoch auf Tatsuno gerichtet.
„Woher weisst du das?" fragt Tatsuno ein wenig unsicher. „Dolorea hat es mir gesagt."
Ich?!
Makoto schaut erschrocken zu mir runter und so auch alle anderen bis auf Stanley.
„Nein, ihr Holzköpfe. Ich meine die andere Dolorea die ausgebrochen ist." seufzt Stanley und verdreht die Augen.
„Es ist besser wenn wir flüchten." schlägt er vor und fängt an die Kamera einzupacken.
Makoto lässt mich los und Tatsuno geht auf Stanley zu.
„Bist du verrückt, Junge?! Wir werden das Shooting nicht verlassen bis wir sie verbrannt haben!!!"
Er schlägt ihn so, dass ihm die Mundschutzmaske wegfällt. Und da sieht man...
Unter Stanley's rechtem Auge ist noch ein drittes, rabenschwarzes Auge. Sogar der Augapfel ist schwarz.
Mir bleibt der Atem weg.
„Es... Wir... Wir müssen hier weg." sagt Stanley.
„Aber wir können jetzt nicht weit fliehen! Sie sind bestimmt schon vor der Haustüre!" meint Rivus.
„Das ist mir egal! Folgt mir jetzt." befiehlt Stanley und hievt seinen Rucksack mit den Kameras drin, auf seine Schulter.
Er geht aus dem Studio und fordert uns auf ihm zu folgen. Makoto nimmt mich an der Hand und folgt Stanley im schnellen Schritt. Mit der Zeit kamen auch die anderen Zwei. „Wo gehen wir denn hin?" fragt Rivus, der hinter Tatsuno folgt und somit das Schlusslicht unserer Menschenkette ist.
„Ich weiss schon wohin."
Stanley's Stimme klingt so selbstbewusst, dass ich ihn gar nicht mehr erkenne. Er geht den Flur entlang, biegt links ab, geht weiter entlang bis zu einer einzigen Türe die einsam und alleine dortsteht.
Tatsuno bleibt stehen, worauf auch Rivus stoppt.
„Seit wann steht dort eine Tür? Da war doch immer eine Sackgasse!" fällt Tatsuno auf und zeigt mir offener Hand auf die Türe.
„Erklärt dir das nun wieso ich ein drittes Auge habe?" fragt Stanley zurück und schaut ihn ein wenig aufgewühlt an.Stanley legt eine Hand auf die Türklinke. So schwarz wie sein Auge, ist auch die Türe. Nur dass sie aus Holz besteht und drauf ein kleines matt-rotes Schild mit der Nummer '333' genagelt wurde.
Auch Tatsuno und sein Mitläufer haben uns wieder eingeholt. Wir stehen alle dicht miteinander.
„Er ist schon lange hier drin. So lange, dass ich mir sicher bin dass er in diesem winzigen Kämmerchen verhungert und verdorben ist." sagt er leise und lauscht an der Türe.
Wer? Wer ist 'Er'?
Makoto hält meine Hand enger. Auf eine Art gibt es mir ein Gefühl von Sicherheit. „Ich hör nichts. Seid ihr bereit?" fragt uns Stanley und schaut uns alle einzeln an. Wir nicken.
„Wenn ich aufmache, macht ihr alle einen Schritt zurück. Verstanden?"
Erneut nicken wir. Wieso ist Stanley auf einmal so... Ernst?
„drei..."
Ich werde langsam nervös.
„zwei..."
Das alles ist so unrealistisch!
„Eins!"
Er macht die Türe rasch mit einem Ruck auf und wir alle machen einen Sprung nach hinten.
Doch was hinter der Türe steckt, lässt selbst Stanley erstarren.
Es ist etwas ganz anderes als ein winziges Kämmerchen.
„Sagtest du nicht, dass es hier drin anscheinend mickrig ist?" fragt Rivus und blickt Stanley leicht verarscht an.
„Was ist das überhaupt?" fragt Makoto.
Doch Stanley starrt wie in Trance in die stockdunkle Höhle und antwortet nicht. Tatsuno schubst uns alle beiseite und packt Stanley an der Schulter.
„Was zur Hölle ist das?!" schreit er ihn an doch Makoto schlägt ihm die Hände von Stanley.
„He, lass mal! Siehst du denn nicht dass er es selber nicht weiss?"
„Er hat mein Werk zu seinem eigenen gemacht..." flüstert Stanley verstört.
Ich glaube wir alle hier verlieren unseren menschlichen Verstand. das macht mir ungeheure Angst. Was wenn wir auf einmal alle so durchdrehen, dass jeder sich gegenseitig umbringt, egal ob man einst Freunde war.
Ja gut, auf dieser modernen Welt bin ich mir selbst nicht mehr sicher, wer mir treu ist und wer mir jeden Moment einen Dolch in den Rücken stecken könnte.
Diese Vorstellung macht mich krank.
„Wieso gehen wir dann nicht rein?" fragt Rivus der sich dicht an mir klammert. Er soll bloss seine Dreckspfoten von mir halten...
„Ich möchte das zwar ungern sagen aber... zu unserer Sicherheit ist es einerseits gefährlich wenn wir da rein gehen. Er ist nämlich aggressiv auf dem höchsten Niveau. Zum anderen Teil müssen wir es tun, damit uns nicht die Helden-der-naiven-Stromgänger, anders genannt als 'Polizisten' uns nicht erwischen." erklärt Stanley.
Wir schweigen einen Moment und starren in die dunkle Tiefe des endlosen Tunnels.
Ich bin mir da nicht so sicher ob wir unser Leben wirklich für so etwas riskieren wollen. Ausserdem kann ich, wenn es drauf ankommt, nicht richtig rennen in diesem Kleid.
Ich zupfe darum eine Weile an Makoto's Ärmel. Er scheint wohl eingefroren zu sein...
Als ich seine Aufmerksamkeit endlich bekam, zeigte ich ihm aus das Kleid. Er wusste sofort was ich meinte und fängt an das Kleid bis zum schwarzen Spitzentop und dem schwarzen, dichten Unterröckchen auszuziehen.
Er wirft das Kleid hinter sich und starrt wieder in den Tunnel.
„Also wir wären schon lange drinnen, wenn wir jetzt nicht alle so gezögert hätten." reklamiert Tatsuno und macht den ersten Schritt rein.
„Halt!!!" ruft Stanley und haltet ihn zurück. „Bist du völlig durchgeknallt? Du hast keine Ahnung was dich dort drin befindet! Ich weiss wenigstens wer das angestellt hat!"
Tatsuno macht einen Schritt zurück, wieder dort wo er gestanden ist und funkelt Stanley an.
„Ich geh voraus... Gibst du mir bitte meine Taschenlampe aus meinem Rucksack?" bittet er jemanden von uns und streckt seine Hand nach hinten.
Da ich die bin, die am wenigsten gemacht hat, bewege ich mich vor Makoto, öffne den Rucksack und gebe ihm seine Taschenlampe raus.
„Danke." kommt von ihm.
Er macht einen Schritt in den Tunnel.
Bald werden es auch mehrere Schritte und wir stehen alle im Tunnel drin. Die 'Wände' sind rot-violett-grau und es sieht so aus wie in einer Goldmine. Nir dass leiderweise das schöne Gold fehlt.
„Soll ich die Türe schliessen?" flüstert Rivus. „Nein. Lass sie für alle Fälle offen."
Der Lichtstrahl der aus Stanley's Taschenlampe kommt, reicht zwar weit aber man sieht in weiter Entfernung immernoch nichts.
Das heisst wohl dass wir uns nun auf den Weg in die Hölle machen müssen.Mit einer Taschenlampe, zwei
Besserwissern, einem Perversling und jemanden der mich auf dem Scheiterhaufen verbrennen möchte.
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Dollphotographer
Misteri / ThrillerDolorea, 17, jung und ahnungslos. Yamato, ihr grosser Bruder, ist der Einzige aus der Familie, nachdem ihre Eltern auf der Reise nach Venedig wegen eines Flugzeugabsturzes umkamen. Als sie in ihrer neuen Schule sich einigermassen zurechtfand, war da...