Don't Go

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Langsam wache ich auf.
„Auch wieder wach?" fragt mich Stanley der immernoch an der Arbeit dran ist.
Ich setze mich müde auf und reibe mir meine Augen. Wie mein Kopf brummt...
„Ja. Und du bist immernoch am arbeiten?"
Er sagt nichts mehr. Warscheindlich ist er sowas von vertieft dass er nichts hört.
Ich stehe auf, gehe zu ihm und gucke über seiner Schulter, auf das Dokument vor ihm.
Es geht um mich. Na klar, schliesslich bin ich ja auch nurnoch die einzige hier nachdem Tatsuno einen Ausraster hatte.
„Es ist für deine psychische Gesundheit besser, wenn du mir bei der Arbeit nicht zuschaust." gibt er von sich und macht, wie vorhin, weiter.
Ich stelle mich gerade hin und schaue auf ihn herab.
„Wieso denn?", „Das habe ich dir vorhin gerade gesagt."
Komisch... seine Stimmlage ist jetzt auf einmal so ernst. Liegt es wirlich an der Arbeit? Oder ist an der Arbeit etwas falsch? Am Dokument?
„Was hast du denn Stanley?"
Er steht ruckartig auf, worauf der Bürostuhl nach hinten gestossen wird und ich ein paar Schritte zurück stolpere.
„Es ist nichts. Und nun geh schon Mittag essen."
Mittag... haben wir erst Mittag?
Mein Zeitgefühl ist hier in diesem düsteren, fast fensterlosem Haus wirklich nicht mehr die beste.
Ich bewege mich zur Türe und drücke die Klinke runter.
„Willst du mit mir kommen?" frage ich ihn. Er steht immernoch wie in Trance vor seinem Bürotisch und stiert sein Dokument an.
Er antwortet mir nicht und noch einmal zu fragen wäre in dieser Situation ein wenig aufdringlich.
Ich gehe aus dem Zimmer und schliesse hinter mir die Türe. Was passiert denn plötzlich mit allen? Fotoshootings sind jetzt auch nur ganz wenige. Worauf ich ehrlich gesagt zufrieden bin.
Im leeren Esssaal lasse ich mich an einem Vierertisch nieder. Ich frage mich, wer hier eigentlich kocht. Vorsichtig schaue ich nach rechts, wo auch die ganze Küche und Kantine ist. Einen Moment lange sehe ich nichts aber bei längerem Beobachten sehe ich eine weibliche Figur die sich bewegt. Also bin ich doch nicht die einzige Frau hier. Wieder schaue ich auf den Tisch.
Neben mir, aus dem Augenwinkel, sehe ich dass etwas dunkles an meinem Tisch steht und wartet.
Ich schaue rauf.
Wer könnte es denn anderes sein als Tatsuno der immer einen dunklen Anzug an hat?
„Dolorea..." fängt er fein an „Es tut mir leid wegen vorhin. Du wunderst dich bestimmt weshalb hier heute kein Essen vorbereitet wird."
Ich mustere sein Gesicht. Ist es nicht völlig ungewohnt dass Tatsuno sich entschuldigt und hier mit beiden Händen zusammengefaltet an meinem Tisch steht?
Er schaut mich ebenso eine Weile an und seufzt anschliessend.
„Hör zu, Ich habe ein Meeting mit einem alten Geschäftskollegen. Da gehen wir in ein Restaurant und ich habe mich dazu entschieden dass du meine Begleitung sein sollst. Also sollst du jetzt mit mir mitkommen. Aber zieh dich zuerst um."
Ich schaue ihn fragend an. „Ein Restaurant?"
Er nickt, lächelt und fasst an meine Hand.
„Ich habe deine Kleider schon bereit gelegt."
Aber alleine mit ihm und einem Geschäftskollegen in ein Restaurant...
Da habe ich schon ein wenig Angst.
„Kommen die anderen auch mit?"
Seine Hand löst sich wieder von meiner und sein Lächeln verschwindet.
„Ja, jedoch bleiben sie draussen. Solch pennerisch aussehenden Strolche haben in einem Meeting nichts zu suchen."
Pennerisch aussehenden Strolche?!
Diese Worte machen mich ein wenig zornig. Auf jeden Fall haben die ein besseres Herz als Tatsuno. Das glaube ich mal...
Mit Ausnahme von Rivus. Ich kann ihn einfach nicht mehr leiden.
„Also geh nun in dein Zimmer und zieh dich um. Ich warte vor dem Eingang."
Tatsuno geht wieder und ich sitze alleine im Esssaal. Die Frau in der Küche ist auch nicht mehr zu hören.
Wie er es gesagt hat, gehe ich in mein Zimmer und da sehe ich wie auf meinem Bett ein schwarzes kurzes Röckchen und eine weisse Bluse hingelegt worden ist. Ebenso sind dort schwarze Lackschuhe und eine gewöhnliche, durchsichtige, schwarze Strumphose.
Das sieht ja mal total aus als hätte ich einen teuren Beruf. Die Wunden waren teuer, ja das waren sie.
Ohne zu jammern ziehe ich mir dies an.
Überraschenderweise ist alles in der richtigen Grösse!
Ich will gerade die Türe öffnen doch da höre ich wie hinter dem Kleiderschrank etwas raschelt.
Erschrocken schaue ich zurück. Wehe jemand hat da zugeschaut!
Eine weisse Kreatur erscheint. Niemand anderes als Mollschalch.
Auf meinem Gesicht zieht sich ein erleichtertes Lächeln doch auf seinem sehe ich nichts. Eher ein besorgtes.
Ich gehe auf ihn zu.
Er packt mich gleich an meinen Handgelenken und drückt mich zu sich.
Auf eine komische Art und Weise ist seine Haut nicht so ledrig wie unsere aber so weich als bestände seine Haut aus Blüten.
Er kommt mit nahe ans Ohr.
„Dolorea bitte gehe nicht. Ich will nicht dass du gehst." flüstert er mir zu. Seiner Stimme nach könnte man meinen er finge jetzt gleich an zu weinen. Mollschalch drückt mich immer fester an sich.
„Ich will nicht dass dir etwas passiert."
Ich spüre seinen Herzschlag und das leichte unregelmässige Atmen, das man kurz vor dem Weinen nunmal hat.
„Mollschalch. Es ist alles gut."
Er scheint meine Worte zu ignorieren und wir bleiben so für eine ziemlich lange Zeit.
Kriegt er nicht bald einen krummen Rücken vom runterbücken?
Er ist schon sehr viel grösser als ich. Ich komme etwa zu seinen Rippen.
„Falls etwas passiert," sagt er nach einer langen Zeit. Diesmal aber mit einer selbstbewussten Stimme. „Sag es mir und ich bringe ihn eigenhändig um."
Mollschalch...
Wie weich sein Herz nur ist. Wie eine Blume die jederzeit zerquetscht und zertreten sein kann...

Dollphotographer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt