„Nicht jetzt."
Mit grossen Augen starrt er mich an.
Als er wieder zu Sinnen kam, bückt er sich zu mir runter. „Bist du dir sicher? Später werden wir ihn exekutieren?"
flüstert er mir ins Ohr. Ich zucke mit den Schultern. „Vielleicht." gebe ich zurück.
„Hey!" ruft Stanley und zeigt auf die Wand auf der Rivus draufgedrückt worden ist, bevor dieses Monster kam. „Ich glaube ich seh da was. Tatsuno! Komm mit der Taschenlampe her!" befiehlt er und schon setzt sich Tatsuno in Bewegung. Da haben sich wohl die Rollen getauscht. Tatsuno leuchtet auf die Stelle. „Da, siehst du? Ein Riss! Vielleicht ist dahinter was."
Tatsuno fängt schon an mit der Rückseite der Taschenlampe, in die Wand einzuschlagen. Das Gestein bröckelt immer mehr ab. Auf einmal ertönt ein lautes Klingen. Das heisst Metall...
Überrascht tauschen Tatsuno und Stanley ihre Blicke aus. „Weiter! Mach weiter!" drängt Stanley. Wieder schlägt Tatsuno weiter ein.
Rivus steht langsam und vorsichtig auf. „Meint ihr nicht dass dieses metallene Irgendwas die Monster anlockt? Ich meine... Nur weil eines gekommen ist, heisst es noch lange nicht dass da keine mehr sind..." fragt er und schaut in die Runde.
Das kann durchaus stimmen. Wieso sonst ist es gekommen?
„Dann bröckeln wir es halt mit unseren Händen ab." schlägt Makoto vor und macht sich schon an die Arbeit. Später packen auch die anderen mit an. Makoto hatte recht. Es geht leiser.Mit brennenden Fingern, teilweise auch gleich wunden, stehen wir vor einem eisernen Tor mit vielen Zahnrädern und einem Schlüsselloch.
„Verdammt!" flucht Stanley, fährt sich durch die Haare und streift dabei seine Kapuze runter. „Jetzt müssen wir auch noch den Schlüssel finden!"
„Oder er hat von innen abgeschlossen." fügt Rivus hinzu.
Mehr Motivation kann er uns nicht rauben...
Vor Wut stampft Stanley ein paar mal in die Leiche die am Boden liegt. „Ich hasse diese verdammten Rätsel! Ich hasse ihn! Ich hasse alles!" ruft er empört aus. „Du verdammtes -" , „Sei mal still, Stanley, halt dich im Rahmen." kommt auf einmal aus Rivus' Mund. Seht nur, wie er langsam erwachsen wird! Tatsuno schaut von Rivus rüber zu Stanley, der wortlos dasteht und zurück zum Schlüsselloch.
„Da hat Rivus nicht ganz unrecht."
Stanley seufzt.
„Na dann... Gehen wir zurück und stellen uns einfach der Polizei. Dem Tod! Verdient haben wir es ja eh! Oder Dolorea?!" Alle schauen erschocken zu mir.
Nein... Nein, das haben sie meiner Ansicht nach nicht.
Aber Tatsuno hat doch so viele Frauen umgebracht!
Die Frauen haben das Leben verdient.
Aber sie gaben mir eine Unterkunft und ich spüre Verbindungen zu ihnen.
Zum Teil Liebe, zum Teil feste Freundschaft und manchmal sogar fast Geschwisterliebe, auch wenn sie nicht meine Geschwister sind!Ich schüttle den Kopf.
„Du sollst aufhören zu lügen! Dolorea, sag doch einfach dass du es hier hasst! Ist sogar ganz verständlich!" schreit Stanley mich an, dreht sich um und knallt seine Faust gegen die Steinwand worauf er einmal wütend aufbrüllt.
„Tatsuno..." flüstert er auf einmal.
„Das... Das ist alles deine Schuld..."
Tatsuno zeigt auf sich selbst. „Meine? Meine Schuld?"
Stanley fängt an zu kichern. Makoto zieht mich zu sich, dass mir ja nichts passiert.
„Oh ja Tatsuno. Deine Schuld. Hättest du diese Anstalt nicht gegründet, würde das alles hier jetzt nicht passieren. Deine Schuld, Frauentöter."
Bei dem Wort "Frauentöter" reisst Tatsuno's letzter Geduldfaden.
Fängt das alles wieder von vorne an?
Ich dachte wir sollten jetzt den Verstand nicht verlieren! Da sieht man aber wieder zwei, die sich an den Haaren packen.
„Hey! Ohne mein Geschäft wärst du immernoch das jämmerliche Weisenkind das niemand wollte! Ein bisschen Dankbarkeit wäre jetzt schön angebracht!" sagt Tatsuno. Man merkt wie er verzweifelnd versucht, die Ruhe zu bewahren. „Ich wäre lieber im Waisenhaus geblieben als bei einem Mörder!!!" schreit Stanley. Ich sehe wie sich in Stanley's Augen Tränen bilden.
Rivus zieht ihn zurück indem er Stanley's Arme hinter seinem Rücken festhält.
„Beruhigt euch. Beide." bettelt Rivus doch die beiden knurren sich immernoch giftig an.
„Bitte Tatsuno."
Stanley's Gesichtsausdruck wandelt sich in Sekundenschnelle in eine traurige Miene. Er sackt auf seine Knie und lässt den Kopf hängen. Leise Wimmer- und Schluchzgeräusche sind zu hören. Tatsuno hat ebenso aufgehört laut zusein.
„Es... Ich... Es tut mir so leid." schluchzt Stanley. „Ich glaube ich verliere meinen menschlichen Verstand."
Er bricht in Geheule aus. Gerade aber als ich mich zu ihm stürzen und aufmuntern will, zieht mich Makoto wieder zurück.
Ich will ihm helfen! Dieses hilflose Geschöpf wird sonst gewalttätig zur Seite des Wahnsinns gezerrt!
Auch mir kommen langsam die Tränen. Ihn so zerbrochen und hin und her gerissen zusehen lässt mein Herz in zwei Teile.
„Und dieses Ding das uns angegriffen hat..." weint er weiter.
Da zerrt er sich von Rivus weg und stolpert in Tatsuno's Arme. Tatsuno aber, schmeisst ihn auf die Leiche diesem Hundeding.
„Wenn du meinen Mitleid willst, dann mach dich gefälligst besser an die Arbeit." sagt Tatsuno drohend und schaut auf ihn herab. Das ist nicht mehr zu ertragen. Die zerschmetternde Seele auf einer Leiche einer nichtswertigen Kreatur.
Auf dem toten Ding, weint Stanley weiter. Ganz leise. Ganz um Hilfe schreiend.
Ich schaue zu Rivus der sich wieder langsam hinsetzt und streiche mir zwei Strähnen aus dem Gesicht.
Tatsuno setzt sich zu ihm und versucht ein Gespräch anzukurbeln, was die ganze Sache betrifft, aber es gelingt ihm schlecht. Was Rivus gesehen hat, motiviert ihn nicht zum reden.
Makoto lässt mich wieder los und schnellt zu Stanley. „Hey." begrüsst Makoto ihn ganz ruhig, während er ihm durch seine hellen Haare fährt. „Komm, auf einer Leiche zu liegen ist nicht gerade das angenehmste." Makoto setzt Stanley so auf, dass er auf dem Boden sitzt. Er geht vor Stanley in die Hocke und wischt ihm einige Tränen von Gesicht. „Ich weiss wie es ist, einfach so in Stimmungswechsel zu rutschen. Das macht aber nichts. Du kannst es nicht kontrollieren. Das ist dir glaube ich mal bewusst."
Wie er ihn tröstet erstaunt mich auf's Äusserste. „Die anderen werden dich auf den ersten Blick für verrückt halten aber wer sieht dich hier denn schon ausser wir?"
Das Schluchzen und Weinen hat aufgehört. Makoto zieht Stanley sanft an seinen Schultern, in eine Umarmung. „Du bist nicht der Einzige. Wir sind zwei, und zwei ist eine vielbedeutende Zahl. Verstehst?"
Stanley nickt in der Umarmung und erwiedert ihn schlussendlich.
Es kommt so vor als seien sie Gebrüder. So hat mich damals Yamato getröstet. Sanft, realistisch und ruhig.Doch meine innere Ruhe wird gleich von Tatsuno zerstört, der ein wenig aufgebracht aufsteht und die Leiche zerstümmelt. Immer und immer wieder tritt er auf sei ein. Die Struktur ist fast nicht mehr zu erkennen.
Makoto zieht Stanley weit weg von der Leiche und Tatsuno.
„Wo ist der scheiss Schlüssel?!" brüllt er und stampft fester drauf.
„Was machst du da?!" rufe ich und zehre ihn zurück. „Bist du verrückt?!"
Er schaut mich mit einem zornigen Blick an. „Bist du zurückgeblieben? Klar ist da drin der Schlüssel! Irgendwo in seinen Eingeweiden drin!"
Das will ich mir besser nicht ansehen.
Tatsuno schaut runter zu der Leiche. Naja, besser gesagt, zum Brei.
„Oh... Ja da!" ruft er glücklich und hebt irgendwas aus den Eingeweiden des Monsters raus. Vor mir sehe ich einen, mit Blut übergossenen, silbrigen Schlüssel. Stolz haltet er es in die Höhe. „Bin ich schlau oder nicht?!" jubelt er fast und lächelt wie ein kleines Kind. „Lass uns das gleich probieren!"
Voller Motivation steckt er den Schlüssel ins Schlüsselloch und dreht, bis sich ein lautes 'Klunk' ertönt.
Vor Spannung schweigen wir alle.
Rivus, der neben Tatsuno an der Steinwand angelehnt ist, starrt vom Schlüssel, rauf zum immernoch grinsenden Tatsuno.„Und weiter?"

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Dollphotographer
Misterio / SuspensoDolorea, 17, jung und ahnungslos. Yamato, ihr grosser Bruder, ist der Einzige aus der Familie, nachdem ihre Eltern auf der Reise nach Venedig wegen eines Flugzeugabsturzes umkamen. Als sie in ihrer neuen Schule sich einigermassen zurechtfand, war da...