Was...

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Was eigentlich noch recht gruslig ist, ist dass Menschen manchmal wirklich schlimme zerstörerische Stimmungen haben. Sie können jemandem sagen, dass sie ihn oder sie umbringen möchten. Oder dass man diejenigen schlagen könnte, dass man sterben sollte, dem Leben einen Schlussstrich ziehen soll. Bewusst sind sie sich aber nicht, dass man damit eine ganze Familie zerstören kann, jemand weiteren umbringen kann, der diese Person liebt. Wie auch immer. Wenn man da einmal drin ist, kann man sich nicht mehr kontrollieren.

Der ganze Gang ist totenstill.
Ist das überhaupt ein Gefängnis?
Irgendwo hier sollten doch auch Überwachungskameras und andere Wächter stehen. Aber in diesem Gebäude läuft das anscheinend anders.
Gibt es hier irgendwo Wegweiser?
Ich mache ein paar Schritte nach draussen und laufe den Gang entlang, an den Zellen vorbei. Tatsächlich gibt es hier Gefangene!
Jedoch sind diese extrem brav. Zum Teil lesen sie ein Buch oder schlafen eine Runde.
Sie schauen mich aber an, als wäre alles ok. Als wäre ich eine weitere Person die durch die Gänge schlendert. Dass ich anders aussehe, stört ihnen anscheinend nicht. Oder sehen sie das überhaupt?
Als ich auf eine Sackgasse stosse, schaue ich um mich rum. Dann sollte der Block auf der anderen Seite sein. Ich möchte mich gleich auf den Weg machen doch da höre ich Geflüster aus der letzten Zelle. Ein Kindergeflüster ist das auf jeden Fall. Doch es ist keine einfache Stimme. Da sind auch noch ganz andere dabei, als wären 10 Kinder in derselben Zelle.
Ich mache zwei Schritte zurück und schaue durch die Gitterstäbe. Es ist ziemlich dunkel. Kein Fenster, in das das Licht rein scheinen kann. Auf einmal hört es auf und ich spüre Wärme auf meiner Wange. Mein Blick wandert runter zu einem kleinen Mädchen, mit einem babyblauen Kleid und hellen, blonden Locken.
Sie hat immernoch diesen Babyspeck an ihren Wangen und an ihren Armen. Wie jung ist sie nur dass man sie ins Gefängnis steckt?!
„Hey." fange ich leise an. „Wie heisst du?" frage ich sie und sie lächelt. „Emeralda!"
Sie wirkt so glücklich. Wie?
„Und du?", „Dolorea."
Sie nimmt ihre Hand von meiner Wange und hält meine.
„Wieso ist es so heiss?"
Schnell ziehe ich meine Hand weg. Hat sie sich  verbrannt? „Zeig mir deine Hand!" bitte ich und sie folgt meinen Worten. Keine Brennspuren. Ich habe also noch keinem Kind wehgetan. Das ist gut. „Hör zu Kleine. Wo ist hier der Block C?"
Sie zeigt auf die Sackgasse. „Aber...da kann man nicht weiter." sage ich worauf sie anfängt zu lachen. „Du musst auch runtergehen, Dolorea!" Ich habe aber weit und breit keine Treppe gesehen die nach unten führt.
„Du musst runterspringen, Dolorea." Geschockt schaue ich auf sie. Soll das eine Aufforderung sein, mich selber umzubringen?
Ich schaue wieder zurück, auf die graue leere Wand. Tatsächlich.
Auf einmal steht dort eine rote Türe. „Spring runter, Dolorea." fordert sie mich noch einmal auf.
Ich gehe an den Rand des Ganges und schaue vom Geländer runter. So hoch ist es eigentlich gar nicht. Meine ledrigen Flügel hätte ich dann ja auch, falls etwas schiefgehen würde.
Noch ein letztes mal schaue ich zu Emeralda zurück, die sich breit grinsend an den Gitterstäben hält. „Nur so kommst du zur Türe." drängt sie erneut.
Nein.
Es ist eine Falle.
Irgendwo muss es ja auch eine Treppe haben um da runter zu kommen. Ich schüttle den Kopf bei diesen Gedanken und entferne mich vom Geländer. „Nein. Emeralda, das stimmt nicht." sage ich und mache mich auf den Weg in die andere Richtung in der ich gehen wollte.
„Warte doch! Dolorea! Lass mich raus! DOLOREA!" kreischt sie und rüttelt an den Gitterstäben. Ich versuche sie aber zu ignorieren. Also bin ich hier nicht die Einzige mit übernatürlichen Kräften. Auf einmal reissen mich zwei Polizisten aus meinen Gedanken und zerren mich in eine Zelle.
Der Eine schliesst die metallene Tür und der andere bleibt mit mir drin. „Ich will keinen Streit. Ich will nur begreifen, wie du zu dem gekommen bist." sagt er.
Dieser Polizist wirkt mir unsympathisch. Er ist wohl im Alter von 40 bis 46 mit grauen Haaren und einem streng aussehenden Gesicht.
Er rückt immer näher und ich rutsche immer weiter zurück, bis ich die Wand spüre.
Langsam reicht er auch mit der einen Hand zu mir aus. Wenn er mein Vertrauen will, dann soll er mir Tatsuno holen.
„Können wir reden?" fragt er.
„Nur wenn sie mir zeigen, wo Tatsuno ist."
Er nimmt seine Hand wieder zu sich und steckt sie in seine Hosentasche. „Ich habe gemerkt dass du deine Kette suchst. Habe ich recht?"
Dann war dieser Mann also der, der mich früher schonmal gefragt hat.
Ich nicke und gehe auf die Knie. „Haben sie die Kette?"
Er nickt.
„Wenn ich sie dir gebe... Würdest du mit mir reden wollen?"
Ich nicke wie wild und folge jede Bewegung die er macht. Seine Hand nimmt er wieder aus seiner Hosentasche raus und ein silbernes Ding pendelt in seiner Hand.
„Das ist deine Kette. Soll ich dir helfen, sie anzuziehen?"
Ich reisse ihm die Kette aus der Hand und halte sie fest im Griff. Überraschenderweise schmilzt sie nicht.
„Können wir jetzt reden?" fragt er.
„Über?"
„All das."
Ich setze mich in Schneidersitz hin und lehne mich an der Wand an. Er geht in die Hocke und seufzt.
„Du bist sowas wie Emeralda. Nur aggressiver. Stimmts? Dieser Mann Tatsuno. Wir haben ihn erschossen. Er ist tot. Es tut mir leid, aber es muss gesagt werden."

Dollphotographer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt