Truth

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Die Nadel der Spritze drängt sich in meine Zunge.
Ich zucke zusammen.
„Ganz ruhig.Es ist alles in Ordnung."
versichert mir Rivus und pumpt mir die grüne Flüssigkeit in meine Zunge.
Es schmerzt zwar nicht so doll wie ein einfaches Zungenpiercing; aber das Unangenehme Drücken macht es alles noch schlimmer.
Nach einer Zeit nimmt er die Nadel langsam wieder raus.
„Ist alles ok?"
Ich wanke nach links und nach rechts, ohne dass ich es merke.
„Fühlst du Müdigkeit?"
„Nein, das tue ich nicht."

Natürlich habe ich gelogen. Ich spüre wie mein Gewicht sich abwechselnd von links nach rechts lagert. Als es einmal doch zu sehr gekippt hat, schnellen seine Hände auf meine Schultern. Mir wird schwindelig. Ich höre jemanden murmeln und meine Sicht ist völlig verschwommen. Auf einmal färbt sich alles grellweiss.

Ich sitze im Esssaal und habe Makota und Stanley vor mir sitzen.
„Sie tut mir so leid..."
sagt Stanley und lässt eine weisse Maus um seine Finger spielen.
„Wer? Dolorea, die Neue?" fragt Makota und richtet seine Brille.
„Ja, Sie. Ich will sie beschützen, doch irgendwie gelingt es mir einfach nicht."
Plötzlich kullert Stanley eine Träne, die Wange runter.
Er will mich beschützen?
„Wir alle hier werden einen Ausweg finden. Ausserdem ist sie noch schön zum anschauen. Nicht wahr?"
sagt Makota und stützt sein Kinn verträumt auf einer Handfläche ab.
Stanley stimmt zu.

Ich komme gerade nicht ganz klar.
Können sie mich denn micht sehen?
„Stanley..." hauche ich.
Doch anscheinend hören sie mich nicht.

Die Träne will ich ihm abwischen, damit ich seine traurige Miene nicht mehr sehen muss. Das tut mir selbst nämlich auch weh.
„Ja, Stanley, Ich weiss wie schwer es ist. Die geflügelte Dolorea war mal die, die ich liebte. Doch jetzt hasst sie mich und da ist nichts mehr zu rütteln." erzählt Makota und lehnt sich seufzend zurück.
'Ich will nicht mehr hier sein!
Ich will hier raus! Rivus!' schreie ich innerlich.
Und tatsächlich, plötzlich wird es wieder schwarz.
Langsam mache ich meine Augen auf.
„Dolo ist alles ok? Dolo!" ruft Rivus und schüttelt mich.
„Hör auf! Es wird mir noch ganz übel.", belle ich ihn an, „Wieso weckst du mich so heftig auf?"
„Du hast geschrien und die ganze Zeit nach mir gerufen."
Für einen Moment herrscht schweigen.
Doch dann beginne ich langsam: „Und wofür war die nötig?" frage ich und zeige auf das leere Spritzengehäuse.
Rivus schaut mir eine Weile tief in die Augen. Als es mir unwohl wurde, reagiere ich;  „Was ist denn?" , „Dieser blaue Kreis um deine Pupille zeigt, dass du wohl ein ungewöhnliches Erlebnis, ausserhalb deiner Sichtweite, was bereits vergangen ist, erlebt hast."
Er starrt weiter.
Irgendwann wurde es mir zu blöd und ich stehe auf.
„So , ich habe genug von den Anstarrereien. Bring mich wieder in mein Zimmer, Rivus. Bitte."
Er erhört meine Bitte und bringt mich in mein ach-so-schönes Zimmer.
Gleich als ich es betrete, lege ich mich in mein Bett.
„So dann, Dolorea. Gute Nacht." wünscht mir Rivus noch und zieht ein Lächeln.
„Ich werde dich morgen wecken."
Er schliesst die Türe ganz sanft.
Hat das je jemand schonmal gemacht, seit ich hier bin?

Dollphotographer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt