Belle
»Beeilt euch!«, schrie ich, in der Hoffnung sie würden es hören und sich beeilen. Sein Puls war sehr schwach, aber dennoch war eins da. »Bitte Jack.«, flüsterte ich. »Es tut mir leid, dass ich dich hier zurücklassen wollte. Wirklich.«
»Wir sind da, geh zur Seite!« Ich tat sofort was Chris sagte und stand auf, um ihnen Platz zumachen. Unbeholfen stand ich nun an der Seite und beobachtete, wie sie sich um ihn herum knieten und im Erste-Hilfe-Set rumwühlten. Früher konnte ich kein Blut sehen, mir wurde augenblicklich schlecht, aber irgendwann überwand ich dieses Gefühl und habe sogar vor drei Jahren einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert.
Angespannt sah ich zu, wie einer Jack's Pullover hochschob und ein großes Stück Stoff auf die Wunde drückte um die Blutung zu stoppen. Er blutete auch an anderen Stellen, weil sie auf ihn gewaltig eingeprügelt hatten, aber der Messerstich war momentan am wichtigsten.
»Er kann seine Augen nur wage geöffnet halten.«, berichtete Chris. »Wir müssen uns beeilen.« Als sie es endlich schafften die Blutung zu stoppen, desinfizierten sie die Wunde und machten sich an das Nähen, weswegen ich wegsah. Sowas konnte ich nicht mitansehen, aber als ich Jack stöhnen hörte, blickte ich ungewollt zu ihm.
Doch im selben Moment wünschte ich, es nicht getan zu haben, denn er sah mir geradewegs in die Augen. In seinem Blick spiegelte sich purer Hass wider. Beschämt drehte ich meinen Kopf zur Seite, um seinem Blick auszuweichen. Mein Herz zog sich zusammen und mein Kopf pochte.
Es war meine eigene Schuld.
•••
Wir wanderten mithilfe weiterer Gelben bis zum Bahnhof und fuhren dann mit dem Zug zum Hauptsitz der Gelben, welches im westlichen Teil des Landes lag. Wir hatten noch ungefähr eine halbe Stunde Zugfahrt vor uns. Jack hatte den ganzen Weg auf einer Trage, welches gebracht wurde, geschlafen, aber wurde immer wieder zur Kontrolle aufgeweckt.
»Wir sind gleich da. Legt ihnen die Seile um.«
Chris kam, mit einem Seil auf mich zu. Automatisch wich ich zurück, weswegen er seufzte. »Das war so abgemacht.«, erläuterte er knapp.
Mach keine Dummheiten!, brüllte eine Stimme in meinem Kopf.
»Nein, ihr habt nichts vom Festbinden gesagt.« Sträubend verschränkte ich meine Arme vor der Brust. Meine Handgelenke schmerzten noch.
Das ist dumm!
»Du bist unsere Gefangene. Was genau verstehst du daran nicht?« Edward kam auf mich zu und hob belustigt seine Augenbrauen. Er nahm die Seile aus Chris' Händen und deutete mir, meine Hände auszustrecken. »Wir können es auch mit Gewalt machen. Such dir eins aus.« Er zuckte mit den Schultern und sah mich siegessicher an. Verdammt.
Bestürzt presste ich die Lippen aufeinander und streckte meine Arme nach vorne aus, worauf er sofort das Seil mehrmals um meine Handgelenke wickelte und anschließend einmal kräftig daran zog, weswegen ich scharf nach Luft schnappte.
»Nicht so fest, bitte.«, wimmerte ich ungewollt. Erbärmlich.
Er lachte kurz und zog noch fester an den Seilenden. Ein leises Wimmern entwich meinen Lippen. »Passt das so?«
Das Brennen auf meiner Haut wurde stärker und breitete sich aus. Ich biss mir auf die Innenwangen und sah ihm in die herausfordernden Augen. Ohne groß nachzudenken, spuckte ich ihm direkt ins Gesicht. Sein Grinsen erlosch und er trat wütend noch näher.
Ich hielt seinem Blick stand, aber verfluchte mich innerlich für diese Aktion. Wieso musste ich das machen? Was, wenn er das Seil noch fester band? Mein Herz zog sich angsterfüllt zusammen. Jetzt konnte ich nicht mehr kneifen, deswegen bemühte ich mich, ein neutrales Gesicht zu hüten.
Doch von der einen zur nächsten Sekunde wurden meine Atemwege plötzlich enger und ich versuchte vergeblich zu atmen. Erschrocken riss ich die Augen weit auf. Mein Rücken traf auf die Wand und meine Hände fanden den Weg zu meinem Hals. Ich kratzte und zog an den starken Händen, die mich davon abhielten Luft einzusaugen. Versuchte mit meinem Knie und den Füßen nach Edward zu treten, erfolglos. Es hatte keinen Sinn, ich wartete kurz und beruhigte mich, so gut es eben ging. Er musste loslassen, er brauchte mich. Aber er ließ nicht ab. Im Gegenteil, sein Griff um mein Hals verstärkte sich.
Panik machte sich nun in mir breit.
Luft, ich brauchte dringend Luft! Meine Lungen schrien förmlich danach. Ich wollte schreien, nach Irgendjemanden, nach Hilfe, nach Sauerstoff! Aber um zu schreien, musste man atmen. Mein Mund schloss sich wieder, ich brachte nichts weiter zustande als ein ersticktes Krächzen. Mit zitternden Händen, versuchte ich nach Edward zu greifen, aber schaffte es nicht. Es war nicht einfach mit zusammengebundenen Händen. Wieder trat ich nach ihm. Ich würde sterben. Ein elender Tod. Mein Stolz hatte mich in diese Lage geritten.
Tränen flossen mir die Wangen entlang und ich krächzte erneut. Mir wurde flau um den Magen und schwarze Punkten tanzten in meinem, bereits verschwommenen, Blickfeld. Langsam gab ich nach, die Kraft in meinen Gliedmaßen wich aus und ich blickte in Edwards emotionslose Augen.
»Lass sie los Ed, wir brauchen sie!« Chris sprach ruhig auf seinen Kumpel ein, der mich weiterhin unberührt ansah. Es vergingen Sekunden, die für mich wie Stunden vorkamen, qualvolle Stunden. Die Zeit zog sich und ich hatte bereits abgeschlossen. Meine Lungen rebellierten, sie brannten.
Und genau dann, als meine Arme schlaff zur Seite fielen, meine Beine nachgaben, Jack's laute wütende Stimme im Hintergrund ertönte, ließ er von mir ab.
Wie ein nasser Sack fiel ich zu Boden und schnappte keuchend nach Luft. Mit zusammengekniffenen Lidern sah ich zur Decke des Zugs, atmete, als würde der Sauerstoff im Raum nicht für uns alle ausreichen. Ich war dankbar für die Luft, dankbar noch am Leben zu sein.
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Red Princess
Science FictionNEUE VERSION „Red Princess - Die Suche nach der Roten Prinzessin" AUF MEINEM ANDEREN ACCOUNT @RealNez ••• Jedes Land hat seine eigenen Sitten und Bräuche. Genau wie dieses Land. Dieses Land heißt Colouri, gegründet im Jahr 2050. Es ist wie sein Na...