Kapitel 57

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Belle

Die Vorbereitungen waren alle erledigt, so dass ich mir jetzt endlich ein warmes Bad gönnen konnte. Seit langem fehlte mir diese Entspannung. Auch wenn ich mir fest vorgenommen hatte, an nichts zu denken, tat ich es.

Die Sache mit Caroline traf mich wie eine Welle. Es hat mich überrumpelt, aber wurde dann fort gespült. Und das lag wahrscheinlich daran, dass meine echte Mutter vor Jahren gestorben ist. Die Person, die mich verlassen hatte, war nicht mit mir verwandt. Schluss. Natürlich war ich enttäuscht und wütend, aber ich konnte schneller loslassen als ich dachte.

Ich merkte, wie nur ein einziger Tag, das komplette Leben eines Menschen auf den Kopf stellen konnte. Und das immer wieder aufs Neue.

Der Tag, an dem Mum starb, quälte jahrelang meine Seele. Aber an dem Tag, an dem ich erfuhr, dass sie mich für Farblose verlassen hatte, starb etwas in mir.
Der Tag, an dem ich entführt wurde, ließ mich denken, alles sei vorbei als ich dem furchteinflößendem Jack gegenüber stand. Aber der Tag, an dem wir zusammen eingesperrt wurden, brachte uns irgendwann näher.

Ich könnte tausend andere Tage nennen, die jeweils zum anderen führten.

Der eine Tag, an dem ich Jack verlor, weil ich ihn belogen hatte, belastete mich nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem mir klar wurde, dass er mich schon die ganze Zeit anlog.

Ich biss mir auf die Innenwangen, um mich vom Weinen abzuhalten. Keiner dieser Menschen hatte meine Tränen verdient.

Tief durchatmen.

Ich stieg aus der Wanne und trocknete mich ab. Das tat mir nicht gut. Kaum lag ich zehn Minuten im Wasser, überfluteten mich meine Gedanken und Gefühle.

Es war erst zwölf Uhr Mittag und ich wusste nicht, was ich in der langen Zeit noch tun sollte.

Traurig seufzend zog ich mich an und öffnete die Haare, die ich zu einem Dutt gebunden hatte, damit sie nicht nass wurden. Dann tapste ich die Treppen runter und gesellte mich zu Emily auf die Couch. Dad würde in nicht mal einer Stunde mit mir ins Hauptquartier fahren, um mir das Geheimnis anzuvertrauen. Und in sechs Stunden fand die Veranstaltung statt.

•••

"Schon aufgeregt?", fragte Dad mich grinsend.

"Was für eine Frage? Ich halte es kaum noch aus!", rief ich. Meine Entschlossenheit hatte in den letzten zwei Tagen kein bisschen nachgelassen.

Ich konnte nicht ruhig schlafen, weil es mich brennend interessierte, welches Geheimnis mich von meiner Aktion abringen könnte.

Dad öffnete mir die Tür zu seinem Büro, in das ich eintrat. Ich ließ mich auf seiner Couch nieder und mein Vater brachte uns gleich darauf zwei Tassen. Seins war Kaffee und ich bekam meine heiß geliebte heiße Schokolade.

"Wir haben noch fünf Stunden bis zu deiner Zeremonie, irgendwas besonderes das du bis dahin noch machen willst? Danach wirst du deutlich weniger Freizeit haben."

Ich ließ den süßlichen Geschmack auf der Zunge zergehen, während ich eine nachdenkliche Miene zog. "Bevor ich in die Welt der Hölle trete, würde ich gerne erfahren, was das Geheimnis ist."

Dad nickte verständnisvoll und trank erst sein Kaffee fertig. "Dann komm mal mit, wir gehen in den Kerker."

Mein Herz pochte auf einmal schneller. Was war im Kerker, das mich testen sollte? Meine Handflächen wurden feucht und mir wurde mulmig im Bauch.

Red PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt