Kapitel 4 ✔️

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Belle

Dad!

Da stand er, an einen Baum gelehnt, circa zwanzig Meter von uns entfernt. Es war ein Park, den wir beide gerne zusammen besuchten, wenn wir dem Alltag entfliehen wollten. Besonders nach Mums Tod. Der Park lag am Waldrand und ein ganzes Stück weit weg von zuhause, deswegen überraschte es mich, dass er sich um die späte Uhrzeit hier herumtrieb, wenn es zuhause doch keine Probleme gab.

Andererseits schien er aufgebracht am telefonieren zu sein. Ob er wohl bemerkt hatte, dass ich nicht mehr in meinem Zimmer war? Seine Sicherheitsmänner standen um ihn herum und checkten die Lage, so wie immer.

Aus Reflex schrie ich, aber es waren nur stumme gedämpfte Schreie, da Jacks Hand noch immer auf meinem Mund lag. Ich zog stärker mit den Armen und zappelte wild herum, weswegen sein Griff nur stärker wurde. Meine komplette Sicht verschwamm, aber das hielt mich nicht davon ab, ihm in die Hand zu beißen. Dann trat ich mit voller Kraft auf seine Zehen.

»Scheiße.« Er ließ tatsächlich ab und hielt sich den Fuß. Diese Chance nutzte ich geschickt aus und brüllte aus ganzem Leibe.

»Dad! Ich bin hi-...«

Ein kurzes Ziehen an meiner linken Wange ließ mich sofort verstummen. Ich stolperte nach hinten und fiel über einen Ast zu Boden.

Ich blickte zur Person, die mich gerade geschlagen hatte, auf. Noch nie in meinem Leben hob man mir gegenüber auch nur die Hand. Ein fremder Junge stand verzweifelt vor mir und setzt sich auf meinen Bauch, bevor ich wieder aufstehen konnte. Er drückte mir seine Hand auf den Mund und murmelte eine kurze Entschuldigung vor sich hin.

Ich schmeckte nur noch die salzige Flüssigkeit meiner Tränen. Mit Händen und Füßen, versuchte ich den Fremden von mir zu bekommen, aber es war zwecklos. Irgendwann hielt man mir auch die Gliedmaßen fest, da diese, das Laub unter mir zum Rascheln brachte.

Reue blitzte in den Augen des Jungen auf. Meine rechte Gesichtshälfte brannte und ich konnte kaum noch atmen. Ich weinte leise und betete zu Gott, dass mein Vater oder irgendwer mich gehört hatte.

Es wurde mucksmäuschenstill im Wald. Ich lauschte meinem schweren Atem und versuchte einen klaren Verstand zu wahren. Irgendwas musste ich doch noch tun können bevor es zu spät war.

Die Farblosen knieten sich hinter den Büschen und versteckten sich teilweise hinter Bäumen. Auch Jack hielt sich versteckt und spähte zum Park. Ich kniff die Augen ganz fest zusammen und biss in die Hand, um gleich darauf los zu schreien.

Plötzlich verspürte ich etwas Hartes an meinem Kopf und dann eine Flut von Schmerzen. Augenblick wurde mir schwindelig. Die langen Äste der vielen Bäume fingen an sich zu drehen und schwarze Punkte tanzten in meinem verschwommenen Blickfeld herum.

Der pochende Schmerz wurde von Sekunde zu Sekunde unerträglicher. Jeder ließ von mir ab und starrte mich unbeholfen an. Die Kraft zu einem weiteren Hilferuf fehlte mir plötzlich. Leise krächzte ich nach Hilfe, aber es war nicht mehr als ein leises Wimmern. Grob konnte ich Drake, Jack und zwei weiter Personen ausmachen, die sich um mich drehten.

»Was zur Hölle habt ihr getan?«, zischte Jack wütend.

»Da ist jemand!«, hörte ich von Weitem. Man hatte uns gehört.

Ich versuchte meine Augen geöffnet zu halten, was mir jedoch sehr schwerfiel. »Dad?«, hauchte ich. Langsam fielen mir die Augenlider zu und ich ließ mich ins Schwarze ziehen. Wage bekam ich noch mit, wie man mich hochhob und wegtrug.

•••

»Wann wird sie aufwachen?«, ertönte eine Stimme. Vorsichtig versuchte ich die Augen zu öffnen, was mir gleich beim ersten Mal gelang.

»Dad?«, krächzte ich und richtete mich langsam auf. Mit einem Mal spürte ich eine pochende Schmerzwelle an meinem Kopf, weswegen ich die Augen wieder zusammenkniff. Stöhnend griff ich mir an die schmerzende Stelle und ließ mich langsam zurück gleiten. »Dad, mein Kopf!«

Mir schossen die Tränen in die Augen. Ich presste die Handballen fest auf meine Schläfen. Es sollte aufhören!

»Sie ist wach!«

Jemand näherte sich meinem Bett, aber ich konnte nicht deuten, wer. Der Schmerz benebelte mich, ich konnte mich auf nichts anderes konzentrieren. »Nimm das.«

Mir wurde eine Tablette und ein Glas Wasser gereicht, die ich ohne zu zögern runterschluckte. Seufzend lehnte ich mich wieder zurück und schloss die Augen. Mit der Zeit ließ das Pochen nach und ich fühlte mich besser.

»Alles in Ordnung?« Eine Hand legte sich auf meine verschwitzte Stirn, weswegen ich zusammenzuckte und die Person erschrocken ansah. Mein Herz schlug mit einem Mal schneller als ich Jack erblickte, der mich mit einer gekrausten Stirn undefinierbar anblickte.

Als er meinem verwirrten Blick begegnete, zog er seinen Arm weg und sah mich wieder desinteressiert an. Was zur Hölle. War das kein Traum?

»Wo bin ich?« Panisch sah ich mich um und meinte Atmung beschleunigte sich rapide.

Wo war mein Vater? Hatte er mich nicht gehört? Eine kleine Träne bahnte sich den Weg zu meinem Kinn, die ich mit meinem Handrücken sofort wegwischte. »Dad? Dad!«, schrie ich lauthals los.

»Niemand kann dich hören.«, sagte der Drake, der bis jetzt leise in einer Ecke stand. Nun trat er hervor und sah mir direkt in die Augen.

Ich hielt seinem Blick stand, aber irgendwann wurde es mir zu unangenehm und sah weg.

Er seufzte. »Du wirst eine Weile hierbleiben müssen. Benimm dich also.«

»Geht es ihm gut? Habt ihr ihm was angetan? Wenn ihr ihm-...«

»Nein!« Genervt zog er sich wieder zurück.

Jack ergriff diesmal das Wort. »Mel, kann sie schon aufstehen?«

Erst jetzt bemerkte ich das blonde Mädchen im Raum, die als Einzige einen Kittel trug. Ich schätzte sie auf Mitte zwanzig. Sie blickte mich nicht erfreut an und antwortete schließlich: »Ich werde euch weitere Tabletten gegen die Kopfschmerzen geben und sie sollte das Eis durchgehend an die kleine Beule halten. Dann sollte es gehen.« Sie sah Jack ernst an.

Dieser seufzte und griff sich meinen Arm, um mich aus der Krankenliege zu ziehen. Das Mädchen hielt ihn dabei auf und sagte ihm ausdrücklich, dass ich auch alleine aufstehen können. Dankbar sah ich sie an.

Jack schnaubte verächtlich. »Das ist mir scheißegal.« Er zog extra kraftvoll an meinem Arm, weswegen ich schmerzerfüllt aufstöhnte und ihm hinterher stolperte. Mit meiner freien Hand drückte ich den Eisbeutel, den mir Mel gab an den Kopf.

»Lass mich los!«, zischte ich und blickte seinen Rücken zornig an.

Er drehte sich spontan um, worauf ich gegen ihn lief. Sofort nahm ich wieder Abstand und starrte ihn böse an.

»Jetzt hör mal zu. Du bist nicht mehr bei deinem Mistkerl von Vater. Du bist hier bei uns. Das heißt du musst auch das tun, was wir dir sagen, verstanden?!« Er kam mir immer näher mit dem Gesicht und drückte meinen Oberarm fester. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht und hielt meinen eigenen an.

»Wer seid ihr denn?«, fragte ich provozierend.

Red PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt