Belle
Er seufzte und grübelte ein wenig, aber gab dann schließlich nach und deutete mir, ihm zu folgen. Deswegen stand ich auf und lief ihm hinterher. Davor verriegelte er die Tür und schloss Handschellen um meine Handgelenke. Das kalte Metall ließ mich zusammen zucken. Ich hatte schon blaue Flecken, aber ließ es einfach über mich ergehen.
Auf dem Weg nach oben, dachte ich streng darüber nach, wie ich das machen sollte. Die Angst breitete sich in mir aus. Wenn etwas schief lief, war ich dran. Dann möge Gott mir beistehen.
"Wie viel Uhr ist es?", fragte ich gespielt gähnend.
"Kurz nach 2:00 Uhr nachts", antwortete er.
"Wieso ist es so ruhig?", ich versuchte möglichst desinteressiert zu klingen um keinen Verdacht zu schöpfen.
"Du hast maximal fünf Minuten. Wenn du dann nicht draußen bist, muss ich rein kommen, verstanden?", nahm er mir die Fesseln ab und ignorierte meine Frage.
Ich nickte und betrat das Badezimmer. Die Tür machte ich hinter mir zu und hielt sofort Ausschau nach irgendeinem Gegenstand, welchen ich ihm auf den Hinterkopf schlagen könnte. Auch wenn ich Chris von den Gelben am meisten leiden konnte, musste ich das tun. Für mich, für Jack.
Mein Ziel war es, ihn bewusstlos zu machen, seine Schlüssel und Waffe abzunehmen und Jack zu befreien. Ein undurchdachter Plan. Meine größte Sorge dabei war, dass ein anderer Gelbe es mitbekommen könnte. Soweit ich wusste, hielten die Meisten draußen Wache oder schliefen. Das beruhte aber auf einer einfachen Vermutung.
Mein Blick wanderte eilig durch den Raum. Verdammt, es gab nichts Besonderes hier. Ich kaute aufgeregt auf meiner Unterlippe und lief auf und ab. Dann sah ich es. In der Ecke standen ein Eimer und Besen. Nicht die beste Wahl. Das konnte nur schief gehen. Aber hatte ich denn wirklich eine Wahl? Ich wollte keine Sekunde länger hier bleiben.
Nervös atmete ich tief ein und aus. Ich würde es durchziehen. Leise tappte ich auf den Zehenspitzen auf diese Utensilien zu und blickte sicherheitshalber nochmal zur Tür.
Ich schnappte mir den Besen und legte ihn in der Nähe der Toilette ab. Dann nahm ich noch den Eimer zur Hand und füllte ein Viertel davon mit Wasser. Es war so weit. Gleich würde ich mich auf den Boden vor der Toilette legen und nach Hilfe rufen. Davor prüfte ich noch schnell ob ich auch ganz sicher an den Besen kam.
In 3... 2... 1... "Hilfe!"
Der Eimer 'rutschte' mir aus der Hand und Chris betrat im selben Augenblick den Raum. "Was ist passiert?", rief er panisch.
"Ich bin ausgerutscht", versuchte ich kläglich zu klingen.
"Warte, ich helfe dir", kam er langsam auf mich zu und versuchte nicht in die kleine Pfütze zu treten.
Meine Klamotten waren einwenig nass geworden, aber das gehörte dazu.
Als Chris mich am Arm hochziehen wollte, nutzte ich die Gelegenheit und fasste schnell nach dem Eimer. Beim ausholen sammelte ich meine ganze Kraft und schlug es auf seinen Kopf. Der Plastikeimer ging in meiner Hand kaputt und Chris taumelte erschrocken zurück. Ohne Zeit zu verlieren griff ich nach dem Besen und schlug diesen ebenfalls gezielt auf sein Kopf. Immer wieder.
Aber ehe ich mich versah hielt er den Besen fest und zog ihn zu sich, weswegen ich einen Schritt vor stolperte und losließ. Mein Herz setzte einen Moment aus, als er mit einem, vor wutverzerrtem Gesicht, auf mich zu stampfte. Aus Instinkt taumelte ich ängstlich zurück. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?
"Das war eine sehr schlechte Entscheidung, Belle", knurrte er außer sich.
Ich weiß.
In diesem Zustand schien er mir angsteinflößender als Edward. "Lass mich los", zischte ich panisch.
Er griff nach meinem Oberarm und zog mich ruckartig zu sich, weswegen ich das Gleichgewicht verlor und ausrutschte. Chris zerrte mich wieder unbeirrt auf die Beine und schleifte mich soweit es ging zur Tür. Hektisch schlug ich mit meiner freien Hand nach ihm und versuchte ihn mit meinen Füßen zu verlangsamen, in dem ich diese fest auf den Boden drückte. Erfolglos.
"Bitte, lass mich gehen.", schluchzte ich.
Der Gelbe drehte sich spontan um, weswegen ich ihm erschrocken ihn die Augen sah und die Luft anhielt. Hoffnung keimte in mir auf. Er war ein guter Mensch, er würde mich nicht verraten. Oder?
"Denkst du allen Ernstes, du kommst mit so einer Aktion davon?", redete er auf mich ein.
"I-ich ..."
"Ich werde dir nicht helfen, nur um das klar zu stellen", sprach er wütend weiter. "Sieh was du gemacht hast"
Er deutete auf sein Kopf, der an der Seite blutete. Wo ich mit dem Besen etliche Male draufgeschlagen hatte. Jetzt tat es mir irgendwie Leid.
Als er versuchte mich erneut an den Armen zu packen, wich ich zurück und trat ihm mit letzter Kraft, die ich noch auftreiben konnte, zwischen die Beine. Augenblicklich stöhnte er schmerzerfüllt auf und hielt sich an die schmerzende Stelle. Das nutzte ich geschickt aus und angelte nach dem Besenstock, welchen ich gleich darauf auf seinen Nacken klatschte. Diesmal zerbrach der Besenstock entzwei.
Chris versuchte den nächsten Schlag noch aufzuhalten, aber seine Reflexe waren sehr schwach. Kurz bevor er die Augen endlich schloss und in Ohnmacht fiel, warf er mir einen missbilligen Blick zu. Dann sackte er vor meinen Füßen zu Boden.
Ich schloss die Augen. Es wird alles wieder gut. Ich habe das Richtige getan.
Meine Arme und Beine zitterten stark, als ich seine Pistole aus dem Hosenbund zog. Gott, was hatte ich nur getan?! Es war nichts Neues, dass ich mich in solchen Situationen augenblicklich schlecht fühlte. Nicht, dass es mir schon mal widerfahren ist.
Ich atmete tief durch, tastete seine Hose nach den Schlüsseln und seinem Handy ab. Diese zog ich aus den Hosentaschen heraus und stellte mich auf die Beine. Während ich auf ihn hinab blickte, wischte ich mir die verschwitzten Hände an meiner Hose ab und wand den Blick anschließend von ihm ab. Jetzt musste ich zurück in den Kerker gelangen. Auf dem Weg hierher hatte ich aufgepasst. Es sollte also kein Problem für mich werden.
Meine Gedanken spielten verrückt, als ich das Badezimmer hinter mir abschloss. Der Schlüssel dafür war noch im Schlüsselloch.
Vor nicht mal zwei Wochen, hätte ich keiner Fliege Leid zufügen können. Und nun sperrte ich die Tür ab, damit der Mann, den ich absichtlich verletzt hatte, nicht rauskam. Hatten mich diese zwei Wochen wirklich so stark verändert? War ich jetzt ein schlechterer Mensch?
Die Tränen liefen mir unkontrollierbar über die Wangen.
Ich hasste die Zwickmühle in der ich festsaß. Ich hasste die Farblosen, weil sie mich erst in die Lage gebracht hatten. Ich hasste das Leben und die Farbaufteilung unseres Landes. Ich hasste alles.
Aber am meisten hasste ich mich. Dafür, dass ich es zugelassen hatte, dass man mich hier veränderte.
Kopfschüttelnd konzentrierte ich mich auf das Hier und Jetzt. Noch war nichts vorbei.
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Red Princess
Science FictionNEUE VERSION „Red Princess - Die Suche nach der Roten Prinzessin" AUF MEINEM ANDEREN ACCOUNT @RealNez ••• Jedes Land hat seine eigenen Sitten und Bräuche. Genau wie dieses Land. Dieses Land heißt Colouri, gegründet im Jahr 2050. Es ist wie sein Na...