Forgive me.

,,Füttert Dave dich nicht?"

,,Ich wünsche dir noch wunderschöne Weihnachtstage!", rufe ich in die Luft hinein, bevor ich den Salon schließe. Heute schon um zwei, denn es ist Heiligabend. Eigentlich ein schöner Tag, wenn die Situation anders wär. Heute geht es zu Daves Verwandte. Ich weiß, komischer Tag, aber an den anderen Tagen, können die nicht. Natürlich nicht.

Dave meinte, wir müssten ja nicht hingehen, aber ich habe darauf bestanden. Wir werden kaum eingeladen, bzw. ich bekomme nie etwas davon mit. Wenn es dann doch mal passiert, sollten wir auf jeden Fall hingehen, auch wenn Dave keine hohe Meinung von ihnen hat.

Jeder sollte versuchen die Verhältnisse zur Familie zu stärken. Noch mehr, wenn man schon seinen Vater für immer verloren hat. An deren Egoismus. Außerdem ist Kim da mit dem Kleinen Wunder. Ich will sie ungerne alleine mit den Verrückten lassen, auch wenn sie natürlich Übung darin hat. Sie sieht mir auch nicht danach aus, als würde es sie stören, aber es geht ums Prinzip. Ich mag sie und würde sie gerne besser kennen lernen.

Ich denke mich hier wieder um Kopf und Kragen. Dabei wartet Dave im Auto auf mich. Ich muss lachen, als ich Gina vorne sitzen sehe. Sie grinst mich an und winkt schon von weiter weg. Ich beeile mich und steige hinten ein. ,,Ich habe meinen Platz wohl offiziell verloren wie das aussieht", kommentiere ich und Gina lacht, während Dave mir ein Kuss entlockt.

,,Ich willte nicht hinten sitzen, Mami. Papi sagte, Mami kann auch hinten sitzt", erklärt sie zuckersüß und ich sehe Dave an, der nur abwehrend seine Hände hochhält.

,,Zu meiner Verteidigung, sie hatte unschlagbare Argumente", will er sich da rausretten und ich muss lachen.

,,Ach fahr schon. Hier hinten ist es auch sehr schön", schlichte ich die Gemüter und mache es mir auf der Rückbank bequem. Die Fahrt über redet Gina vom Kindergarten und ich sehe, wie Dave sich bemüht neutral zu bleiben, wenn es um den kleinen Maxi geht. Alleine weil Gina so einen machtbesessenen, kontrollfreak als Papa hat, wird der Junge es schwer haben. Wäre er nicht so, würde Gina auch anders reagieren. Sie achtet natürlich sorgfältig drauf, dass sie es Dave recht macht und das ist vollkommen verständlich, denn sie ist noch ein Kind. Als Erwachsener sollte Dave an seinem Verhalten vielleicht etwas ändern.

Ein wenig Sorge macht mir auch die Entwicklung ihrer älteren Jahre. Ich denke nicht, dass Dave da seine Meinung ändert nur weil sie älter ist. Dass da Streit vorprogrammiert ist, ist doch klar. Manchmal sollte ich Dave daran erinnern, dass ich ihm nicht ins Bett geplumpst bin und da hatten wir es. Auch wir haben uns getroffen und er hat sich um mich bemüht, züchtiger ausgedrückt. Das wird auch bei Gina so sein. Und mein Vater stand nicht dauernd da und hat Dave genauestens durchforstet. Was natürlich auch sehr lustig hätte werden können.

,,Wir sind da!", ruft Gina aus, als Dave vor einem wunderschönen Haus hält. Naja, es gleicht einer Villa. Oder ist es eine Villa. Egal. Keine Ahnung. Dave hält mir die Tür auf und ich sehe ihn erstaunt an. ,,Hast du auch normalbürgerliche Verwandte?", frage ich und Dave lacht.

,,Wir sind alle normalbürgerlich, Jess", versucht er mich zu korrigieren, aber ich schaue ihn eindringlich an. Da nickt er. ,,Ich weiß was du meinst und ja. Meine Tante hat einen Loser geheiratet." Er schlingt seinen Arm um meine Taille und führt mich die Auffahrt hoch. Gina läuft vor uns her.

,,Dave, ich bitte dich. Nur weil er nicht so ist wie ihr, ist er ein Loser", rüge ich ihn. Dave sieht mich ernst an und ich scheine wohl etwas nicht richtig aufgefasst zu haben.

,,Sag nicht immer wie ihr. Ich sehe mich ungerne als ein Teil, das die Gesellschaft voneinander trennt. Wie auch immer, ich bezeichne niemanden nur seines Berufes wegen einen Loser. Ich respektiere jeden, der in seinem Leben etwas sinnvolles vollbringt. Meine Tante hat einen Versager geheiratet, der ihr bloß auf der Tasche liegt und absolut nichts dazusteuert. Wie kann man sojemanden lieben?", erklärt er und ich verstehe ihn. Aber ich verstehe auch seine Tante.