Kapitel 23

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Ich spüre seinen Blick auf mir. Enttäuscht, fragend und wütend. Eine leichte Gänsehaut überzieht meinen Körper. Ist mir kalt oder was soll das?! Er ist immer noch unser Mate, meine Liebe. Und wir lieben ihn, egal was er uns angetan hat und das weisst du ebenso wie ich! Du musst es einfach akzeptieren! Er hätte uns damals umgebracht, wenn wir nicht so anders wären, Fog. Also Hör mir auf mit Liebe. Ich fühle mich zu ihm hingezogen, aber das nur weil er unser Mate ist, begriffen? Ich habe mich schon vorher vor ihm gefürchtet und du auch! Du weisst, dass ich als innere Wölfin solche Dinge stärker wahrnehme.

Und ich habe nicht gesagt, es ist vergeben und vergessen! Ich habe nur gesagt, dass wir ihn lieben und das stimmt. Bei dir vielleicht... Fog, ich kann das alles nicht. Ich kann nicht seine Mate sein, ich kann nicht die Luna dieses Rudels sein! Ich will doch einfach nur das tun was ich tun muss und dann weg. Aber... Und jetzt sei bitte einmal still! Ein Seufzen von Ascan lässt mich auffahren. Verwirrt blicke ich ihn an. Nun starrt er aus dem Fenster, jedoch fängt er an zu reden: ,,Warum hast du das getan? Wer oder was bist du?" Seine Stimme ist gefährlich leise, allerdings ist das tausendmal schlimmer, als wenn er mich einfach nur angeschrien hätte.

Ich wende meinen Blick von ihm ab und starre wieder aus dem Fenster. Dann antworte ich ihm: ,,Es ist meine Sache, was ich tue. Ich vertraue dir nicht, warum sollte ich dir das Ganze also verraten? Du hättest mich umgebracht, vergessen?" Ich schaue kurz zu ihm und sehe, wie er kurz zusammenzuckt. Das wird er noch länger bereuen. Das will ich für ihn hoffen! Ich starre bereits wieder aus dem Fenster in den herbstlichen Wald, als er erwidert: ,,Nein, das habe ich nicht vergessen. Aber ebenso habe ich meine Pflichten als Alpha vergessen. Muss ich dich daran erinnern, dass du meine Mate und so Luna bist?!"

Fast nicht mehr vernehmbar antworte ich ihm: ,,Wenn du wüsstest, wer und wie ich bin, wüsstest du, dass ich als Luna komplett ungeeignet wäre. Ich bin eine Einzelgängerin und das wird auch so bleiben." Es herrscht kurze Stille, dann höre ich seine Schritte, die sich langsam in meine Richtung bewegen. Neben mir bleibt er stehen. Leise knurrt er: ,,Sie mich an!" Mein ganzer Körper reagiert mit einer Gänsehaut auf ihn, seine Stimme. Auch wenn er leise und emotionslos geknurrt hat, kann ich die Gefühle dahinter vermuten. Wut, Trauer und Unverständnis. Langsam wende ich meinen Blick vom Fenster ab und schaue ihn direkt an.

Er ist mir nun gefährlich nahe, nur einen halben Meter entfernt. Spring ihn an, los! Umarme ihn oder so, irgendetwas! Fog, bist du noch ganz dicht?! Die unnötige Diskussion mit Fog wird von Ascans Stimme unterbrochen: ,,Du bist nicht ohne Grund meine Mate, Talya. Die Mondgöttin macht keine Fehler. Du bist für mich und als Luna bestimmt. Und auch wenn du dich noch gegen die Verbindung zu mir wehrst, du spürst sie auch. Denn was auch immer du bist, du bist kein Mensch. Und von wegen ich kenne dich nicht ich hatte ja auch keine Möglichkeit dazu, denn wer von uns ist abgehauen?"

Gut, andere Taktik. Ich atme einmal tief durch, dann antworte ich ihm: ,,Ich spüre nichts, verstehst du das nicht?! Du redest und redest hier etwas von Gefühlen und Verbindung, dabei merke ich nichts davon!" Nun nehmen seine Augen einen gefährlichen Glanz an. Mit Wut unterdrückter Stimme erwidert er: ,,Wenn das so ist, können wir das schnell ändern, kleine..." Was meint er damit? Er will uns markieren, du Dussel. Denn durch diese spürt jeder Mate diese Verbindung noch viel stärker. Verdammt! Ich reisse entsetzt meine Augen auf und rücke blitzartig von ihm weg.

Doch nicht schnell genug, denn er hat sich bereits meinen Arm geschnappt und zieht mich wieder zu sich. Durch den Schwung verliere ich die Balance und pralle so direkt gegen seine Brust. Ich versuche mich von ihm wegzudrücken, doch er ist zu stark, mal wieder. Doch dann fällt mir etwas ein. Aber leider scheine ich nicht die Einzige mit diesem Einfall zu sein, denn Ascan wirbelt uns herum und drückt mich gegen die Wand. Kein Blatt Papier würde mehr zwischen uns passen und ebenso gross wie dieser Abstand, ist meine momentane Hoffnung zu entkommen. Denn falls er mich markieren würde, könnte ich nicht mehr weg.

Eine einzelne Träne rinnt meine Wange hinab, zu gross sind die Schmerzen an meinen Armen, die er gewaltsam gepackt hat. Ohne mich bewegen zu können, stehe ich da und warte. Ich weiss nicht auf was oder wen, aber ich warte. Ich helfe ja nur ungern, aber ich möchte auch nicht unbedingt gleich hier und jetzt markiert werden. Also... kleiner Hinweis: Kraft? Kraft? Er ist zu stark Fog! Ich meine auch nicht deine körperliche Kraft, Dumm Batz. Oh... diese Kraft meinst du. Aber wehe dir, wenn du ihn verletzt! Jaja. Ich versuche mich auf den Schrank in der Ecke neben der Tür zu konzentrieren und ihn leicht anzuheben.

Wie beim Üben, klappt es nun auch hier. Der Schrank schwebt nur wenige Zentimeter über dem Boden, aber bei seinem Gewicht wird er auch dann noch gewaltigen Krach machen. Ich lasse ihn los und ziehe meine Kontrolle zurück. Ein ohrenbetäubender Lärm ertönt und Ascan dreht sich sofort um. Erschöpft lasse ich mich die Wand hinuntergleiten. Die Kontrolle plus dem von Ascan versachten Schmerz habe ich nun kaum noch Kraft, sondern muss erst einmal regenerieren. Erschöpft schliesse ich kurz meine Augen. Ich höre Ascans Schritte, die eilig den Raum durchqueren, um zum Schrank zu gelangen.

Wie konnte es bloss soweit kommen? Schon als Kind wollte ich normal, lebensfroh und nicht unter vielen Menschen sein, alleine Leben. Höchstens mit meinem Bruder, seiner Mate, meinen Eltern oder meinem Mate zusammen. Doch nun habe ich eine besondere Gabe. Es wäre mir egal, ob ich sterben würde oder nicht. Ich habe Ascan als Mate und bin somit eine zukünftige Luna. Ich kann das alles nicht. Ich könnte das alles nie. Ich weiss, dass es schwerwiegende Folgen haben könnte, wenn ein Rudel keine Luna hat. Ich könnte natürlich die verliebte und selbstsichere Luna spielen. Aber nach all den Jahren kann ich das nicht.

Vier Jahre lang verstecken, flüchten und wachsam sein. Vier Jahre voller Angst und Misstrauen. Ich habe keine Kraft mehr dazu. Aber nun muss ich noch meine letzte Aufgabe hinter mich bringen. Ich muss meine Verfolger irgendwie loswerden. Denn auch wenn ich sie weder gerochen, noch gesehen habe, weiss ich das sie hier sind. Doch jetzt muss ich mich auf das hier und jetzt konzentrieren, ansonsten weiss ich nicht, wie es weitergehen soll. Der Mondgöttin sei Dank brauche ich nur wenige Sekunden und Minuten, um zu regenerieren. Hoffentlich wird Ascan lange genug vom Schrank abgelenkt.

Jedoch kurz vor meiner vollen Regeneration ist Ascan wieder bei mir und zieht mich hoch. Ich höre ihn leise Worte flüstern, die ein ganzes Meer von Angst in mir entstehen lässt: ,,Es tut mir Leid... aber es geht nicht anders..." Und kurz darauf spüre ich seine ausgefahrenen Fangzähne in meiner Halsbeuge. Ein fast unerträglicher Schmerz breitet sich in mir aus. Dann verliere ich das Bewusstsein...

The Night WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt