Kapitel 26

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Besorgt schaue ich dem Rudelarzt, Jalyna und meinem Bruder nach. Sie würde ihn mit zu sich in ihr Haus nehmen, bis er wieder gesund ist. Plötzlich höre ich Schritte hinter mir. Schnell drehe ich mich um und stehe nun vor Ascan. Leise sagt er: ,,Es tut mir Leid..." Vorsichtig hebt er seine Hand in die Richtung meines Gesichts. Ich zucke zurück, schlage seine Hand weg und blicke ihn wütend an. Völlig ausser mir herrsche ich ihn an: ,,Deine Entschuldigung musst du nicht mir geben, du Vollidiot! Und was hast du darunter nicht verstanden, dass du mich nicht anfassen solltest?!"

Knurrend wende ich mich von ihm ab und gehe Jalyna hinterher, die schon nicht mehr zu sehen ist. Nur nach wenigen Schritten, höre ich Ascans befehlende Stimme: ,,Warte!" Er sollte wissen, dass wir Befehle nicht besonders ernst nehmen! Eigentlich schon. ,,Bitte..." Sein Ton ist nun nicht mehr herrisch und laut, sondern so leise, dass ich es schon fast für das flüstern des Windes hätte halten können. So voller Reue, Verzweiflung und Schmerz, als würde jeder Schritt, den ich von ihm weggehe, innerlich immer mehr zerreisst. Ich fühle seinen Schmerz, so sehr, dass ich fast meine, es sei meiner.

Können wir zu ihm? Du hast versprochen, dass du es versuchst! Aber nicht, wenn er wie ein kompletter Vollidiot handelt. Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte... Meine Güte, Fogs nervige ''Bitte, bitte-Stimme'' ist ja nicht auszuhalten! Zögernd halte ich inne, ehe ich mich umdrehe und langsam auf ihn zugehe. Seine hellen Augen, die zuvor noch etwas verdunkelt waren, hellen sich auf und strahlen mich regelrecht an. Ich werde versuchen. Ich werde trotz allen Fehlern von meiner und seiner Seite versuchen, diese Mate-Verbindung nicht aufzugeben. Denn sosehr es mich abschreckt, ohne ihn halte ich es kaum aus. Vor allem nach dem Biss. Klug erkannt.

Echt eine Meisterleistung... fast so beeindruckend wie Dylans Lauftempo! Ach, halt doch einfach die Klappe. Ich finde es lustig. Schön für dich. Ich nicht. Also Fog, ich werde ihm einfach Regeln geben. Und wenn er sie bricht, dann... Was dann? Willst du ihm mit einem Buch hinterherrennen und ihn damit erschlagen? Sehr witzig Fog. Wirklich, sehr witzig. Danke fürs Kompliment! Das ich das einmal von dir höre... Das war Ironie Fog. Oh! Äh... weiss ich doch. Ich unterdrücke ein genervtes Verdrehen der Augen. Nun bin ich schon fast bei ihm angekommen. In genügendem Abstand, also etwas mehr als zwei Meter, bleibe ich stehen. Dein Ernst? Jap.

Näher möchte ich dem im Moment nicht sein. Jaja... Klappe! Weil Ascan nichts sagt, übernehme ich jetzt wohl oder übel das Reden: ,, Hättest du mir richtig zugehört, wäre das nicht passiert, du Idiot!" Ähm... wolltest du ihm nicht eine Chance geben? Eigentlich schon. Aber es stimmt, habe ich recht? Kann sein. Siehst du. Verblüfft starrt Ascan mich an. Trotz dessen, dass er 17 ist, hat er schon kantige Gesichtszüge, die kaum etwas Jungenhaftes vermuten lässt. Er wirkt eher wie ein sehr erwachsener Mann, wenn man von seinen Taten einmal absieht. Und er sieht verdammt gut aus! Kann sein.

Ascan unterbricht die Diskussion mit Fog, indem er nun zu reden beginnt: ,,Ich weiss." Völlig perplex starre ich ihn an. Dass er das zugibt, hätte ich nie erwartet. Etwas sehr unerwartet. Er lächelt leicht als er meinen verblüfften Gesichtsausdruck sieht. Vielleicht lacht er dich auch aus, weil dein Gesichtsausdruck so scheisse aussieht! Das war ein Schuss ins eigene Tor, meine Liebe. Verdammt... Wieder unterbricht Ascan die Diskussion: ,,Hör zu-" Spöttisch grinsend unterbreche ich ihn: ,,Etwa so wie du?" Reiz ihn bloss nicht zu sehr... Ich versuche es. Fast jedenfalls. Ich sehe, wie Ascan etwas verwirrt dreinblickt, sich jedoch fängt und fortfährt: ,,Nein, nichts so wie ich.

Wirklich zuhören. Ich weiss nicht, warum du mich fürchtest. Auch weiss ich nicht, warum du dich nicht geeignet für die Luna dieses Rudels hältst. Ich weiss so gut wie gar nichts über dich. Allerdings würde ich das gerne ändern. Wie wäre es, wenn wir uns gegenseitig Fragen stellen?" Woher weiss er das mit der Angst?! Der Biss, vergessen? Ach ja, stimmt. Dieser Bastard! Sei nicht so gemein zu ihm. Doch! Sein Blick liegt noch immer auf mir. Forschend, bittend, fast schon bettelnd. Sieht er nicht süss aus?! Süss finde ich jetzt etwas das falsche Wort für einen, der fast einen Kopf grösser als wir ist, schnell reizbar und muskelbepackt ist... aber jedem seine Meinung.

So muskulös wie du ihn gerade beschreibst, ist er auch wieder nicht! Breite Schultern, aber sonst recht schlank, dennoch nicht zu dünn. Ich finde, er sieht einfach nur- Spar dir jetzt das Gesülze Fog. Bitte, sonst muss ich mich noch irgendwo übergeben! Mimimi... Jetzt weiss ich, an wen du mich erinnerst! An wen?! An Beaker von den Muppets! Na danke auch. Bitte, immer wieder gerne! Das glaub ich dir aufs Wort... Ich weiss. Ascan blickt mich noch immer an. Verdammt. Ich räuspere mich kurz, dann antworte ich ihm leise, aber bestimmt: ,,Einverstanden, jedoch nur unter Bedingungen!" Fragend blickt er mich an: ,,Was für Bedingungen?"

Ich denke noch einmal kurz nach, dann stelle ich ihm die Regeln, die er einhalten muss: ,,Du hörst mir ab jetzt richtig zu und lässt ausserdem Dylan in Ruhe. Und ich möchte, dass du mir nicht zu nahe kommst, verstanden?" Aber- Kein aber Fog. Ich sehe, wie Ascan kurz die Stirn runzelt, mir dann aber antwortet: ,,Die ersten Beiden sind kein Problem. Bei dem letzten werde ich versuchen, mich zu beherrschen, okay?" Sein Ernst? Nun, falls er es nicht einhält, werde ich schon etwas finden, damit er es bereuen wird. Nicht mit mir, Freundchen! Langsam nickend stimme ich seinen Worten zu.

Dann schaut er mich auffordernd an und meint: ,,Komm, wir gehen rein. Dort ist es erstens gemütlicher und zweitens sind wir dort allein." Er dreht sich um und macht sich auf den Weg. Obwohl er sich nicht zurückschaut, weiss er sehr wahrscheinlich, wann ich ihm folge und wann nicht. Ich bleibe noch kurz stehen, bevor ich ihm leise seufzend und mit genügendem Abstand folge. Als wir in das Anwesen eintreten, geht Ascan nicht die Treppen hoch, sondern geht nach rechts durch eine Tür. Ich folge ihm einfach, denn ich habe keine Ahnung, welche Tür wohin führt. Dieses Haus muss verdammt gross sein, aber ich kenne bisher nur das Schlafzimmer und den Eingangsbereich.

Oder besser gesagt die Eingangshalle... Das beschreibt es auch ganz gut. Zum ersten Mal bleibt mir die Zeit, mich umzusehen. Die Eingangshalle sieht wie eine Mischung aus Moderner Einrichtung und barocker Baukunst. In einem schönen Weiss gehalten, während Verzierungen und Möbel eher Dunkelrot bis Schwarz sind. Ich mag so riesige Häuser und Räume eigentlich nicht so gerne, aber allein dieser Raum sieht einfach nur unglaublich aus! Gib es zu, wenn das ganze Haus so eingerichtet ist, wird man dich kaum noch von hier wegbekommen... Könnte sein. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, vergessen? Denn jetzt könnte es lustig werden. Stimmt.

Als ich hinter Ascan durch die Tür trete, fällt mir beinahe die Kinnlade hinunter. Vor mir erstreckt sich ein grosses Wohnzimmer, das ähnlich wie die Eingangshalle eingerichtet ist. Es gibt sogar einen Kamin mit wunderschönen Verzierungen und Farbabstufungen. Viele Landschaftsbilder hängen in diesem Raum, alle eingerahmt in goldenen Rahmen. Ob es echtes Gold ist? Ich hoffe nicht, denn wie ich uns kenne, werden wir es schaffen, die irgendwie kaputt zu machen... Wo du Recht hast, hast du Recht. Ascan deutet auf das grosse, dunkelrote Sofa und meint: ,,Setz dich ruhig schon einmal hin. Möchtest du noch etwas trinken oder essen?"

Ich wollte schon verneinen, als mir bewusst wird, wie hungrig ich bin. Kein Wunder Ich nicke leicht. Ein Lächeln huscht über Ascans Gesicht, dann fragt er mich: ,,Was möchtest du trinken? Leise antworte ich ihm: ,,Nur ein Glas Wasser bitte." Er lächelt mir noch einmal zu, dann geht er auf eine der beiden Türen zu, die noch zu anderen Räumen führen. Er hat schon die Hand erhoben, um den Türgriff zu betätigen, als er sich noch einmal zu mir umdreht und fragt: ,,Bist du gegen etwas allergisch?"

Ich schüttle nur kurz den Kopf, dann verschwindet er durch die Tür und schliesst sie wieder, bevor ich einen Blick in den Raum erhaschen kann. Seufzend blicke ich mich um. Was könnte ich tun, ausser warten? Die Antwort darauf finde ich, als mein Blick an etwas hängen bleibt.

The Night WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt