Kapitel 34

8.4K 355 8
                                    

Völlig Perplex von Fogs Ansage sitze ich kerzengerade auf dem Ast. Beinahe wäre ich hinuntergefallen, so überrascht bin ich davon. Doch so gemein es auch geklungen hat, sie hat Recht. Natürlich habe ich das. Und jetzt Bewegung! Ist ja schon gut. Eilig klettere ich den Baum hinunter und renne zurück zum Haus. Per Mind-Link versuche ich Ascan zu erreichen, doch ich stosse nur auf eine undurchdringliche Wand. Ich verwandle mich noch im Rennen und als ich mich dem Haus nähere, bemerke ich sofort, dass er in seinem Zuhause ist. Vor der Eingangstür verwandle ich mich zurück und renne in das Haus.

Ich folge seinem Geruch nach oben. Vor der geschlossenen Zimmertür bleibe ich stehen. Was sollte ich überhaupt sagen? Das ist mir sowas von egal. Hauptsache du kriegst das in Ordnung! Ich atme noch einmal tief durch, dann öffne ich zaghaft die Tür. Das Zimmer ist dunkel. Am Fenster steht eine Gestalt, die nach draussen blickt. Sein Geruch vernebelt beinahe meine Sinne, doch ich reisse mich zusammen. Leise schliesse ich die Tür und trete langsam an Ascan heran. Er wendet sich nicht um, er beachtet mich nicht einmal, sondern blickt stur aus dem Fenster. Etwas weniger als zwei Meter hinter ihm bleibe ich stehen.

Ich schlucke schwer, dann flüstere ich leise seinen Namen. Keine Reaktion. Ich schliesse kurz meine Augen. Er weiss ganz genau dass ich hier bin, auch wenn er wahrscheinlich nicht weiss, warum ich hier bin. Womöglich denkt er, ich will ihn beschuldigen oder mich gar von ihm lossagen. Schon allein bei diesem Gedanken spüre ich ein schmerzhaftes Stechen. Ich öffne wieder meine Augen und beginne zu reden: ,,Ich weiss, dass du mich hörst. Ich will nur sagen... also, ich..." Ich beginne zu stottern und breche ab. Na los! Kurz versuche ich, Ascan Gefühle zu spüren. Doch es ist zu viel, als dass ich es zuordnen könnte.

Doch ich kann sagen, dass die Gefühle seinerseits grösstenteils negativ sind. Doch genau kann ich es nicht sagen. Ich räuspere mich kurz, senke meinen Blick zu Boden und entschuldige mich: ,,Es tut mir Leid. Ich hätte nicht schon wieder ohne etwas zu sagen weggehen sollen. Ich hätte dir deine Frage nicht so beantworten sollen-" Bevor ich weitersprechen kann, unterbricht mich Ascan: ,,Ich weiss, dass ich fast nie richtig gehandelt habe. Ich war, und bin wahrscheinlich, ein verdammter Arsch. Das weiss ich. Nur sag mir eines. Warum verzeihst du mir das? Warum gibst du mir eine verdammte Chance?" Ich schlucke den Kloss in meinem Hals hinunter.

Nach einer kurzen Pause erwidere ich: ,,Ich verzeihe dir, Ascan. Ich werde es nicht vergessen, aber jeder hat ein Recht auf eine Chance. Ich schweige kurz, dann füge ich hinzu: ,,Übrigens muss ich eine Antwort meinerseits richtigstellen. Ich habe keine Angst vor dir. Ich habe Angst davor, dass du... dass..." Ich breche ab, unfähig fortzufahren. Ascan dreht sich zu mir um und mustert mich wachsam, aber auch fragend. Als würde er mich wortlos auffordern, den Satz zu vollenden. Doch ich kann nicht. Jedenfalls nicht aussprechen, denn meine Stimme versagt mir den Dienst.

Also stelle ich eine Verbindung zwischen uns her und teile ihm mithilfe des Mind-Links mit: *Ich habe Angst davor, dass du sterben könntest.* Ascan erstarrt und blickt mich mit einem undefinierbaren Blick an. Er schüttelt fassungslos den Kopf und fragt mich stirnrunzelnd: ,,Wie kommst du auf so etwas?!" Ich sehe ihn nun direkt an und antworte ehrlich: ,,Ich weiss es nicht. Ich habe es nicht in meinen Visionen gesehen." Er nickt bedächtig. Er zögert kurz, dann fragt er leise: ,,Wenn du es zulässt, werde ich für immer bei dir bleiben." Ich schaue ihn etwas überfordert an. Ich hätte wohl mit allem gerechnet, aber nicht mir so einer Aussage.

Wortlos blicke ich ihn an. Seine hellen Augen wirken so unergründlich. So unwirklich. So verdammt ehrlich. Ich zögere kurz, bevor ich erwidere: ,,Nur zu gerne. Aber..." Ich pausiere kurz, da ich mich irgendwie nicht traue, den Satz zu vollenden. Er sieht mich aufmunternd an. Noch einmal atme ich tief durch, bevor ich meinen Satz beende: ,,Aber ich wäre froh, wenn wir es dennoch langsam angehen könnten. Wenn das für dich in Ordnung wäre." Ich senke meinen Blick, gespannt, was er daraufhin sagen würde. Doch statt Worte spüre ich auf einmal seine Hand, die mein Kinn ein wenig anhebt.

Er sieht mich lächelnd an und antwortet: ,,Wenn es dir so wohler ist, natürlich." Mein Herz klopft schneller, als er sich langsam vorlehnt. Sanft zieht er mich in eine feste Umarmung. Meine anfängliche Anspannung verschwindet immer mehr und ich erwidere vorsichtig die Umarmung. Als wir uns voneinander lösen, strahlen seine Augen regelrecht vor Zuneigung. Ich lächle zurück. Nicht falsch. Nicht gespielt. Einfach nur überglücklich über diese Zweisamkeit. Doch auf einmal kommt mir wieder etwas in den Sinn, was ich ihn noch fragen wollte. Ernst blickend stelle ich ihm diese Frage: ,,Ascan? Was habt ihr eigentlich wegen Kyle besprochen?" Nun wird auch sein Gesichtsausdruck ernster.

*Nun... wir haben den Standort seines Rudels ziemlich genau geortet. Sie halten sich momentan kurz vor der Grenze zu unserem Revier auf. Wir planen, sie in zwei Tagen zu umzingeln und zu zwingen, sich zu ergeben.* Warum teilt er mir das mithilfe des Mind-Links mit? Weil er womöglich befürchtet, belauscht zu werden. Schliesslich sollte dies möglichst geheim gehalten werden. Ich nicke, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich verstanden habe. Auf einmal bemerke ich, wie müde ich eigentlich bin. Eilig gehe ich zu meinem Koffer und hole mir ein paar bequeme Sachen hinaus. Dann verschwinde ich damit im Badezimmer.

Rasch ziehe ich mich um, putze mir die Zähne, kämme meine wirren Haare und erledige dann noch mein Geschäft. Anschliessend verlasse ich das Badezimmer und Stelle fest, dass Ascan bereits im Bett liegt und die Augen geschlossen hält. Auch wenn er definitiv noch nicht schläft, denn sein Herzschlag ist noch lange nicht in der Ruhephase angekommen. Ich lege mich, nachdem ich das Licht gelöscht habe, auf die andere Seite des Bettes. Ich lege mich seitlich hin, mit dem Gesicht nach links und dem Rücken Ascans Richtung. Ich schliesse die Augen und versuche einzuschlafen. Auf einmal spüre ich wie die Matratze sich etwas bewegt.

Dann spüre ich Ascans Hand an meinem Arm und seinen warmen Atem in meinem Nacken. Leise flüsternd fragt er: ,,Darf ich?" Ich bringe nur ein minimales Nicken zustande. Sanft zieht Ascan mich an der Taille zu sich. Dann berühren seine Lippen federleicht meinen Nacken. Schon nach ein paar Minuten wird sein Atem ruhiger und sein Herzschlag fällt in die Ruhephase. Wie kann er so schnell einschlafen? Es gibt jetzt verschiedene Möglichkeiten, wie du reagieren könntest. Du könntest die ganze Nacht über stocksteif wachliegen oder zu versuchst jetzt einzuschlafen. Ich würde das zweite empfehlen. Ich seufze leise, muss ihr aber zustimmen.

Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, mach ich es mir etwas bequemer. Nun ja, so gut es eben geht, denn trotz dessen, dass er schläft, ist er nicht gerade schwach. Plötzlich zieht er mich noch näher zu sich. Ich liege direkt an seiner nackten Brust. Ich lausche kurz. Anscheinend schläft er noch immer. Tief und fest. Langsam kann ich mich entspannen. Es fühlt zunehmend angenehmer und besser an. Und irgendwann, als ich es schon gar nicht mehr merke, schweife ich ab ins Land der Träume und Erinnerungen.

The Night WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt