Schinken und Wasser

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„Hey, ich bins doch nur."
Langsam senkt sie die Decke und seufzt.
Wieso hatten wir diesen Traum?
„Alles in Ordnung?", fragt Myro nochmal.
„Wir hatten nur einen Albtraum.", abwesend starrt sie weiter auf die Decke.
„Ihr schlaft gleichzeitig?"
„Manchmal. Meistens wechseln wir uns ab, um ständig auf der Hut zu sein. Wenn wir allerdings gleichzeitig schlafen, träumen wir auch gemeinsam."
„Was hast...habt ihr geträumt?", jetzt dreht sie den Kopf in seine Richtung, sieht aber mehr durch ihn hindurch, als ihn an.
„Von der Nacht, in der du uns gefunden hast."
Er zieht die Augenbrauen hoch, als erwarte er noch etwas. Doch Kaleihrah bleibt stumm. Nach einer Minute stützt er sich an der Couchkante ab und steht auf.
„So, ich müsste dir den Verband nochmal wechseln und dann zur Arbeit. Also vertraue ich euch, dass ihr hier bleibt und euch ruhig verhaltet."
„Und warum vertraust du uns?", skeptisch hebt sie eine Augenbraue.
„Weil ihr mich braucht.", er schließt die Tür mit einem leisen Klicken.
Ähm, okay. Warum geht er davon aus, dass wir ihn brauchen? Kaleihrah?
Sie starrt die Tür an, besinnt sich und bindet ihr Oberteil, wie am Tag zuvor, bis über den Verband hoch. In dem Moment, wo sie den Knoten festzieht, kommt Myro mit einer Schüssel und einem Teller wieder. Die silberne Schüssel stellt er auf den kleinen Tisch, den Teller auf ihren Schoß. Darauf liegt ein Brot mit einer rosernen Scheibe.
„Du kannst ruhig schon essen, es sollte nicht stören beim neu verbinden."
„Was ist das?", sie stubst die Scheibe an.
„Schinken.", er beginnt den Verband zu öffnen.
„Was?"
Er guckt sie verwirrt an, als wäre sie ein komischer Gegenstand.
„Das ist Schinken. Eine Scheibe Fleisch."
„Achso.", sie nimmt das Brot und beißt herzhaft rein.
Sie hebt die Ellenbogen, damit der Mensch den Verband abwickeln kann. Der sogenannte Schinken schmeckt himmlisch gut. Sie seufzt hörbar und verdreht die Augen vor Genuss. Sie bemerkt, dass Myro anfängt zu Lächeln. Sein Kopf bleibt aber auf den Verband gerichtet.
„Sowas hast du wohl noch nicht oft gegessen."
„Naja, wir haben sowieso selten Fleisch bekommen, nur wenn wir getan haben, was sie wollten."
„Die Wächter?"
Ich an deiner Stelle würde ihm immer noch nicht so viel vertrauen, auch wenn er sich um uns sorgt.
Kaleihrah ignoriert Kyra einfach.
„Ja."
„Meinst du mit 'wir'..."
„Mich und Kyra? Ja und nein. Ich rede auch von den anderen."
„Du hast die anderen getroffen?", er bindet die letzte Schicht ab und legt den roten Verband in die Schüssel.
„Du bist ganz schön neugierig.", sie stopft sich das letzte Stück Brot in den Mund.
„Äh, ja, das tut mir leid.", verlegen greift er die Schüssel und steht auf.
Er verlässt den Raum. Währenddessen inspiziert sie ihre Wunde.
Sieht schon kleiner aus.
  
Ja, dank mir.
Kyra hat recht. Durch ihr Dämonenwesen, hat sie stärkere Selbstheilungskräfte. Sie haben ihnen schon das ein oder andere Leid schneller ertragen lassen. Sie hinterlassen zwar normale Narben, wie normale Wunden auch, aber Kaleihrah hofft, dass diese auch nach ein paar Jahren wieder weg sind.
   Träum weiter Süße.

Jetzt werd mal nicht so gefühlsvoll.
Myro, der mit hochrotem Kopf wieder reinkommt, beginnt, ihre Taille wieder einzuwickeln.
„Irgendwie niedlich, wie rot dein Kopf wird, wenn dir etwas peinlich ist.", im selben Moment schlägt sie sich die Hand vor den Mund.
„Niedlich?", er hebt wieder eine Augenbraue.
Sie spürt, wie ihr Kopf und auch ihr Körper warm wird. Sogar Kyra ist sprachlos.
„Äh, ich muss gleich los. Falls du dich später richtig waschen willst, kannst du gerne duschen gehen im Bad. Ich habe dir ein paar frische Sachen rausgelegt, ich hoffe nur, sie passen.", er übergeht ihren roten Kopf und steht auf.
Ohne ein weiteres Wort geht er aus dem Zimmer. Nach ein paar Sekunden hört Kaleihrah Schritte im Flur. Die Wärme will einfach nicht verschwinden. Die Tür geht nochmal auf und der Mensch schiebt seinen Kopf ins Zimmer.
„Bitte, bleib in den nächsten Stunden ruhig. Ich vertraue dir.", besorgte Falten bilden sich auf seiner Stirn.
„Sag das ihr, nicht mir.", Kaleihrah rollt die Augen.
Nach einem weiteren besorgten Blick schließt er wieder die Tür und zwei Sekunden später hören sie eine weitere Tür zufallen.
Und jetzt?
  
   Verschwinden wir von hier.

Nein! Er vertraut uns und wir brauchen ihn, aber wir könnten den Rest der Wohnung erkunden.
Sie steht auf ohne auf Kyras Knurren einzugehen und betritt den Flur. Beim Laufen zieht es leicht in ihrer Seite, weshalb sie die linke Hand auf den Verband legt. Im Flur kommt ihr ein kühler Luftzug entgegen. Ihre Nackenhaare stellen sich auf.  Wie schon gestern.
So, wo waren wir noch nicht...?
Sie dreht den Kopf und entdeckt wieder die Rose auf der Tür. Sie geht zu ihr und streicht mit ein paar Fingern über das kalte durchsichtige Material.
Weiter!

Du hast auch keinen Sinn für Schönheit, oder?

   Schönheit hilft uns nicht beim Überleben.
Sie dreht sich zurück und geht zur ersten Tür links von ihr. Sie steckt den Kopf durch die Tür und entdeckt ein Bett und einen hohen Schrank.
Hier schläft er anscheinend.
Sie schließt die Tür wieder und geht zur hinteren rechten Tür. Der einzige Raum, in dem sie noch nicht war.
   Jetzt mach schon, es kann nichts schlimmes drin sein.
Kopfschüttelnd öffnet sie die Tür und betritt einen dunklen Raum.
„Äh..."
   Lichtschalter!
Sie tastet neben der Tür und ertastet einen kleinen Schalter. Mit einem leisen Klicken leuchtet eine runde Scheibe hell auf und erleuchtet einen weißen Raum. Sie muss blinzeln um sich an das Helle zu gewöhnen. Der Raum ist klein, in der hinteren linken Ecke steht eine große Kabine was wohl eine Art abgeschlossene Dusche sein soll. Daneben eine Toilette und davor ein Waschbecken. Direkt neben der Tür links steht ein großer weißer Kasten, der eine Scheibe vorne dran hat. Beim reingucken entdeckt sie nur lauter Löcher, die in einem Kreis angeordnet sind.
Was ist das?
Auf dem Kasten drauf liegt ein Haufen. Der entpuppt sich als ein großes Tuch und Klamotten, wie Myro sagte.
Vielleicht wär es gar nicht so schlecht, duschen zu gehen.
  
   Ist das dein Ernst?

Ja, oder willst du anfangen zu stinken?
Keinen Einwand. Sie entledigt sich ihrer Klamotten, die sie einfach auf den Boden fallen lässt. Vorsichtig nimmt sie den Verband ab und legt ihn fein säuberlich auf dem Kasten ab. Auf dem Weg in die Dusche sieht sie in den Spiegel. Wie lange ist es her, dass sie sich selbst gesehen hat? Ihr Gesicht ist schmal und ihre Haare platt. Unterhalb des Halses beginnen ihre ganzen Narben. Sie schaut an sich runter. Narben über Narben bedecken ihren Körper bis zu ihren Handgelenken und den Fußknöcheln. In allen Formen und Größen.
Sie reißt sich von dem abstoßenden Anblick weg und steigt in die Dusche.
   Irgendwo sind wir's ja selber schuld, da wir Ihnen nicht gehorcht haben.

Hättest du Ihnen gerne gehorcht?
Sie dreht das Wasser auf und lässt es nach und nach wärmer werden.
„Ahhh, tut das gut.", entfleucht ihr ein Seufzer.
Auf dem Boden steht eine Flasche, die sie aufhebt und sich etwas von der Flüssigkeit darin auf ihre Hand gibt. Sie verreibt die Seife und duscht sich wieder ab. Fertig gewaschen steigt sie aus der Dusche in das stille Bad, trocknet sich ab und betrachtet den Klamottenhaufen.
Es ist eine schwarze Hose, ein T-Shirt dessen Farbe etwas zwischen blau und grün ist und eine dünne schwarze Jacke.

Einmal Dämon, immer DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt