Die Anderen

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Die Wächter tragen Myro die Flure zurück zu der Zelle, aus der er geholt wurde. Grob wird er hineingeschickt und die Zelle verriegelt.
„Ihr braucht nicht abzuschließen, ich fliehe schon nicht.", ruft er zur Tür.
Stille macht sich in der Zelle breit. Die eine Lampe an der Decke erleuchtet den Raum nur dumpf. In dem schummrigen Licht, versucht Myro etwas zu erkennen, etwas zu finden, das ihm hier raus hilft.
Mit der Stille erheben sich aber andere Geräusche. Leise Schreie und wimmernde Stimmen. Ein Flüstern bei dem Myro glaubt, es sei in seinem Kopf. Er hält sich die Ohren zu.
Das müssen die anderen sein. Die anderen Zweiseelen. Sie werden gefoltert, oder schlimmeres.
Wieder dreht er sich im Raum und entdeckt im Schatten etwas an der Wand. Er tritt näher und nimmt die Hände von den Ohren. An der rechten oberen Ecke der Wand gegenüber der Tür, ist ein kleines metallenes Rechteck in die Wand eingelassen.
Ein Lüftungsschacht?
Er merkt, dass die Schreie und Stimmen aus der Öffnung dringen.
„Hallo? Kann mich jemand hören?", ruft er in Richtung des Schachtes.
Keiner antwortet, wie er erwartet hat.
Hoffen wir mal, dass mich keiner der Wächter hört. Die vor meiner Tür glauben wahrscheinlich, ich würde mit ihnen reden.
„Hallo?!", ruft er etwas lauter.
An der Tür klopf einer der Wächter und murmelt etwas.
„Wer bist du?", fragt eine Stimme plötzlich aus dem Lüftungsschacht.
„Huch. Also hört mich doch jemand?", erfreut über eine Antwort bekommt Myros Gesicht ein Grinsen.
„Ich fragte, wie du heißt, nicht ob du mich hören kannst.", die Stimme klingt verärgert.
„Oh, ja. Aber wieso willst du das wissen?"
„Ich muss sichergehen, dass du nicht wieder einer der Wächter bist."
„Ich bin ein Mensch, wenn das ausreicht."
„Das hält euch nicht davon ab, Wächter zu werden."
„Was?", es gibt menschliche Wächter?
„Du hast mich schon verstanden. Und wenn du mir nicht deinen Namen sagst, rede ich nicht mehr mit dir.", die Stimme schlägt von verärgert zu eingeschnappt.
„Okay, okay, okay. Ich bin Myro Ferngully. Meine Freundinnen, Kaleihrah und Kyra sind auch irgendwo hier."
„Kyra? Ferngully? Das kann nicht sein, du musst ein Wächter sein.", die Stimme wird etwas leiser.
„Es ist die Wahrheit. Warum sollte das nicht stimmen? Ich werde ja wohl noch meinen Namen wissen.", er ruft zum Schacht hoch, doch die Stimme sagt nichts mehr.
Seufzend dreht er seinen Rücken zur Wand und rutscht diese runter, bis er mit seinem Hintern den Boden berührt.
Ich hab's vergeigt. Ich komme niemals hier raus. Ich hoffe es geht den beiden wenigstens gut. Ich kann nicht glauben, dass diese Hybriden so schmerzvoll gequält werden. Wieso nur?
Er weiß genau, warum. Der Doktor hat es ihm ja erklärt. Aber Myro empfindet das als Wahnsinn.
Und keinerlei Möglichkeit, mit Kaleihrah oder Kyra zu reden, einen Weg hier raus zu finden.
Er legt den Kopf an die Wand und schließt die Augen.
Was habt ihr gemacht, Mom und Dad? Warum wurdet ihr verschleppt?
Die Zeit vergeht, doch die Schreie und das Wimmern nehmen nicht ab. Myro erkennt über die Zeit, dass ungefähr 10 weitere Hybriden in Zellen entlang des Lüftungsschachtes sind. Die meisten in einem weitaus schlimmeren Zustand wie Kaleihrah und Kyra. Sie wirken, als würden sie nicht damit klar kommen, dass sie sich zu zweit einen Körper teilen müssen. Bei diesen Hybriden klingt der Seelenwechsel wie eine Qual oder ein Kampf.
„Kaleihrah und Kyra sind tot.", dringt die weibliche Stimme an Myros Ohr.
Er öffnet die Augen und stellt sich hastig hin.
„Nein, sie leben und sie sind hier."
„Sie sind entkommen - weis Luna allein, wie - und die Wächter haben sie getötet. So wie sie es sagten und tun müssen. Keiner der entkommt, bleibt am Leben."
„Sie haben die beiden nur stark verletzt, ich habe sie gefunden und bei mir gesund gepflegt."
Die Stimme fängt an zu lachen.
„Aber sag mal, wie ist eigentlich dein Name oder eher eure Namen?", fragt Myro dazwischen.
„Unwichtig."
„Ich musste dir auch meinen sagen."
„Du wirst uns sowieso niemals sehen, aber wenn es unbedingt sein muss.", sie seufzt, „Wir heißen Florentina und Frya."
„Okay. Scheint wohl normal zu sein, dass Mensch und Dämon den selben Anfangsbuchstaben haben."
„Sagte der Ferngully.", ihre Stimme klingt schnippisch und gehässiger.
Der Dämon in ihr.
„Was habt ihr dauernd mit meinem Namen? Er ist nicht unbedingt außergewöhnlich."
„Oh, da weis wohl einer nicht, was es mit seinem Namen auf sich hat."
„Dann sag es mir doch.", ruft er nun etwas lauter.
Aus dem Schacht dringt aber nur ein Lachen.
„Gut, dann erzähl mir bitte, was du über Kaleihrah und Kyra weißt."
„Sie sind bekannt wie ein bunter Hase."
„Du meinst Hund.", korrigiert Myro
„Wie bitte?", der Dämon scheint verärgert.
„Ach nichts, erzählt weiter."
„Sie sind bekannt. Zum größten Teil für Ihre dauernden Ausbruchsversuche. Zum anderen dafür, dass sie eine der wenigen Hybriden ist, wo sich die Seelen den Körper friedlich teilen und einander helfen.", erzählt sie vor sich hin.
„Ihr scheint aber auch gut miteinander auszukommen."
Diesmal lacht sie leiser, er merkt, dass es sich wieder um die menschliche Seele handelt.
Dass das Zusammenleben mit der Zweiseele für nur knapp zwei Wochen meine Sinne schon so geschärft hat, ist verblüffend.
„Das wirkt nur so, um die Wächter zu ärgern. Kaleihrah hat uns mal erklärt, wie wir das machen können."
„Das heißt, du kennst sie persönlich?", seine Stimmung hellt sich auf.
„Wir werden einmal im Mondzyklus zusammen in einen Raum gepfercht. Dann schauen sie, wie wir uns verhalten. Manchmal geben Sie uns Aufgaben, die wir lösen sollen, natürlich als Dämon. Sobald sich einer lang genug im Dämonzustand befindet, wird er isoliert und weggebracht. Da hab ich sie das ein oder andere mal getroffen. Ich würde allerdings nicht sagen, dass wir Freunde sind oder sowas. Ihr Dämon ist auch wesentlich zahmer als einige der anderen. Sie verlassen sich aufeinander. So wie Kaleihrah Kyras Kraft braucht, braucht Kyra Kaleihrahs Empfindungen und Gefühle. Sie ist der einzige Hybrid, den ich kennengelernt hab, der eine so starke Bindung hat.", sie verstummt.
„Ich wusste doch, dass sie etwas besonderes ist."
„Mag schon sein, aber dafür wird sie auch am meisten gebranntmarkt und gequält, weil sie natürlich versuchen wollen, Kyras Seele zu brechen, sodass sie nachgibt. Denn wenn sie es geschafft haben, sie zu bekehren, schaffen sie es bei allen anderen auch."
Myro bekommt eine üble Vorahnung.
Oh nein, was haben sie mit ihr vor?

Einmal Dämon, immer DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt